In einer Raumstation oder in einem Raumschiff ist die Nahrungssituation noch einmal stark verschärft. Und wenn dann noch ernährungsphysiologische Experimente die Menge und Zusammensetzung der Nahrung über Wochen hinweg zugeteilt und rationiert wird, ist der Kontrollverlust noch größer, die Befriedigung eines elementaren Bedürfnissen wie Essen oder Trinken ist auf einmal nicht mehr selbstverständlich. Der Gedanke an eine bestimmte Speise, ein Getränk, einen Geschmack oder eine Konsistenz nimmt auf einmal ungeheure große Bedeutung an. Über Tage, Wochen und Monate hinweg.
Nein, das Essen als Nahrungsaufnahme und mit seinen sozialen Komponenten wird auch auf einem Marsflug ganz sicher eine immens große Bedeutung haben. Planer künftiger Raumfahrtmissionen sollten der Ernährung aufgrund der hohen sozialen und psychischen Bedeutung des Essens wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenken.

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Kommentare (8)

  1. #1 Dampier
    20. März 2016

    Spielkram oder Grundlagenforschung? Das ist oft schwer zu unterscheiden – natürlich auch wegen solcher Blender wie Mars One.

    Dieses blog von Christiane Heinicke gefällt mir auch sehr gut: https://www.scilogs.de/leben-auf-dem-mars/
    Die machen ein ähnliches Experiment auf einem Lavafeld auf Hawaii.

    Die Lebensbedingungen auf dem Mars werden an einem entlegenen Berghang auf Hawaii in der Forschungsstation für Raumerkundung und -simulation (HI-SEAS) simuliert. Für eine NASA-finanzierte Studie verbringen dort sechs Wissenschaftler ein ganzes Jahr zusammen – eine davon ist die Autorin dieses Blogs. Kontakt mit dem Rest der Welt haben sie fast ausschließlich durch Emails, die mit zwanzig Minuten Verzögerung eintreffen.

    Lesenswert – erinnert noch mehr an den Marsianer als das russische Experiment.

    Der Gedanke an eine bestimmte Speise, ein Getränk, einen Geschmack oder eine Konsistenz nimmt auf einmal ungeheure große Bedeutung an. Über Tage, Wochen und Monate hinweg.

    Schön beobachtet. Dass Nahrung unter etwas extremeren Bedingungen gleich einen ganz anderen Stellenwert bekommt, ist auch meine Erfahrung. Wenn man mitten in der Einöde wandert (Patagonien z.B.) und weiß, man hat noch einige Tage vor sich, und hat nur das zu Essen, was man selbst mitschleppt – das ändert schon die Sichtweise. Eine Dose Pfirsiche kann auf einmal wie ein Lebensretter, ein Geschenk Gottes erscheinen und allerhöchste Glücksgefühle auslösen. Und der unerreichbare Nutellapfannkuchen oder das Feinbrot mit Leberwurst kann einen tatsächlich tagelang beschäftigen!

    Dass manche Alltagswahrnehmungen auf Reisen (nicht Urlaub – Reisen!) komplett umgekrempelt werden, fand ich immer mit das stärkste daran. Sowas erweitert tatsächlich das Bewusstsein. Eine Marsreise wäre mir aber wohl doch zu extrem (zumal ohne Rückfahrt).

  2. #2 Bettina Wurche
    20. März 2016

    @Dampier: Danke für die Ergänzungen – da gibt es noch soooo viel mehr. Ich wollte nicht zu viele links einstreuen : )
    Beim Schreiben und Nachrecherchieren habe ich mich dauernd festgelesen und kam auf immer neue extrem spannende Sachen.
    Solche Experimente gibt es noch an verschiedenen Stellen, alle hören sich sehr aufregend an.

    Schön, dass Du auch auf die Bedeutung des Essens eingehst. Dosenpfirsiche in Patagonien – hört sich nach einer spannenden Story an! Astronomie-Reise?
    Da könnte ich noch so einiges aus dem Nähkästchen plaudern. : )

    Ich habe leider vergessen, ihn nach dem Marsianer zu fragen. Aber vielleicht hätte er das auch gar nicht mehr hören können.

