Napfschnecken der Art Patella vulgata haben Zähnchen, die das stärkste Material im Tierreich sind – das haben Wissenschaftler der Universität Portsmouth gerade nachgewiesen.
Damit löst der Schneckenzahn die Spinnenseide als stärkstes biologisches Material ab.
Die Schnecken tragen ihre Zähne übrigens auf der Zunge.
Patella vulgata ist die Gemeine Napfschnecke, sie lebt an den westeuropäischen Küsten. Die nachtaktive Schnecke raspelt Algenrasen ab und hat einen festen Weidegrund, den sie sogar gegen andere Patellen verteidigt.
Diese eher unscheinbaren Meeres-Weichtiere sind tough und mögen es hart: sie saugen sich auf festen Untergründen fest, gern auch in Brandungszonen. Selbst die stärkste Welle spült sie nicht vom Fels: Ihr Fuß hat eine ungeheurer Saugkraft. Richtig festgesaugt, schließt die napfförmige Schale die Schnecke nach außen ab und bildet einen extrem guten Schutz gegen Austrocknung oder Gefressenwerden. Die Tiere sind dann nur mit Gewalt von ihrem Untergrund zu lösen.
Übrigens: In der mediterranen Küche sind sie beliebt, z. B. als „Lapas“ (Rezept s. u.).
Schnecken haben in der Mundöffnung eine Raspelzunge, die Radula. Sie ist ein chitiniges Band und – je nach Art – mit bis zu 200 horizontalen Reihen mit jeweils 2 bis 6 Zähnchen besetzt. Die Radula sitzt in der Radulatasche, die Drüsen enthält und wächst ständig nach. Die Drüsensekrete bestehen u. a. aus chitinähnlichen Glykoproteinen; Odontoblasten bilden neue Zähne. Jedes Beißerchen besteht aus einer Basalplatte, einem Mittelteil und einer Spitze – letztere wird mit Mineralsalzen besonders gehärtet.
Angeblich ist das Abschaben der Algen durch die eiserne Zunge mit einem Stethoskop oder sogar mit dem bloßen Ohr sogar zu hören.
Die geniale Nanostruktur der Napfschneckenraspel
Der Superzahn aus dem Tierreich ist ein Kompositmaterial mit Nanostrukturen: In die weiche Proteinmatrix werden harte Goethit-Nanofasern eingelagert. Dieser Verband führt zu einer gemessenen Festigkeit von 3 bis 6.5 GPa (GigaPascal).
Noch ein Clou: Die Bruchfestigkeit des Materials ist unabhängig von der Größe der Struktur. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise nimmt die Bruchfestigkeit mit der Größe ab.
Das könnte daran liegen, dass die Konstruktion der Napfschnecken-Zähne primär aus mineralischen Nanofasern besteht, die zwar viele Mikrometer lang sind, aber einen Durchmesser von nur wenigen 10 Nanometern haben.
Dieser geringe Durchmesser macht die Komposit-Nanostruktur im Molluskenmund offenbar unanfällig gegen Schwachstellen im Material. Diese Stabilität ist ein großer Vorteil gegenüber industriell hergestellten Strukturen, wie Gao et al in ihrer Veröffentlichung “Materials become insensitive to flaws at nanoscale: Lessons from nature” beschrieben hatten (s. u.).
Wie kommt das Goethit in die Schneckenzunge?
Goethit – Nadeleisenerz oder Brauner Glaskopf – hat einen Eisen-Gehalt von bis zu 62 % und eine Härte von 5 bis 5,5 Mohs. Das Mineral ist im Normalzustand antiferromagnetisch. Übrigens: Es gibt auch magnetische Mollusken: Käferschnecken bauen Magnetit in ihre Zunge ein. Goethit bildet sich durch Oxidation in terrestrischen Eisenerzlagerstätten oder auch in ozeanischen Hydrothermal-Systemen.
Die Schnecke nimmt das Eisenerz wahrscheinlich mit ihrer Algen-Nahrung auf oder schluckt eisenhaltiges Sediment. Dann werden die Goethit-Partikel in die Radula-Bezahnung eingebaut.
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