Die Homöopathie sorgt derzeit wieder einmal für Aufregung im Blätterwald. Sollen die Krankenkassen die Homöopathie weiter finanzieren dürfen? Ja oder nein? Sogar die Bildzeitung, das Medium für die wirklich wichtigen Themen der kochenden Volksseele, hat sich des Themas angenommen und schürt ein bisschen Zwietracht in der Ampel. Habeck und seine Staatssekretärin Hajduk würden monieren, Lauterbach ginge es ja „nur ums Prinzip“. Ob die Bildzeitung das wirklich von den Beiden hat oder ob es nur so gewesen sein könnte, weiß man nicht. Wie bei der Homöopathie wird auch bei der Bildzeitung evidenz klein geschrieben, manchmal ganz klein, homöopathisch dosiert sozusagen.
Ums Prinzip sollte es bei der Homöopathie allerdings durchaus gehen. Das Behandlungsverfahren zeichnet sich schließlich durch eine besondere Abstrusität aus, auch wenn manche ihrer Anhänger nicht vor noch abgedrehteren Methoden zurückschrecken.
Um viel Geld geht es nicht. Darauf weist die Homöopathielobby immer wieder hin. Trotzdem möchte sie nicht, dass die Homöopathie als private Glaubenssache auch privat bezahlt wird. Es geht schließlich ums Prinzip. Die Krankenkassen sollen zahlen, und zwar solidarisch: Wahltarife – lieber nicht. Die mussten vor ein paar Jahren mangels Nachfrage abgeschafft werden. Bei Wahltarifen haben die Homöopathieanhänger einen Aufschlag zu bezahlen. Jetzt wollte Karl Lauterbach auch die Finanzierung als Satzungsleistung abschaffen, einer Finanzierungsform, die von allen Versicherten einer Krankenkasse mitgetragen wird. So stand es im zweiten Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes, bis die Streichung jetzt im dritten Referentenentwurf wieder raus war. Warum auch immer. Vermutlich „aus Prinzip“, welches es auch gewesen sein mag.
Ob am Ende nicht zwei grüne, oder drei grüne Spitzenpolitiker Lauterbach zum Umdenken gebracht haben, sondern 200.000 Unterzeichner:innen einer Petition zum Erhalt der Kassenfinanzierung? Kann sein, kann nicht sein. Vielleicht weiß Karl Lauterbach von dieser Petition gar nichts, man weiß ja überhaupt so wenig, was er weiß.
Sind 200.000 Unterschriften viel? Sicher. Viele Petitionen erreichen bei weitem nicht diese Zahl. Auch eine Petition zum Erhalt der Homöopathie-Wahltarife hatte nur 75.000 Unterschriften geschafft. Andererseits: In Deutschland gibt es ca. 70 Mio. Menschen im Alter über 18 Jahren, also unterschriftsreif. Glaubt man Angaben, nach denen bis zu drei Fünftel der Menschen alternativmedizinische Angebote in Anspruch nehmen, wären das ca. 43 Mio. Unterschriftsreife mit solchen Neigungen. Von denen hätten dann 0,45 % die Petition unterzeichnet, oder noch weniger, falls auch ein paar gedankenlose Homöopathieverweigerer unterschrieben hätten. 0,45 % wiederum sind nicht viel, wenn auch nicht unterhalb der Nachweisgrenze. Von den ca. 200.000 Unterschriften wurden zudem fast 140.000 offline eingesammelt, d.h. über Unterschriftenlisten in Praxen von Heilpraktikern, Naturheilpraxen, Bioläden und anderen Stätten, an denen gutsituiertes Publikum mit alternativmedizinischen Neigungen oft viel Geld lässt. Auch von denen, den wirklich Gutgläubigen, hat demnach nur ein verschwindend kleiner Teil unterschrieben.
Falls Karl Lauterbach also doch von der Petition gehört haben sollte, und falls er deswegen die Streichung der Kassenfinanzierung der Homöopathie wieder gestrichen haben sollte, sollte er einmal darüber nachdenken, ob 200.000 viel oder wenig sind. Vor allem, wenn zugleich argumentiert wird, 50 Mio., also das Einsparpotential der Streichung, seien nicht viel. Beim Thema Homöopathie sollte man grundsätzlich gut darüber nachdenken, wie viel Substanz im Spiel ist.
Fortsetzung folgt.
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