Eine gesunde Skepsis gegenüber der Politik, den Medien oder auch der Wissenschaft macht mündige Bürgerinnen und Bürger aus. Aber eine misstrauische Grundhaltung mit Unterstellungen gegen alle „da oben“, außer denen der eigenen Glaubensgemeinschaft, ist das Gegenteil dieser Mündigkeit.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat vor kurzem eine Studie zum Demokratievertrauen in Krisenzeiten veröffentlicht. Sie beruht auf einer repräsentativen Befragung von gut 2.500 Personen im Zeitraum vom 11. Juli bis 9. August 2022, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap. Die Skeptiker nebenan haben darüber bereits berichtet. Aus dem umfangreichen Material seien hier drei Befunde zu coronabezogenen Einstellungen nach Parteipräferenz vorgestellt:

Kann man Experten glauben, wenn sie sagen, das Coronavirus sei gefährlich? Fast die Hälfte der AfD-Anhänger:innen hat hier Zweifel:

Kurioserweise glaubt aber auch fast die Hälfte der AfD-Anhänger:innen, Corona sei als Biowaffe entwickelt worden. Also: Ungefährlich, aber Biowaffe. Vermutlich sind das nicht zwei komplementäre Hälften der AfD-Anhängerschaft, sondern die mit besonderer Fähigkeit zum Aushalten von Widersprüchen im eigenen Kopf. Bei der Ampel-FDP scheint man der Biowaffen-Theorie auch recht zugeneigt. Ebenso bei den Freien Wählern – in Bayern immerhin Regierungspartei. Aber in der Partei gilt vielleicht auch Salat als Biowaffe. Aiwanger meint jedenfalls, wenn ein Bauarbeiter „nur einmal die Woche Fleisch kriegt und nur Salat, fällt er am dritten Tag vom Gerüst runter“.

Sind viele AfD-Anhänger:innen einerseits misstrauisch, was Berichte über die Gefährlichkeit des Virus angeht, egal was die Wissenschaft sagt, sind sie andererseits mehrheitlich der Meinung, beim Impfen würden die Gefahren heruntergespielt. Drei Viertel der AfD-Anhänger:innen glauben das.

Nicht, dass der Umgang mit den Nebenwirkungen der Impfung seitens der Politik vorbildlich gewesen wäre, weder was die Erfassung und Versorgung von Nebenwirkungen angeht noch die Kommunikation darüber, aber angesichts der Vorbehalte der AfD-Anhänger:innen gegenüber der ausführlichst untersuchten und kommunzierten Gefährlichkeit des Virus fragt sich, ob allein eine bessere Kommunikation über Impfnebenwirkungen zu einer realistischeren Einschätzung des Themas in diesem Milieu geführt hätte. Die Risikowahrnehmung spiegelt hier wohl eher das Zugehörigkeitsbekenntnis zum rechtspopulistischen Milieu wider als ein Abwägen von Informationen.

Bei der FDP haben vielleicht die medienwirksamen Äußerungen von Kubicki Spuren hinterlassen, und Aiwangers Impfvorbehalte sind auch bekannt. Und ob bei CDU/CSU so viele nachträglich dem eigenen Minister Spahn das Misstrauen aussprechen oder erst jetzt dem SPD-Minister Lauterbach?

Die Anhänger:innen der Linken sind interessanterweise bei diesen Themen unauffällig. Hier scheint die Hufeisentheorie nicht zu greifen.

Insgesamt, über die verschiedenen Befragungsthemen von Demokratie über Föderalismus bis Klimawandel hinweg, kommt die FES-Studie zu einem positiven Befund (S. 2):

„Anders als vielleicht zu befürchten gewesen wäre, ist die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie trotz vielfältiger Krisen stabil. Sie ist sogar leicht angestiegen.“

Allerdings ist Zufriedenheit mit der Politik, wenn man nicht Ruhe als erste Bürgerpflicht ansieht, kein Selbstzweck. Sie sollte das Ergebnis eines engagierten und glaubwürdigen Angehens der großen Probleme sein, von Klimawandel, Pflegenotstand bis zum bezahlbaren Wohnen. Da wäre noch viel Luft nach oben und etwas mehr gesundes Misstrauen und Einfordern seitens selbstbewusster Bürger:innen wäre durchaus angesagt. Man sollte den Protest nicht den Populisten und Demagogen überlassen.

