Gerade wurde ich vor dem Zugang zu einem Nachrichten-Video über den Tod von Grant Wahl bei web.de vor die Wahl zwischen zwei Werbespots gestellt: Ich könne selbst bestimmen, welchen Werbespot ich vor dem Nachrichten-Video sehen wolle.

Auch wenn die Startbilder der Werbespots nicht ganz identisch sind, erinnert die Entscheidungssituation ein bisschen an das Dilemma von „Buridans Esel“. Gottseidank habe ich mich nicht in einer Endlosschleife aufgehängt, mir ist die vorweihnachtliche Audi-Werbung frei nach Ernst Jandl links so recht wie die rechte und rechts so link wie die linke.

Buridans Esel wäre auch nicht verhungert, hätte er sich nicht artifiziell kontextfrei verhalten, sondern erst den linken dann den rechten Heuhaufen gefressen. Nehmen wir an, die beiden Startbilder wären ganz identisch, würde trotzdem kein Mensch handlungsunfähig davor verharren. Selbst eine kurztrainierte KI-Einheit würde das nicht tun.

Länger kann man vermutlich darüber diskutieren, ob es werbetechnisch eine Eselei oder eine gute Idee ist, einen vor die Wahl zwischen Audi und Audi zu stellen. Ebenso, warum die Analogie zwischen der Trägheit eines physikalischen Körpers im Gleichgewicht zwischen zwei entgegengerichteten Kräften und der Vermutung einer Entscheidungsunfähigkeit von KIs, Eseln und Menschen nicht weit trägt.

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Disclaimer: Keine Gewähr für Unsauberkeiten der Sätze über KIs oder physikalische Körper

Kommentare (19)

  1. #1 Alisier
    10. Dezember 2022

    Audi ist Audi. Keine Diskussion.
    So wie Horch Horch war.
    Ein großer Schlitten vor dem Herrn, dem man nur huldigen kann.
    Hohohorch, gerade zu Weihnachten.
    Lassen wir den Esel unkommentiert und unschlüssig an der Krippe stehen, denn die Ochsen sind wir alle.
    Das Jesuskind würde Audi fahren. So viel immerhin ist klar, ob mit Harnstoff oder klug manipulierter Software.
    Es lebe die Autoindustrie. Sie wurde uns allen in die Wiege gelegt.
    Sie ist und bleibt der wahre Erlöser.

  2. #2 Herr Senf
    schaumermal
    11. Dezember 2022

    Im Rahmen der Logik kann jedoch gezeigt werden, daß es eine dritte Entscheidung gibt,
    nämlich keine der beiden Werbungen zu gucken.
    Boshafter ist da schon Hobsons Wahl:
    es ist eine freie Wahl, bei der aber nur eine Sache angeboten wird mit der Illusion
    mehrerer Optionen. “Ich gebe dir die Wahl: nimm oder lass es” / lassen nicht erwünscht

  3. #3 PDP10
    11. Dezember 2022

    Ich glaube ja, dass wahre Problem des Esels ist, dass er nunmal ein Huftier ist und als solches keine Hände und schon gar keine opponierenden Daumen hat mit dem er eine Münze in die Luft schnippen könnte um sich von der Entscheidung freizustellen.

    Wir Angehörige der Gattung Homo dagegen haben nicht nur opponierende Daumen zum Münzen schnippen sondern auch Adblocker, die auch Werbung in Videos meist recht effektiv rausfiltern.

    (Abgesehen davon: Wenn mir jemand glaubhaft versichern würde, dass die Spots gut sind würde ich mir auch beide ansehen. Aber das Thema hatten wir nebenan schonmal 🙂 )

