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Am Dienstag hat die Verhandlungsgruppe aus Union und SPD ein erstes Einigungspapier geleakt: eine Seite, 7 Punkte, in Punkt 2 kam der Themenbereich Gesundheit und Pflege beim „Sondervermögen Infrastruktur“, auf Deutsch also den Sonderschulden Infrastruktur, in einer Aufzählung wichtiger Vorhaben mit dem Stichwort „Krankenhaus-Investitionen“ vor.

Heute ist die Langfassung des Sondierungspapiers fertig geworden. 11 Seiten. Zu Gesundheit und Pflege kann man jetzt zusätzlich zum Stichwort Krankenhaus-Investitionen auf Seite 2 unter der Überschrift „Weitere ausgewählte Vorhaben“ auf Seite 10 lesen:

„Pflege und Gesundheit: Die Gesundheitsversorgung muss für alle gesichert bleiben. Wir wollen ein große Pflegereform auf den Weg bringen. Wir stehen für eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung in der Stadt und auf dem Land.“

Das ist der kleinste gemeinsame Nenner aus den Wahlprogrammen, von jeder Substanz befreit. Positiv gewendet könnte man sagen, beim Thema Gesundheit und Pflege ist alles offen.

Auf Seite 7/8 steht noch der Satz:

„Dabei werden wir die hohen Standards im Arbeitsschutz wahren“

Ob die Standards im Arbeitsschutz so hoch sind, z.B. in der Fleischindustrie oder in der Logistik, sei einmal dahingestellt, immerhin steht kein Abbau des Arbeitsschutzes unter dem Etikett „Entbürokratisierung“ im Papier. Man muss in diesen Zeiten für vieles dankbar sein.

Die eigentlichen Koalitionsverhandlungen folgen noch, falls die Grünen vorher die notwendigen Verfassungsänderungen mittragen. Man wird dann das fehlende „e“ bei der großen Pflegereform sicher noch hinzufügen, aber ob es auch mehr Public Health geben wird? Die Einlösung von Lauterbachs Versprechen, die Finanzierung des erlassgezeugten BIÖG in einer neuen Koalition auf eine solide Basis zu stellen, ist mit dem Sondierungspapier jedenfalls noch nicht erkennbar näher gerückt.

Kommentare (28)

  1. #1 Joseph Kuhn
    10. März 2025

    Kommt das Schuldenpaket gar nicht?

    Am 13. und am 18. März soll der alte Bundestag die Grundgesetzänderungen für die Schuldenpakete Bundeswehr und Infrastruktur beschließen.

    Die Grünen pokern hoch und wollen angeblich nicht zustimmen, wie gerade die Medien in Eilmeldungen schreiben:

    “Die Grünen wollen dem milliardenschweren Verteidigungs- und Infrastrukturpaket von CDU/CSU und SPD nicht zustimmen. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, sagte in Berlin, sie und die Co-Vorsitzende Britta Haßelmann hätten der Fraktion empfohlen, nicht zuzustimmen.”

    Falls sie das wirklich durchziehen, ist dann die Koalition aus Union und SPD geplatzt? Oder geht dann Christian Lindners Traum in Erfüllung und für Panzer und Raketen wird im Sozialen gespart, was das Zeug hält?

  2. #2 Oliver Gabath
    10. März 2025

    @#1 (Joseph)
    Zum Haare raufen, wie parteipolitisches Kleinklein zum Schaden des Landes getrieben wird. Weil’s von den Schwarzröcken kommt, sind die Grünen gegen etwas, was sie selbst noch vor vier Wochen mitgetragen hätten, was die CDU noch vor vier Wochen nicht mitgetragen hätte und die SPD steht im Wesentlichen da und hat den Mund auf. Wohlstandsverwahrlosung in Deutschland, 2025 (koloriert).

