Zu anderen Zeiten gab es etwas mehr Auswahl. Hier ist Diego Urbina bei einer Mars-Pizza-Simulation zu sehen:

Meertext: „Womit waren Ihre Tage ausgefüllt?“
Jeder der 520 Tage bestand aus drei 8-Stunden-Schichten. In dieser Zeit ging es um die wissenschaftlichen Projekte, täglichen Sport und viele medizinische Experimente und Untersuchungen durch Ärzte und Physiologen.

Meertext: „Und was hat sie an dem simulierten Marsflug am meisten beeindruckt?“
D. U.: „Als das Experiment zu Ende war… Auf einmal waren wir wieder unter vielen Menschen. Schlagartig waren wieder so viele Eindrücke da.“ Aus dem Mars-Habitat mit seinen reduzierten Reizen und der festen Crew wieder zurück an die frische Luft, in eine Welt voller Farben, das frische Grün der Pflanzen, die vielstimmige Geräuschkulisse der Außenwelt. Und ein Gewimmel von Menschen.
Ganz bestimmt ein extrem nachhaltiger Eindruck. Als er mir das erzählt, wirkt er sehr nachdenklich.
An einem Flug zum Mars ist er auf jeden Fall interessiert.
Aber nur mit Rückfahrschein.

Wie realitätsnah sind Programme wie „Mars 500“?

Das Projekt ist von verschiedenen Seiten kritisiert worden, weil es keine realistische Simulation eines Marsflugs sei. Das ist sicherlich richtig. Aber in Mars500 sind verschiedene Aspekte eines solchen langen Raumfluges untersucht worden, die ganz bestimmt wertvolle Hinweise für die Planung eines echten Mars-Fluges geben.
Die Marsonauten haben viele der Trainingseinheiten absolviert, wie Astronauten sie als Vorbereitung für Weltraumaufenthalte in und außerhalb der ISS durchlaufen. In beiden Fällen kann vieles auf der Erde nur als Annäherung geschehen. Aber ich habe noch im Ohr, dass der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst sagte, jede Stunde Unterwasser-Training im NASA-„Astronautenpool“ habe sich für ihn bei seinem Außeneinsatz im All ausgezahlt. Außerdem ist eine der Erfahrungen aus vielen ISS-Aufenthalten das körperliche Fitness-Training, das den Astronauten ihre körperliche Leistungsfähigkeit erhält. Das wird für die Marsonauten, die ja noch vie, länger unterwegs sein werden, noch viel überlebenswichtiger.
Ich kann mir keine Möglichkeit vorstellen, auf der Erde oder im Erdorbit zu trainieren, wie es sich psychisch anfühlt, auf dem Flug zum Mars zu sein.
Insofern muss man sich mit den bestmöglichen Näherungen bestmöglich annähern.
Und bis es soweit ist, Menschen zum Mars zu schicken, werden sicherlich noch einige weitere Simulationen stattfinden und Step for Step weitere wertvolle Erkenntnisse erbringen. Die den echten  Marsonauten dann in irgendeiner Weise weiterhelfen werden.

Diesen Standpunkt vertritt auch Diego Urbino –  hier im Interview mit Astrowatch:
Astrowatch.net: Should we conduct more Mars500-like studies to better prepare us to deep space exploration?
Urbina: “We could, but at some point we should use the lessons learned and do the real thing. There is only so much you can learn from repeating similar tests.

Essen! Ist! Essentiell!

Die Fokussierung auf Mahlzeiten, von der Diego Urbina erzählte, hat mich nicht verwundert.
Manche Berichterstatter über das Mars500-Projekt sprachen davon, dass das Essen bei einem Marsflug garantiert eine geringere Bedeutung haben würde, als die Crew-Mitglieder es im Experiment empfunden haben.
Das denke ich nicht.
Diese besondere Bedeutung des Essens habe ich auf verschiedenen Schiffsexpeditionen selbst so erlebt: Das Essen ist ein Tageshighlight.
Auf Expeditionen in abgelegene Gebiete ist eine spezifische Menge Nahrung in spezifischer Zusammensetzung in den Laderäumen vorhanden. Und ein erwachsener Mensch hat dann auf einmal nicht mehr die freie Wahl und die Kontrolle über sein Essen, sondern bekommt etwas zugeteilt, manchmal wird die Nahrung sogar rationiert. Nahrung ist auf einmal eine knappe Ressource.