Kommentare (7)

  1. #1 Andreas Lichte
    30. April 2023
  2. #2 Uli Schoppe
    30. April 2023

    Man sollte den Protest nicht den Populisten und Demagogen überlassen.

    Das hat mich bis jetzt am Meisten aufgeregt. Vernünftige Kritik war einfach nicht möglich. Und da darf ich mich bei beiden Seiten bedanken: Den Befürwortern (die wirklich ALLES richtig und vernünftig finden aus dem Grund das man den Gegnern nichts an Fläche bieten will) und bei den Gegnern (deren Spatigkeit keiner in Abrede stellen kann).

  3. #4 JW
    1. Mai 2023

    Interessant finde ich den auch hier dokumentierten Wandel der Grünen. In vielen Köpfen sind sie noch die Esoteriker und Homöeoathen-Partei. Aber in der neuen Generation scheint bei den Grünen die Wissenschaft mit am stärksten verankert zu sein. Und dies ist nicht die einzige Umfrage, die un diese Richtung deutet.

  4. #5 Fluffy
    1. Mai 2023

    Ein netter Versuch aus Minus und Minus Plus zu machen. Man verkopple zwei absurde Behauptungen, um wenigstens die zweite glaubwürdig zu machen. Da sollte wohl das Gehirn ins Stolpern kommen.
    Die Grünen sind mir nie ursprünglich als Esotherikerpartei untergekommen, sondern als Umweltschutz- und Friedenspartei

    Aber in der neuen Generation scheint bei den Grünen die Wissenschaft mit am stärksten verankert zu sein.

    Das ist natürlich der Oberwitz.

  5. #6 JW
    2. Mai 2023

    Nö, Fluffy. Die Grünen waren schon lange als Homöopathiefreunde und Esos verschrien. Das war bei vielen auch eine Motivation für Friedens- und Umweltpolitik. Soweit zu ehrenwert. Wenn man sich aber heutige Umfragen unter den Anhängern anschaut so verschwindet diese Szene in der Partei oder wird unsichtbarer. Der Oberwitz scheint zu sein, dass Du nicht merkst, wie sich diese Partei wandelt und Wissenschaftler dort immer mehr Bedeutung gewinnen. Die meisten Homöopathen findet man anteilsmäßig in der CSU. Ich habe die Umfragen leider nicht parat und keine Zeit zu suchen. Aber da waren in den letzten Jahren einige.

  6. #7 Uli Schoppe
    4. Mai 2023

    @Joseph Kuhn

    Das Du aus mir jetzt einen Querdenker machst ist aber nicht nett 😉 mit einem ausgewogeneren “Vernünftige Kritik wurde zu oft nicht gehört.” kann ich mich ja ganz leicht anfreunden.
    Gemeint war nicht “dass man dies oder das nicht sagen dürfe und wer es doch wage, würde sofort mundtot gemacht.” wie Du in Deinem anderen Blogbeitrag am Anfang erwähnst.
    Das Moment dann einfach abzuwiegeln ist einfach da. Geht mir selber ja auch so wenn ich mich zu konstant mit vorsichtig gesagt dissonantem Denken auseinander setzen muss. Da geht einem dann die Kraft aus und man macht das aus Notwehr um nicht die eigenen Reserven zu sehr anzugreifen. Mir geht das jedenfalls so. Ich empfinde das auch nicht als irgendwie verwerflich. Als Mensch hat man da eben nur begrenzt Reserven. Ich bin im Berufsleben dem Gewäsch von Corona(maßnahmen?)gegnern, Klimawandelleugnern und “Islamkritikern” den ganzen Tag ausgesetzt. Da mache ich dann oft auch selbst zu, ich muss mich nicht von denen verschleissen lassen…
    Mir fällt auch keine Strategie ein mit der man als Politiker das Problem umgehen soll, das kommt einfach wenn man seine Bürger nicht konstant mundtot halten will. Und wer will das schon.