    • #3 Joseph Kuhn
      10. März 2025

      @ Oliver Gabath:

      Vielleicht geht es den Grünen wirklich darum, dass sie nicht für zusätzliche Schulden zur Erhöhung der Pendlerpauschale, die erneute Steuerbegünstigung des Agrardiesels usw. stimmen wollen, wenn die klimafreundliche Infrastruktur zu kurz kommt.

      Die Kehrtwende der Union beim Schuldenmachen ist schwerer zu begründen. Dass Trump und Vance so rüde mit Selenskyj umgesprungen sind, kann bei der Union ja nicht wirklich die geistig-moralische Wende ausgelöst haben, der Handlungsbedarf war vorher genauso da.

      Ich bin nicht sicher, was da gerade passiert. Zum Haareraufen ist es auf jeden Fall. Auch, wenn Ökonomen wie Moritz Schularick jetzt zu Militärplanern mutieren und genau zu wissen vorgeben, was an Rüstung nötig ist.

  3. #4 RPGNo1
    10. März 2025

    Oliver Gabath

    Eine Hoffnung habe ich noch: Die beiden Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion haben empfohlen nicht zuzustimmen. Jetzt kommt es darauf an, ob die übrigen Abgeordneten genauso denken.

    Co-Parteichef Felix Banaszak klingt auch noch gesprächsbereit.

    Es dürfe nicht das Kalkül von Union und SPD sein, »dass die Grünen am Ende mit Blick auf die Bedrohungslage durch Wladimir Putin im Kreml und ehrlicherweise durch Donald Trump im Weißen Haus sowieso zustimmen müssen«, sagte derweil Co-Parteichef Felix Banaszak. Die Koalitionsbildung hänge davon ab, dass man in den nächsten Tagen einen gemeinsamen Weg finde. Das Ziel seiner Partei sei »eine gemeinsame Einigung«, so Banaszak, man wolle sich jedoch nicht erpressen lassen.

    Aber grundsätzlich stimme ich deiner Einschätzung zu.

  4. #5 Joseph Kuhn
    10. März 2025

    Plötzliche Einsichten, Eilbedürftigkeit und Investitionen

    Die Begründung des Gesetzentwurfs zur Grundgesetzänderung für die Verteidigungsausgaben fängt so an:

    “Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert nunmehr bereits über drei Jahre und hat die Sicherheitslage in Europa dramatisch verändert.”

    Demnach hätte die Lockerung der Schuldenbremse für die Bundeswehr schon vor Monaten kommen müssen.

    Im Grund gilt das Gleiche für das Sondervermögen Infrastruktur, da beginnt die Begründung des Gesetzentwurfs so:

    “Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit inzwischen zwei Jahren in einer Stagnation, was vor allem strukturelle Ursachen hat.”

    Eine förmliche Evaluation will man nicht:

    “Eine Evaluation der Regelung ist nicht notwendig, da die Normen einer einfachgesetzlichen Umsetzung bedürfen beziehungsweise Regelungen auf Verfassungsebene treffen, die einer formalisierten Evaluation nicht zugänglich sind.”

    Die Krankenhaus-Investitionen werden auch im Begründungsabschnitt des Gesetzentwurfs in einer nicht abschließenden Liste erwähnt:

    “Dies umfasst insbesondere die folgenden Bereiche: Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung.”

    Alles Weitere, auch eventuelle Investitionen in die Public Health-Infrastruktur, müsste dann in Folgegesetzen geregelt werden.

  5. #6 Oliver Gabath
    10. März 2025

    Vielleicht geht es den Grünen wirklich darum, dass sie nicht für zusätzliche Schulden zur Erhöhung der Pendlerpauschale, die erneute Steuerbegünstigung des Agrardiesels usw. stimmen wollen, wenn die klimafreundliche Infrastruktur zu kurz kommt.

    Möglich, aber damit vermischt man verschiedene Kosten, die sich aus verschiedenen Töpfen speisen. Kann man machen, heißt aber im Zweifel, dass Erhöhung der Pendlerpauschale und Agrardiesel-Rückvergütung kommen, ohne, dass es ein Sondervermögen für Infrastruktur gibt.