  4. #4 Staphylococcus rex
    11. Dezember 2022

    Buridans Esel ist ein interessantes philosophisches Konzept, welches in der Realität zum Glück praktisch nie zum Tragen kommt. Und das liegt nicht daran, dass es schwierig ist, zwei identische Heuhaufen zu bauen, sondern es liegt an unserem biologischen Erbe. Seit der kambrischen Explosion gibt es eine Nahrungskette und Räuber und Beute, die derartige Entscheidungen treffen müssen. Dabei ist es egal ob der Räuber zwischen zwei Beutetieren wählen muss oder die Beute zwischen zwei Fluchtwegen. Intuitiv vermuten wir, das Gehirn sucht die optimale Entscheidung. Das ist falsch. Optimale Entscheidungen kosten Zeit, in einer Räuber-Beute Beziehung wird die Partei, die zuviel Zeit verschwendet, in jedem Fall verlieren. In einer derartig zeitkritischen Situation kommt es darauf an, die Situation schnell einzuschätzen, gibt es offensichtlich vorteilhafte Entscheidungen oder offensichtliche Fehlentscheidungen? Wenn nicht, dann ist es egal, wie entschieden wird, Hauptsache schnell. Eine schnelle gute Entscheidung bringt mehr als eine verspätete optimale Entscheidung, wenn sich während der Entscheidungsfindung die Rahmenbedingungen verändern können.

    Die schnelle Entscheidung kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Buridans Esel muss nicht unbedingt eine Münze werfen. Tiere verfügen über die Möglichkeit eines „biologischen“ Zufallsgenerators oder über die Möglichkeit der Nutzung vordefinierter Entscheidungen (z.B. im Zweifelsfall die rechte oder linke Seite zu bevorzugen). Wir als Menschen können zusätzliche Regeln einbinden (z.B. an ungeraden Tagen wähle ich die linke Werbung, an geraden Tagen die rechte Werbung).

    Außerdem, das menschliche Gehirn braucht bei 2% der Körpermasse 20% unserer Energievorräte. Das bedeutet, die Evolution hat drei verschiedene Optimierungsscenarien: Qualität der Entscheidungsfindung, Schnelligkeit der Entscheidungsfindung und Energieaufwand für die Entscheidungsfindung.

    Der freie Wille spielt nach meiner Einschätzung bei Alltagssituationen keine Rolle, unsere Alltagsentscheidungen sind Optimierungsentscheidungen, bei denen Zufall oder Vorprägung uns Abkürzungen nehmen lassen und uns den freien Willen nur vorgaukeln. Der freie Wille existiert, aber nur als evolutionäres Notprogramm, wenn wir die Wahl zwischen „Pest und Cholera“ treffen müssen, wenn eine Grundsatzentscheidung getroffen werden muss, wenn ethische Aspekte eine Rolle spielen und wenn der Zeitfaktor nicht so drängt.

    Die Übertragung biologischer Entscheidungsprozesse auf Computerprogrammierung und eine KI (bei Wikipedia führt Buridans Esel über den Begriff Deadlock zum Raucherproblem und Philosophenproblem) würde diesen Beitrag sprengen, wäre also ggf. Thema einer weiteren Diskussion.

  5. #5 zimtspinne
    11. Dezember 2022

    Wären die Startbilder identisch, kämen die Leute womöglich auf die Idee, den Haken dran zu suchen oder sie gleich als Suchbilder zu verstehen…. und würden den Audi auf subliminaler Ebene inhalieren und nie wieder eine andere Marke nehmen.

    Ein Psychotrick der Manipulation ist das außerdem. Die Auswahl zu haben, macht die Leute immer glücklicher als keine Wahl zu haben und was aufs Auge gedrückt zu bekommen. Vor allem Werbebotschaften.
    Wenn das Schule macht, kann man sich die zusätzlich geraubte Lebenszeit gleich mal für 30 Jahre ausrechnen bei 20 solcher spots täglich.
    Ich bevorzuge ehrliche, nervtötende Werbung, die führt zu kurzen Prozessen. Weg mit der Seite, Absender merken, effektiveren Werbeblocker holen und mit der gesparten Zeit was sinnvolles anfangen.

    • #6 Joseph Kuhn
      11. Dezember 2022

      @ zimtspinne:

      “Ein Psychotrick der Manipulation ist das außerdem. Die Auswahl zu haben, macht die Leute immer glücklicher als keine Wahl zu haben”

      Gut beobachtet. Das spielt sicher eine Rolle.

      Wobei der Satz, dass Auswahl haben immer glücklich macht, wenn es nicht mehr um die Auswahl zwischen Tomatensorten oder Autos geht, nicht mehr uneingeschränkt gilt. Manchmal lebt es sich z.B. gerade bei existentiellen Fragen mit Vorgaben ganz gut: man spart das Nachdenken und auch die mit einer eigenen Entscheidung womöglich einhergehenden sozialen Konflikte.

      “Werbeblocker”

      Habe ich. In dem Fall handelt es sich aber um ein Intro für ein Nachrichten-Video, da hilft der beste Werbeblocker nichts.