Auf Expeditionen in entlegene Gebiete, im Weltraum, auf See oder in Wüsten, kann man nicht einfach selbst noch mal Lebensmittel, die man gern hätte, dazu kaufen. Sondern ist von dem abhängig, was da ist bzw. was man selbst noch eingepackt hat. Aber Expeditionsgepäck ist beschränkt, darum sind das bestenfalls Kleinigkeiten, wie ein Lieblingstee oder die Lieblingsschokolade.
Alexander Gerst erzählte, dass er bei seinem ISS-Aufenthalt Visionen von frischem Salat hatte. Das kann ich, als obstversessene Vegetarierin, bestens verstehen – frisches Obst und Gemüse sind schnell Mangelware.
Auf meinen Expeditionen durfte ich immerhin so viel essen, wie ich wollte und hatte noch eine gewisse Auswahl. Oft stellt sich in solchen Situationen ein Tauschhandel mit den knappen Ressourcen ein, manche Dinge, die im Supermarkt zu Hause keinen zweiten Blick wert sind, bekommen auf einmal die Bedeutung einer Ersatz-Währung.

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Kommentare (8)

  1. #1 Dampier
    20. März 2016

    Spielkram oder Grundlagenforschung? Das ist oft schwer zu unterscheiden – natürlich auch wegen solcher Blender wie Mars One.

    Dieses blog von Christiane Heinicke gefällt mir auch sehr gut: https://www.scilogs.de/leben-auf-dem-mars/
    Die machen ein ähnliches Experiment auf einem Lavafeld auf Hawaii.

    Die Lebensbedingungen auf dem Mars werden an einem entlegenen Berghang auf Hawaii in der Forschungsstation für Raumerkundung und -simulation (HI-SEAS) simuliert. Für eine NASA-finanzierte Studie verbringen dort sechs Wissenschaftler ein ganzes Jahr zusammen – eine davon ist die Autorin dieses Blogs. Kontakt mit dem Rest der Welt haben sie fast ausschließlich durch Emails, die mit zwanzig Minuten Verzögerung eintreffen.

    Lesenswert – erinnert noch mehr an den Marsianer als das russische Experiment.

    Der Gedanke an eine bestimmte Speise, ein Getränk, einen Geschmack oder eine Konsistenz nimmt auf einmal ungeheure große Bedeutung an. Über Tage, Wochen und Monate hinweg.

    Schön beobachtet. Dass Nahrung unter etwas extremeren Bedingungen gleich einen ganz anderen Stellenwert bekommt, ist auch meine Erfahrung. Wenn man mitten in der Einöde wandert (Patagonien z.B.) und weiß, man hat noch einige Tage vor sich, und hat nur das zu Essen, was man selbst mitschleppt – das ändert schon die Sichtweise. Eine Dose Pfirsiche kann auf einmal wie ein Lebensretter, ein Geschenk Gottes erscheinen und allerhöchste Glücksgefühle auslösen. Und der unerreichbare Nutellapfannkuchen oder das Feinbrot mit Leberwurst kann einen tatsächlich tagelang beschäftigen!

    Dass manche Alltagswahrnehmungen auf Reisen (nicht Urlaub – Reisen!) komplett umgekrempelt werden, fand ich immer mit das stärkste daran. Sowas erweitert tatsächlich das Bewusstsein. Eine Marsreise wäre mir aber wohl doch zu extrem (zumal ohne Rückfahrt).

  2. #2 Bettina Wurche
    20. März 2016

    @Dampier: Danke für die Ergänzungen – da gibt es noch soooo viel mehr. Ich wollte nicht zu viele links einstreuen : )
    Beim Schreiben und Nachrecherchieren habe ich mich dauernd festgelesen und kam auf immer neue extrem spannende Sachen.
    Solche Experimente gibt es noch an verschiedenen Stellen, alle hören sich sehr aufregend an.

    Schön, dass Du auch auf die Bedeutung des Essens eingehst. Dosenpfirsiche in Patagonien – hört sich nach einer spannenden Story an! Astronomie-Reise?
    Da könnte ich noch so einiges aus dem Nähkästchen plaudern. : )

    Ich habe leider vergessen, ihn nach dem Marsianer zu fragen. Aber vielleicht hätte er das auch gar nicht mehr hören können.

  3. #3 Pilot Pirx
    zur zei bad schallerbach
    21. März 2016

    Also, was mich an der Sache interessiert, wie sie wirklich fit im Kopf bleiben. Wir kannten bei den Fla-Raketen die sogenannte Bunkermacke , kurz BuMa.
    Man hatte da manchmal das zweifelhafte Vergnügen,
    längere Zeit relativ abgeschottet im DHS zu leben.
    Mich hat es 90 tage getroffen(Bunker unter der erde) und auch etliche andere. Wir hatten sicher mehr Interaktion mit der Umwelt als die Testpersonen und man konnte ab und an vor die tür.
    Aber…
    um den 45 Tag hat sich mal wer , der sich für sowas interessierte, heimlich unsere Gespräche aufgezeichnet und und sie uns eine Woche nach dem Ende dieser Sache vorgespielt. danach wussten wir, was eine Bunkermacke war.
    Man hat kaum geglaubt, solche Gespräche geführt zu haben. Derart infantil und geistig verflacht.
    Und man hat es nicht gemerkt im bunker. gibt es Material zu solchen Erscheinungen bei Langzeitsimulationen oder langzeitmissionen in der Raumfahrt?