    Die Kehrtwende der Union beim Schuldenmachen ist schwerer zu begründen.

    Unwichtig. Wir sind ja nicht erst seit gestern im postfaktischen Zeitalter.

    Die Begründung des Gesetzentwurfs zur Grundgesetzänderung für die Verteidigungsausgaben fängt so an…Demnach hätte die Lockerung der Schuldenbremse für die Bundeswehr schon vor Monaten kommen müssen

    So gesehen vor Jahren schon. Aber das wäre weder mit dem SPD-Flügel um Mützenich, noch mit einer FDP, die glaubt, man könne sich aus einem externen Schock heraussparen, machbar gewesen.

    Gleiches gilt für Infrastruktur. Wenn der Schwäbischen Hausfrau(TM) Ihr Dach leckt, geht sie auch zur Bank, weil sie’s nicht aus dem Haushaltsgeld bezahlen kann. Aber das war zugegebenermaßen seit Einführung der Schuldenbremse gesamtgesellschaftlich nicht gewollt, das kann man keiner Partei so richtig vorwerfen.

    Immerhin würde

    Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit inzwischen zwei Jahren in einer Stagnation, was vor allem strukturelle Ursachen hat.

    schon fast selbstkritisch klingen, käme es aus dem Sondierungsergebnis und nicht aus dem Jahreswirtschaftsbericht 2025 der Bundesregierung. Aber immerhin erinnern sich bei der SPD wohl doch noch welche daran, wer in den letzten 30 Jahren so typischerweise in der Regierung saß. “Mistakes were made (but not by me)” ist zwar nur der erste Schritt, aber wenigstens ein Anfang.

    Alles Weitere, auch eventuelle Investitionen in die Public Health-Infrastruktur, müsste dann in Folgegesetzen geregelt werden

    Im Einzelnen kennst Du Dich da besser aus, aber ich glaube, das muss man von allem sagen, was in dem Sondierungsergebnis steht. Mehr kann man auf 11 Seiten auch nicht darstellen.

    Nebenbei: Findet Ihr das Layout auch so… verbesserungswürdig? Kein Kopf, kein Fuß, kein Inhaltsverzeichnis, von weiterführenden Links ganz zu schweigen, kein Teilnehmerkreis, kein Freigabevermerk – macht auf mich keinen guten Eindruck.

    • #7 Joseph Kuhn
      10. März 2025

      @ Oliver Gabath:

      “Im Einzelnen kennst Du Dich da besser aus”

      Was Sondierungsgespräche vor Koalitionsverhandlungen angeht, bin ich auch nur Zeitungsleser.

      “Mehr kann man auf 11 Seiten auch nicht darstellen.”

      Dem ist im Grunde so. Etwas mehr Details sind dann im Koalitionsvertrag zu erwarten. Wobei es schon erstaunlich ist, wenn im Sondierungspapier mit den wirklich wichtigen und ganz dringenden Dingen, die die Grundgesetzänderungen begründen sollen, solche Sachen stehen:

      “Um Gastronomie und Verbraucher zu entlasten, werden wir die Umsatzsteuer für Speisen dauerhaft auf sieben Prozent reduzieren.”

      “Wir werden die Agrardiesel-Rückvergütung vollständig wieder einführen.”

      “Zudem werden wir die Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsbeauftragten signifikant reduzieren.”

      “Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei.”

      “Wir vollenden die Mütterrente mit drei Rentenpunkten für alle”

      Das Papier wirkt schon etwas durchwachsen, was die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Vorhaben angeht. Das mit den 7 % für Speisen in der Gastronomie ist allerdings wirklich wichtig. Der Schweinebraten ist eindeutig zu teuer.

  6. #8 hto
    10. März 2025

    @Kuhn: “Das Papier wirkt schon etwas durchwachsen”

    Ist doch kein Wunder, schließlich ist die Bauernpartei wieder am Drücker!?