  6. #7 zimtspinne
    11. Dezember 2022

    Ja, das stimmt, das hatte ich nicht zu Ende gedacht. Und außerdem, dass viele Wahlmöglichkeiten unheimlich stressen können.
    Selbst oder gerade auch bei banalen Alltagsdingen… so stand ich in einer Entscheidungsmuffel-Phase mal an einer Kreuzung und überlegte minutenlang, ob ich zuerst Bankautomat, Post, Drogerie oder Apotheke anradeln soll… und habe durchgespielt, wie die effizienteste Lösung aussieht.
    Jener Pampa-Bankautomat war öfter schon außer Betrieb, außerdem Geld überall mitrumschleppen keine gute Idee, in der Drogerie könnten etliche schwerere Dinge gekauft werden, die dann wieder zu sichern wären oder mitzuschleppen und so wurde das zur Entscheidungsfalle und weniger Auswahlmöglichkeiten (zB wegen Öffnungszeiten) wären mehr gewesen.
    Oder ein Audi, mit dem alles bequem angecruist wird, sehr zu Alisiers Freude 😉

  7. #8 rolak
    11. Dezember 2022

    <OT>
    Der screenshot erinnert mich unweigerlich an jene alte Schote:

    Wenn Du vor dem Teeregal stehst und die Wahl hast zwischen ‘Energie für den Tag’, ‘Heiße Liebe’ und ‘Süße Träume für die Nacht’ – welchen Rotwein wählst Du?

    Nein, die Sortennamen sind nicht ausgedacht.
    <\OT>

  8. #9 Herr Senf
    nah dran
    11. Dezember 2022

    BurdaForward hat eine Studie zur “selbstbestimmten” Werbung machen lassen:
    https://www.adzine.de/2019/02/selbstbestimmte-werbung-mehr-werbewirkung-auf-kosten-der-reichweite/ … mit “gemischtem Ergebnis” 55% Unterstützer, 45%verzichten ganz
    war ja meine logische Empfehlung in #2 “nimm es oder lass es” 45% nehmen unerwünscht

  9. #10 PDP10
    12. Dezember 2022

    “selbstbestimmten” Werbung

    Hübscher Euphemismus.

  10. #11 knorke
    12. Dezember 2022

    @zimtspinne (5)
    Mein erster Gedanke bei zwei identischen Bildern wäre, zu veruchen per Kreuzblick ein 3D Bild in meinem Kopf draus zu machen 😉 Dafür guckt man dann auch mal ne Werbung

  11. #12 knorke
    12. Dezember 2022

    @Joseph Kuhn & zimtspinne
    Wahl bzw. zu viel Auswahl ist für Menschen eher ein Problem und wird als störend empfunden. Im Marketing, der Marktforschung und in der Psychologie (man nennt sowas ja neuderdings behavioural economics) sind Wahlmöglichkeiten daher schon länger als zweischneidiges Schwert bekannt. Wer früher mal in einem Subway ging, der weiß darüber bestens Bescheid. Schlimmer als ein Verhör, dabei wollte ich bloß ein belegtes Brötchen…

  12. #13 rolak
    12. Dezember 2022

    als zweischneidiges Schwert bekannt

    Auch wenn seit urlange bekannt ist, daß ein zu breitgefächertes Angebot negative Effekte haben kann, wird dies Schwert meist wie ein Trihänder eingesetzt, um die ebenso gut bekannte Tendenz zur Mitte voll auszunutzen.

    Seit damals™ in der Mittelstufe beim Thema Marketing ua diese Strategie aufgetischt wurde, bin ich äußerst mißtrauisch bei solchen Dreier-Arrangements…

    Bei einem Zutaten-Angebot zur Kunden-Zusammenstellung des Gewünschten (wie im erwähnten SternenRammler, FrozenYoghurt-Dealern etc pp) schlägt allerdings nicht die Qual der Wahl negativ zu Buche, sondern die Kunden-Illusion des frei wählbaren, persönlich zugeschnittenen Produktes positiv. Da insbesondere ~toppings typischerweise das Gros des GesamtPreises ausmachen, ein doublewin (kein win-win).

