
Schokolade (Wikipedia)
Die Dokumentation “Schlank durch Schokolade – Eine Wissenschaftslüge geht um die Welt” auf ARTE vom 05. Juni hat Wellen geschlagen. Da Schoko-Forschung ein Thema ist, das ich immer wieder gern aufgreifen, muss ich hier natürlich noch meinen Kakao dazugeben.
Dieser kleine Beitrag ist nur eine winzige Einführung und Zusammenfassung zu der aktuellen Diskussion um Schokolade als Schlankheitsmittel und um die Glaubwürdigkeit von Medien und Wissenschaft. Die Kolleginnen und Kollegen haben dazu viele gute Beiträge geschrieben.
Im Anschluß gehe ich noch auf mein Lieblings-Schoko-Forschungsthema ein: Die Frage, ob Schokolade schlau macht
Zur Kritik an der neuesten Studie, auf die sich auch die ARTE-Doku bezieht:
Fettlogik überwinden: “Schokolade macht schlank”
SciLogs: Vom Hai gebissen: “Studien als willfährige Belege für alles und nichts”
SciLogs: fischblog: “Schlank durch Schokolade – ein Blick auf die Arte-Doku zur Fake-Studie”
Auch die Skeptiker geben sich skeptisch:
Skep-Blog: “Schokolade macht nicht schlank – wer hätte das gedacht?”
“Schoko”-Forschung – nur die Sumpfdeckelschnecke arbeitet wissenschaftlich korrekt
Schokolade besteht im Wesentlichen aus Fett, Zucker und Kakao.
Die Ingredienzien Fett und Zucker sind ein klarer Hinweis, dass Schokolade eine hohe Konzentration von Kalorien enthält und man sie (meistens) sorgfältig dosieren sollte.
Die meisten Schoko-Forschungsprojekte beschäftigen sich allerdings mit einer ganz anderen Frage: Nämlich, ob Schokolade schlau macht!
Kakao enthält Flavonoide – sekundäre Pflanzenstoffe, die sich chemisch vom Grundgerüst des Flavan (2-Phenylchroman) ableiten und aus zwei aromatischen Ringen bestehen, die durch einen Tetrahydropyran-Ring verbunden sind. Flavonoide sind Bestandteile einer ganzen Reihe von Nahrungsmitteln, die gern als „Superfood“ bezeichnet werden. So genanntes „Superfood“ wie Schokolode oder grüner Tee soll angeblich besonders gesund sein und die Hirnleistung steigern. Flavonoide können offenbar wirklich das Erinnerungsvermögen steigern. Jedenfalls bei Sumpfdeckelschnecken.
Wissenschaftliche Vorgehensweise untersucht Flavonoide, nicht Schokolade
Um eine Leistungssteigerung durch Flavonoide nachzuweisen, muss nämlich auch genau das untersucht werden.
Das bedeutet, dass die Wirkung einer definierte Dosis der Flavonoide im klinischen Versuch experimentell untersucht werden muss.
Es ist also keinesfalls damit getan, einer zusammengewürfelten Gruppe von Versuchspersonen bzw. -schnecken Kakao oder Schokolade zu geben. Dadaurch könnten nämlich Artefakte entstehen. Z. B., wenn man untersuchen möchte, ob Schokolade die Denkleistung von Senioren zu steigern vermag. Und dann den älteren Herrschaften einfach eine Tasse Kakao täglich kredenzt. Schon die Zufuhr einer zusätzlichen Tasse Wasser könnte bei Senioren zu einer Steigerung der Gedächtnisleistung führen. Viele ältere Menschen nehmen insgesamt zu wenig Flüssigkeit zu sich, was zu einer erheblichen Verschärfung einer Demenz führen kann. Bei Kakao könnten sich also die positiven Auswirkungen der zusätzlichen Flüssigkeit mit den positiven Wirkungen der Flavonoide überlagen.
Dazu steht mehr in den Beiträgen “Neue Sensationsmeldung aus der “Schoko-Forschung”: Kakao macht Seniorenhirne wieder jung!” und “Schokoforschung im Sommerloch (2): Flavonoide gegen neurodegenerative Erkrankungen?“.
Außerdem habe ich grundsätzlich Probleme mit Schoko-Studien, die von Schoko-Produzenten finanziert werden. Darüber schwebt immer das Gespenst der Befangenheit und grinst mich mit schokoladenverschmierter Mundöffnung an.
Die einzige, wissenschaftlich überzeugende Studie stammt von einem Biologen, der Sumpfdeckelschnecken mit Flavonoiden gefüttert hat. Den Artikel “Schokolade macht Schnecken schlauer” erschien erstmals im September 2012 auf “meertext”. Ich lade ihn hier nochmals hoch, denn die Schoko-Schnecken-Studie ist einfach eine gute Story.
Die wichtigsten Schoko-Schlussfolgerungen sind für mich (mal wieder):
1. Firmen, die mir Genußmittel wie Süßigkeiten, Alkohol, Tabak und ähnliches verkaufen möchten, haben NICHT meine Gesundheit im Sinn. NIEMALS. Sondern ihrer Gewinn. Und bei “Superfood” geht es um SEHR VIEL Geld!
2. Wer ernsthaft glaubt, dass man durch das Essen von Schokolade, die große Anteile an Fett und meist auch Zucker beinhaltet, schlank wird, sollte vielleicht an seiner Allgemeinbildung arbeiten. Und einen Kurs in kritischer Selbstbehauptung buchen.
3. Wissenschaftler, die für solche Studien ihren Namen verkaufen, verstoßen gegen die Ethik der Wissenschaft.
Diese Wissenschaftler schaden dem Ansehen der Wissenschaft in der Öffentlichkeit und ihrer Glaubwürdigkeit nachhaltig. Das trifft ganz besonders auf Mediziner zu, die eine große Verantwortung gegenüber ihren (potentiellen) Patienten tragen.
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