  7. #9 RPGNo1
    11. März 2025

    Grüne Identitätskrise
    Die Grünen haben sich am Montag Mühe gegeben, ihr Nein zu den schwarz-roten Schuldenplänen sachlich zu begründen. Sie kritisierten, dass die Schuldenbremse nur halbherzig reformiert werden solle und das geplante Sondervermögen für Infrastruktur in Wahrheit eine »Schatzkiste« sei, aus der Union und SPD ihre treuesten Wählergruppen beschenken wollten. Da ist was dran.

    Aber es waren nicht so sehr die vorgebrachten Argumente, die den Auftritt der grünen Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge sowie der Parteichefs Franziska Brantner und Felix Banaszak besonders machten. Es war die Emotionalität.

    Da schwang zum einen verletzter Stolz mit. Die Grünen leiden daran, dass sie im Wahlkampf fürs große Schuldenmachen warben und unter anderem dafür abgestraft wurden. Sie verkraften es kaum, dass der künftige Kanzler Friedrich Merz plötzlich umsetzen will, was sie doch eigentlich forderten. Und es trifft sie, dass Merz, obwohl er die Grünen braucht, sich nicht groß um sie bemüht, sondern davon ausgeht, dass sie im Bundestag schon zustimmen werden.

    Zum anderen vermittelte der Auftritt des Quartetts Verunsicherung. Was Haßelmann, Dröge, Brantner und Banaszak fordern, ist mitunter widersprüchlich. Die Grünen setzen sich wie kaum eine andere Partei für die Aufrüstung der Bundeswehr ein. Zugleich werben sie dafür, die Lockerung der Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben dem nächsten Bundestag zu überlassen, unter Einbeziehung der Linkspartei, von der sie doch wissen, dass sie keine großen Sympathien für mehr Panzer, Drohnen und Fregatten hegt. Das passt nicht zusammen.

    Das Lavieren der Grünen offenbart, wie schwer ihnen der Abschied von der Macht fällt. Sie wissen offenbar nicht, welche Art von Opposition sie betreiben wollen: staatspolitisch-konstruktiv oder fundamental-kritisch?

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-gruene-cdu-csu-spd-boris-pistorius-wolodymyr-selenskyj-ukraine-donald-trump-a-48ab3a59-a5a4-41ce-8162-6cd927837c6f

  8. #10 Oliver Gabath
    11. März 2025

    Da schwang zum einen verletzter Stolz mit. Die Grünen leiden daran, dass sie im Wahlkampf fürs große Schuldenmachen warben und unter anderem dafür abgestraft wurden. Sie verkraften es kaum, dass der künftige Kanzler Friedrich Merz plötzlich umsetzen will, was sie doch eigentlich forderten.

    Das dürfte ins schwarze (no pun intended) treffen. Verständlich ist das schon, aber nicht gerade souverän. Man hätte auch aus der Situation eine Tugend machen und die CDU dafür loben können, grüne Politik mit schwarzem Anstrich zu machen. Man hätte sich als Partei der Kontinuität darstellen können, für die die Sachebene entscheidend ist. Inhaltliche Konflikte wird’s noch reichlich geben.

    Das Lavieren der Grünen offenbart, wie schwer ihnen der Abschied von der Macht fällt. Sie wissen offenbar nicht, welche Art von Opposition sie betreiben wollen: staatspolitisch-konstruktiv oder fundamental-kritisch?

    Ist die Frage nicht entschieden? Die neue Regierung ist noch nicht in Amt und Würden, der Burgfrieden zwischen SPD und Union schmeckt ihnen nicht, also opponieren sie um des Opponierens Willen. Ich bin allerdings gespannt, ob auf Antipathie gegen C. Montgomery Merz zu setzen bei der Wählerschaft fruchtet.

  9. #11 Staphylococcus rex
    11. März 2025

    Man muss aber auch dagegenhalten, dass sich Söder beim politischen Aschermittwoch die größte Mühe gegeben hat, den Grünen eine Zustimmung möglichst schwer zu machen. Dies ging sogar so weit, dass ihm von seinen eigenen Leuten ein “Beleidigungsfasten” empfohlen wurde.