  13. #14 zimtspinne
    12. Dezember 2022

    @ knorke

    Was ist ein Subway? Sowas wie McDonalds oder PizzaHut?
    Geb dir recht, denke aber auch, dass für jeden “zuviel Auswahl” was anderes ist und wir auch sehr unterschiedlich mit Auswahl und Auswählen umgehen.
    Vielleicht ist ja ein Teil des Erfolgsrezeptes der Reichen und Mächtigen ihre Entscheidungsfreudigkeit. Nicht lange fackeln, einfach schnell Entscheidungen treffen, auch wenn die sich nachher als falsch herausstellen. Auch langwierige Entscheidungsfindung kann zu Fehlentscheidungen führen und womöglich sogar gerade die (ich weiß es nicht…).
    Man kann mit Entscheidungsenthusiasmus auch prima andere überrumpeln und hat schon mal die Nase vorn.
    Und dann spielt dort doch auch die Fähigkeit zum Prioritätensetzen rein, oder eben die Fähigkeit zum Verzetteln 😉

    Was Werbung angeht, fühle ich mich am wohlsten, ihr gar nicht ausgesetzt zu sein, was natürlich eine Illusion ist.
    Aber wenn schon, dann möglichst stressfrei ohne Zeitdruck.
    Man muss ja auch unterscheiden zwischen “erwünschter” Werbung (als Hilfestellung für Entscheidungen, zB im Restaurant) und unerwünschter Werbung. Was uns aufregt, ist ja eher letztere…
    Gehe ich in die Süßigkeitenabteilung, weiß ich, was mich erwartet und kann mich drauf einstellen und auch schon mal den Tunnelblick und die Scheuklapppen fürs Allerschlimmste aufsetzen.

    Starten aber vollkommen aus dem Hinterhalt beim Anklicken einer Seite irgendwelche Videos mit schrillen Stimmen, ist das Stress pur. Ich glaube, das könnte man sogar messen, diesen Stress.
    kein Wunder, dass Werbeblocker so ein Erfolgsmodell sind. Ich würde eher den Werbeblocker mit auf eine einsame Insel nehmen als das smartphone 😉

    Dass Werbung in bestimmten Formen und Farben einfach nur gesundheitsschädlich sein kann und ein Risikofaktor für alles mögliche, sollte auch langsam mal anerkannt werden.
    Am ärgsten dann noch Dauer-Internetkonsum zusammen mit Dauerwerbung aus allen Rohren, weil die Werbung kommt dort ja sogar jederzeit bis in jeden Winkel der Privatsphäre.
    Früher waren die Leute ja immerhin aufm Klo sicher vor der RTL-Werbeunterbrechung, ein bisschen Privatsphäre.
    Heute ist die in der digitalen Welt überall dauerpräsent. Also bei mir nicht, aber so allgemein.
    Dass muss mal politisch aufgegriffen werden, wie uns Werbung unzufrieden, aggressiv und krank macht! Da meine ich noch nicht mal die Folgen, die kommen ja noch obendrauf.

  14. #15 zimtspinne
    12. Dezember 2022

    hurra, es ist immerhin schon Thema!
    Jedenfalls für die lieben Kleinen….

    https://kurier.at/gesund/who-digitale-werbung-gefaehrdet-gesundheit-minderjaehriger/400434910

  15. #16 RPGNo1
    12. Dezember 2022

    @zimtspinne

    Subway ist ein Franchise, in welchem man Sandwiches, Wraps etc. kaufen kann.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Subway_(Schnellrestaurant)

  16. #17 rolak
    12. Dezember 2022

    Subway

    oops, dezent peinlich: zwischen Lesen und Posten ist das Denken da oben irgendwie bei StarBucks eingerastet und generierte die scheinbar zusammenhanglose Schräg­Eindeutschung. Beim tatsächlich erwähnten, strukturell ähnlichen Subway wäre ‘der Unterirdische’ schön passend gewesen…

  17. #18 uwe hauptschueler
    12. Dezember 2022

    Nervig ist es in der Eisdiele wenn man 10min angestanden hat und der Kunde vor einem anfängt zu überlegen welche drei Kugeln er haben will, in dem Moment in dem er angesprochen wird.

  18. #19 Herr ɟuǝs
    voll daneben
    27. Dezember 2022

    spektrum.de, Begründung werbefinanziert, hat sich diesem Quatsch angeschlossen.
    Durfte mir gerade ein Werbevideo aussuchen, um danach 1 Stunde lesen zu dürfen.