  4. #4 Bettina Wurche
    21. März 2016

    @Pilot Pirx: Ja klar, das sind extrem wichtige Forschungen. Z. B. von der DLR Luft- und Raumfahrtmedizin:
    https://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Riesiges_Forschungsfeld_fuer_Psychologen
    Und zu Mars500 gab es so einiges. Diego hatte auch erzählt, dass sie viele EEGs machen mussten.
    Allerdings lässt sich so ein Bunker-Koller nicht so einfach auf die Raumfahrt übertragen. Die Astronauten haben einfach den ganzen Tag so verplant und dürften körperlich auch ausgepowert ein, dass da schon eine gewisse Erschöpfung sein dürfte. Außerdem haben sie sich die Situation freiwillig und wissentlich ausgesucht und wissen auch, dass es eine seltene Erfahrung ist. Dazu müssen sie ja auch echte Problemlösungen für neuartige Aufgbenstellungen erarbeiten, da kommt nicht so schnell Langeweile auf.
    Unter Mars 500, Psychologie, Raumfahrtpsychologie steht da viel im Netz.
    Dazu kommt die hohe Bedeutung von guter Kommunikation, beim ersten Mars-Experiment soll es ja angeblich wegen sprachlicher Unzulänglichkeiten und kultureller Dämlichkeit zu nicht unerheblichen Komplikationen gekommen sein (auf Wikipedia unter Mars 500).
    Deine Bunker-Erfahrung hört sich übel an, unterirdisch wäre ich wahrscheinlich durchgedreht : )
    Aus Antarktisstationen, wo die Besatzungen im Winter unter dem Eis sitzen, habe ich auch recht Unterschiedliches gehört. Ein Arzt hatte jeden Tag sein Gesicht photographiert und seine psychischen Veränderungen damit dokumentiert. Fand ich krass.

  5. #5 Pilot Pirx
    21. März 2016

    Es war ja nicht mal ein Koller.
    und es lag sicher nicht an mangelnder Beschäftigung.
    Es war eigentlich im Rückblick geistiges verflachen im sozialen Bereich. Unmerklich. Komischerweise hat es sich kaum auf den doch recht komplexen dienst ausgewirkt. so eine Raketenbasis im Diensthabenden System , vor allem die Leitkabine ist nicht sehr fehlertolerant. Leider hab ich der Sache damals wenig Aufmerksamkeit geschenkt. und auf beiläufige Fragen war auch nix rauszufinden. normal waren eben 10 Tage, wir hatten einfach Pech und wirklich interssiert hat es ja auch keinen.
    War halt im Nachhinein lustig. Das große grüne Seepferdchen ist einer meiner Kameraden wohl bis heut nicht losgeworden… 😀

  6. #6 Bettina Wurche
    21. März 2016

    Hört sich interessant an. Mir fällt jetzt nicht ein, nach welchen Stichworten ich da suchen könnte. Aber ich behalte das mal im Hinterkopf.

  7. #7 Pilot Pirx
    21. März 2016

    Und interessant war, es hat unter unserer “Langzeitbesatzung” nicht einmal Streit gegeben, eigentlich auch nicht gesund im Rückblick.
    Mit denen, die kürzere Zeit dazukamen und gingen war das was anderes. Territorialverhalten?

  8. #8 Dampier
    21. März 2016

    @Bettina

    Astronomie-Reise?

    Nein, ich war nie ein Hobby-Astronom. Tatsächlich kenne ich unseren Nachthimmel nichtmal besonders gut. (Das wollte ich aber in diesem Leben noch nachholen.)
    Ich war halt viel in Südamerika unterwegs :))
    Wir (zwei Freunde) haben damals vom Südende der Carretera Austral in Chile zur Ruta 40 in Argentinien rübergemacht, 2 Tage zu Pferd (mit Führer) und 3 Tage allein zu Fuß.

    Die Grenzbaracke in einem öden gerölligen Flusstal hatte auch was von einer Marsstation.

    Die Pfirsich-Apotheose erlebte ich eines Abends nach dem langen Ritt über die (dort schon recht flachen) Anden. Sowas vergisst man nicht.