    Das ist einfach eine Frage des Handwerks und der politischen Kultur, wer Mehrheiten braucht, muss sie den Betroffenen irgendwie schmackhaft machen. Merz muss ein Stück weit auf die Grünen zugehen, damit sie eine Zustimmung trotz ihres Status als Oppositionspartei vor ihrem Gewissen und ihren Wählern rechtfertigen können.

    Einen Aspekt vermisse ich beim Thema Sondervermögen völlig, und das ist die zukünftige Refinanzierung. Sondervermögen sind Sonderschulden, die notwendig sind, weil die Aufgaben aus dem regulären Haushalt nicht gestemmt werden können. Das bedeutet aber auch, die Refinanzierung ist aus regulären Steuereinnahmen nicht möglich.

    Bei den Summen, über die gerade geredet wird, wenn ich die vielleicht noch ein paar Jahre hochrechne, komme ich auf ca. 10 000€ zusätzliche Staatsverschuldung pro Bundesbürger. Woher soll das Geld kommen, ohne die junge Generation oder die Leistungsträger der Gesellschaft auszubluten? Ein Sondervermögen ist in meiner Wahrnehmung gleichbedeutend mit einem zukünftigen Lastenausgleich. Es muss in diesem Fall nicht der große Lastenausgleich als einmalige Vermögensabgabe nach dem zweiten Weltkrieg sein. Bei den aktuellen Summen reicht ein “kleiner” Lastenausgleich, dabei gibt es unterschiedliche Stellschrauben wie Spitzensteuersatz für sehr hohe Einkommen, Vermögenssteuer, einmalige Vermögensabgaben oder Erbschaftssteuer.

    In jedem Fall ist ein Lastenausgleich eine Enteignung bestimmter Bevölkerungsschichten. Und da ist die Frage nach sinnvoller Verwendung dieser Gelder durchaus angebracht.

    • #12 Joseph Kuhn
      11. März 2025

      @ Staphylococcus rex:

      “Man muss aber auch dagegenhalten, dass sich Söder beim politischen Aschermittwoch die größte Mühe gegeben hat, den Grünen eine Zustimmung möglichst schwer zu machen.”

      Was ihn da geritten hat, fragen sich viele. Söder ist meist strategisch unterwegs, ob er also nur seiner Lust am Grünen-Bashing nachgegeben hat?

      “Beleidigungsfasten”

      Eine schöne Empfehlung. Bin gespannt, ob das morgen beim Nockherberg in der Rede von Maximilian Schafroth auch kommt.

  10. #13 Oliver Gabath
    11. März 2025

    Die Sondervermögen werden wie alle Staatsverschuldung langfristig getilgt und damit die Belastung auf viele Jahre verteilt. Deutschlands Staatsschuldenquote liegt bei 64 % des BIP, 10-jährige Bundesanleihen bei 2,9 % p.a. Da ist viel Luft für Investitionen, ohne, dass die jährliche Belastung für die Bevölkerung gewaltig steigt. Dass wir ein generelles Problem mit der Finanzierung des Staates haben ist sicher richtig. Immerhin sind zurzeit ca. 30 % unserer Bundessteuern de facto Rentenbeiträge. Tendenz steigend.

    Ich stelle die Frage, was wir davon hatten, dass im letzten Jahrzehnt von Seiten des Staats weit weniger als bei unseren Nachbarn in die Infrastruktur investiert wurde, obwohl die Zinsen noch niedriger und teilweise negativ waren. Wir sind auf Verschleiß gefahren und das fällt uns jetzt auf die Füße.

    Die Frage nach sinnvoller Verwendung klänge voller, wenn nicht im eigenen Wahlprogramm die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung, Bildung und Infrastruktur versprochen würde. Mit genauso viel oder wenig Nebenbemerkungen wie im Sondierungspapier zwischen SPD und Union.

    Die Grünen opponieren hier nicht, weil sie anderer Meinung sind als die CDU, sondern um des Opponierens Willen. Kann man machen. Aber auch das muss man vor dem eigenen Gewissen und den Wählern verantworten.

    • #14 Joseph Kuhn
      11. März 2025

      @ Oliver Gabath:

      “Die Grünen opponieren hier nicht, weil sie anderer Meinung sind als die CDU, sondern um des Opponierens Willen.”

      Ob man das so pauschal sagen kann? Ich glaube, beim Klimaschutz meinen sie es wirklich ernst. Mit mehr Berechtigung kann man nach der Merz-Volte sagen, die Union war vorher nur um des Opponierens willen gegen die Lockerung der Schuldenbremse. Neu ist der Investitionsstau nach den Merkel-Jahren ja nun nicht, ebenso wenig wie die veränderte Weltlage mit Trump und Putin.

      Wie dem auch sei, das Ganze ist ein Fiasko der politischen Glaubwürdigkeit, die AfD wird es freuen. Falls sich die Parteien einigen, bleibt zu hoffen, dass es nicht auch noch ein ökonomisches Fiasko wird, weil das Geld in der Klientelpolitik verpulvert wird. Hinter all den großen Zahlen stehen ja keine durchgerechneten Bedarfe. Ob man nun 500 Mrd. für die Infrastruktur reserviert oder 480 Mrd. oder 550 Mrd. – man wird weder die eine noch die andere Zahl besser begründen können. Aber so geht es eben zu, wenn große Summen zur Disposition stehen.

  11. #15 Staphylococcus rex
    11. März 2025

    @ Oliver Gabath, Staatsschulden sind ein schleichend wirkendes Gift. Nehmen wir als Gedankenexperiment ein Sondervermögen von 800 Milliarden Euro (das sind ca. 10 000€ pro Kopf), dann sind dies bei 2,9% jährlich 23,2 Milliarden Euro für den Schuldendienst ohne einen einzigen Cent für Tilgung. Wie viele Investitionen und Herzensprojekte kann man mit 23,2 Milliarden Euro verwirklichen (z.B. im Bereich öffentlicher Gesundheitsdienst und public health)?

    Eine kurzfristige Aufnahme von neuen Schulden ist legitim. Langfristig machen diese Schulden eine demokratisch gewählte Regierung handlungsunfähig. Eine Reform der Schuldenbremse sollte deshalb unbedingt das Konzept des Lastenausgleichs beinhalten, wenn der Schuldendienst eine kritische Größe überschreitet. Alles Andere wäre Verrat an der nächsten Generation.

    Ein Lastenausgleich ist ein direkter Angriff auf die Vermögen der wohlhabenden Bevölkerung und birgt erheblichen politischen Sprengstoff. Trotzdem ist dieses Konzept für eine langfristige Sicherung der Demokratie im Sinne eines “New Deal” aus meiner persönlichen Sicht unverzichtbar.

  12. #17 Oliver Gabath
    11. März 2025

    @#14 (Staphylococcus rex):
    Kommt drauf an, was die Wirtschaft macht. Real muss sie nicht mal wachsen – reale Stagnation reicht und das kriegt man langfristig immer hin.. 3 % Wachstum bei 3 % Inflation und das Ganze ist ein Geschäft. Insbesondere, wenn das Geld im eigenen Land bleibt. Deswegen funktioniert Japan mit 260 % Schuldenquote immer noch, trotz noch düsterer Demographie als Deutschland.

  13. #18 naja
    11. März 2025

    Ich weiss nicht, ob ich nicht auch einfach beleidigt bin, weil ich es wie die Grünen sehr zu schätzen gewusst hätte, wenn Merz und die CDU/CSU sich nicht vor den Wahlen extra dumm gestellt hätten, um jetzt eine Kehrtwende hinzulegen.

    Im übrigen gibt es ein ähnliches Problem in den USA, wo die Democrats sich noch an gewisse Spielregeln und ungeschriebene Gesetze halten, die die Republicans einfach komplett ignorieren. Die haben zum Beispiel Obama die Nominierung des vakanten Richteramts im Supreme Court blockiert. Von März 2016 bis im Januar 2017 dann Trump dran war.

    Wenn die Ampel über die Schuldenbremse fällt und dann vor der nächsten GroKo eine Reform der Schuldenbremse durchgewunken werden soll, hat das Ähnlichkeiten mit dem oben beschriebenen.

    Ich verstehe, dass die Grünen nicht Steigbügelhalter für die “Gro”Ko sein wollen. Wenn die CDU/CSU sich eine überparteilich kooperative Politik der “Parteien des demokratischen Spektrums” wünschen, weil sie absehbar darauf angewiesen waren und sind, würde ich ihnen raten, sich dementsprechend zu verhalten.

    Ich bin absolut nicht für die Schuldenbremse, aber man kann von den Grünen nicht verlangen sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Da muss auch Klima- und Umweltpolitik dazu, dann würden die auch zustimmen, denke ich.

  14. #19 RGS
    11. März 2025

    Ich dachte es geht um die Reform der Schuldenbremse durch Verfassungsänderung? Scheinbar geht es darum nicht.

  15. #20 naja
    11. März 2025

    @ RGS
    Doch. Es geht aber u.a. auch darum, dies durchzuführen, obwohl bereits ein neuer Bundestag gewählt wurde. Logischer wäre es gewesen, das vor den Neuwahlen zu machen. Aber dann hätte die CDU der Resteampel den “Erfolg” gönnen müssen. Zumindest sehe ich das so.

  16. #21 hto
    11. März 2025

    “AND NOW FOR SOMETHING COMPLETLY DIFFERENT” – Wieviele Milliarden wird die Reform der Grundsteuer in das Staatssäckel spülen?

    “UND WILLST DU ÜBERN RASEN LAUFEN, MUSSTE DIR EIN GRUNDSTÜCK KAUFEN” 😉
    Ein guter/vernünftiger Kompromiss fürs ökonomisch-ökologische Public Health, der viele Häuslebauer nun ins Grübeln und auch verstärkt ins selbige bringen kann???

  17. #22 RGS
    11. März 2025

    Ich bin der Meinung, dass die Schuldenbremse so reformiert gehört, dass sie möglichst nicht alle paar Jahre wieder angepasst werden muss.
    Der jetzige Vorschlag scheint mir zu kurzfristig angelegt.

  18. #23 hto
    wo das "gesunde" Konkurrenzdenken ...
    12. März 2025

    @Gabath: “… also opponieren sie um des Opponierens Willen.”

    Wer weiß denn schon, ob rot-grün nicht immernoch gemeinsam im Beleidigungsfasten die Ränkespiele fortsetzen!? 😉

  19. #24 Staphylococcus rex
    13. März 2025

    @ Oliver Gabath #17, die Bemerkung zur Wirtschaft ist absolut richtig. Entscheidend ist nicht nur die Höhe der Staatsverschuldung, sondern die Höhe des Schuldendienstes am BIP. Schulden in Höhe von 64% BIP mal 2,9% Zinsen machen 1,856% BIP für den Schuldendienst. Aktuell ist es weniger, da alte Schulden teilweise zu niedrigeren Prozenten verzinst werden.

    Als warnendes Beispiel kann man Griechenland nennen, zwischenzeitlich lagen die Staatsschulden bei 177% BIP; die genaue Höhe der jährlichen Verbindlichkeiten ist in dem Wikipedia-Artikel nicht so einfach zu finden, wenn wir aber in einer Modellrechnung 177% BIP zu 8% verzinsen, dann sind wir bei einem Schuldendienst von ca. 14% BIP, auf dem Höhepunkt der Krise kosteten langfristige Anleihen bis 40% p.a., die Modellrechnung spare ich mir hier.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Staatsschuldenkrise

    Was ich damit sagen möchte, 2% BIP für den Schuldendienst kann eine gesunde Wirtschaft tragen, 15% führen zu einer Destabilisierung des Staates. Wenn ich bei der Bank einen Kredit beantrage, muss ich Sicherheiten bieten. Dies sollte auch für Staaten gelten. Wenn der Schuldendienst einen kritischen Wert überschreitet, sollten automatisch “Grausamkeiten” aus dem Bereich Vermögenssteuer oder Vermögensabgaben aktiviert werden. Dies steht im Widerspruch zum Gewohnheitsrecht des Kapitalismus “Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren”, bei einer derartigen Reform der Schuldenbremse wäre es genau umgekehrt, die Gewinne (aus dem “Sondervermögen”) würden sozialisiert und die Verluste würden zu Lasten der reichsten Bürger privatisiert. Ich bezweifle, dass sich die CDU mit einer derartigen Reform der Schuldenbremse anfreunden könnte.

    Der Hinweis, dass “ca. 30% unserer Bundessteuern de facto Rentenbeiträge” sind, ist eine andere Baustelle. Damit die demografische Komponente den Haushalt nicht sprengt, muss dafür eine andere Finanzierung her. Die sauberste Lösung wäre ein Aufschlag auf die Erbschaftssteuer, der zweckgebunden für die demografische Komponente bei Bundeszuschüssen verwendet wird. Die nächste Generation hat ein Anrecht auf faire Startbedingungen, sie hat kein grundlegendes Menschenrecht sich auf dem Erbe der Vorgängergeneration auszuruhen.

  20. #25 Staphylococcus rex
    13. März 2025

    PS: Der Hintergedanke einer derartigen Reform der Schuldenbremse besteht darin, dass es zu einer Rückkopplung bei der Ausgabendisziplin kommt. Eine Vermögenssteuer, damit nicht plötzlich russische Panzer im Vorgarten stehen oder dafür, dass die Autobahnbrücke hält, wenn ich gerade darüber fahre, ist akzeptabel. Eine Vermögenssteuer wegen eines Geschenks an den Kneipenwirt dürfte und sollte für Bauchschmerzen sorgen.

  21. #26 RPGNo1
    14. März 2025

    Joschka Fischer äußert sich zu den aktuellen Verhandlungen um das Sondervermögen.

    Mit Blick auf die Verhandlungen über das Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur zwischen CDU, CSU, SPD und Grünen sagte Fischer, es müsse eine Einigung geben. »Ganz Europa hofft jetzt auf den Aufbruch, auf dieses Finanzpaket.« Über die Union sagte er: »Wie die Grünen behandelt haben, es war schlimmer als unfähig, es war eine Idiotie. Du kannst Leute nicht mit den Füßen treten und mit der Faust traktieren rhetorisch, wenn Du gleichzeitig was von ihnen willst.« Er fügte hinzu: »Aber es muss klappen, verdammt noch mal, es geht um verflucht viel.«

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/joschka-fischer-glaubt-dass-donald-trump-scheitert-a-fec43d8c-571e-48f2-b447-20ee79ce6776

  22. #27 RPGNo1
    14. März 2025

    Es ist geschafft. CDU/CSU, SPD und Grüne haben sich geeinigt.

    Lange haben sie gestritten, nun gibt es eine Einigung: Union, SPD und Grüne haben sich auf ein milliardenschweres Finanzpaket verständigt, darunter 100 Milliarden für das Klima.

    https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/bundestagswahl-koalition-finanzpaket-sondervermoegen-merz-gruene-100.html

  23. #28 hto
    14. März 2025

    @RPGNo1

    “… darunter 100 Milliarden für das Klima.”

    Es können aber auch nur 10 Euro sein, wenn die Formulierung, wie von Merz gestern in der Debatte so gönnerhaft zitiert: “… bis zu 50 Milliarden”, aufs hohle/banale Papier gebracht nur so lautet. 😉