  3. #3 Pilot Pirx
    zur zei bad schallerbach
    21. März 2016

    Also, was mich an der Sache interessiert, wie sie wirklich fit im Kopf bleiben. Wir kannten bei den Fla-Raketen die sogenannte Bunkermacke , kurz BuMa.
    Man hatte da manchmal das zweifelhafte Vergnügen,
    längere Zeit relativ abgeschottet im DHS zu leben.
    Mich hat es 90 tage getroffen(Bunker unter der erde) und auch etliche andere. Wir hatten sicher mehr Interaktion mit der Umwelt als die Testpersonen und man konnte ab und an vor die tür.
    Aber…
    um den 45 Tag hat sich mal wer , der sich für sowas interessierte, heimlich unsere Gespräche aufgezeichnet und und sie uns eine Woche nach dem Ende dieser Sache vorgespielt. danach wussten wir, was eine Bunkermacke war.
    Man hat kaum geglaubt, solche Gespräche geführt zu haben. Derart infantil und geistig verflacht.
    Und man hat es nicht gemerkt im bunker. gibt es Material zu solchen Erscheinungen bei Langzeitsimulationen oder langzeitmissionen in der Raumfahrt?

  4. #4 Bettina Wurche
    21. März 2016

    @Pilot Pirx: Ja klar, das sind extrem wichtige Forschungen. Z. B. von der DLR Luft- und Raumfahrtmedizin:
    https://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Riesiges_Forschungsfeld_fuer_Psychologen
    Und zu Mars500 gab es so einiges. Diego hatte auch erzählt, dass sie viele EEGs machen mussten.
    Allerdings lässt sich so ein Bunker-Koller nicht so einfach auf die Raumfahrt übertragen. Die Astronauten haben einfach den ganzen Tag so verplant und dürften körperlich auch ausgepowert ein, dass da schon eine gewisse Erschöpfung sein dürfte. Außerdem haben sie sich die Situation freiwillig und wissentlich ausgesucht und wissen auch, dass es eine seltene Erfahrung ist. Dazu müssen sie ja auch echte Problemlösungen für neuartige Aufgbenstellungen erarbeiten, da kommt nicht so schnell Langeweile auf.
    Unter Mars 500, Psychologie, Raumfahrtpsychologie steht da viel im Netz.
    Dazu kommt die hohe Bedeutung von guter Kommunikation, beim ersten Mars-Experiment soll es ja angeblich wegen sprachlicher Unzulänglichkeiten und kultureller Dämlichkeit zu nicht unerheblichen Komplikationen gekommen sein (auf Wikipedia unter Mars 500).
    Deine Bunker-Erfahrung hört sich übel an, unterirdisch wäre ich wahrscheinlich durchgedreht : )
    Aus Antarktisstationen, wo die Besatzungen im Winter unter dem Eis sitzen, habe ich auch recht Unterschiedliches gehört. Ein Arzt hatte jeden Tag sein Gesicht photographiert und seine psychischen Veränderungen damit dokumentiert. Fand ich krass.

  5. #5 Pilot Pirx
    21. März 2016

    Es war ja nicht mal ein Koller.
    und es lag sicher nicht an mangelnder Beschäftigung.
    Es war eigentlich im Rückblick geistiges verflachen im sozialen Bereich. Unmerklich. Komischerweise hat es sich kaum auf den doch recht komplexen dienst ausgewirkt. so eine Raketenbasis im Diensthabenden System , vor allem die Leitkabine ist nicht sehr fehlertolerant. Leider hab ich der Sache damals wenig Aufmerksamkeit geschenkt. und auf beiläufige Fragen war auch nix rauszufinden. normal waren eben 10 Tage, wir hatten einfach Pech und wirklich interssiert hat es ja auch keinen.
    War halt im Nachhinein lustig. Das große grüne Seepferdchen ist einer meiner Kameraden wohl bis heut nicht losgeworden… 😀

  6. #6 Bettina Wurche
    21. März 2016

    Hört sich interessant an. Mir fällt jetzt nicht ein, nach welchen Stichworten ich da suchen könnte. Aber ich behalte das mal im Hinterkopf.

  7. #7 Pilot Pirx
    21. März 2016

    Und interessant war, es hat unter unserer “Langzeitbesatzung” nicht einmal Streit gegeben, eigentlich auch nicht gesund im Rückblick.
    Mit denen, die kürzere Zeit dazukamen und gingen war das was anderes. Territorialverhalten?

  8. #8 Dampier
    21. März 2016

    @Bettina

    Astronomie-Reise?

    Nein, ich war nie ein Hobby-Astronom. Tatsächlich kenne ich unseren Nachthimmel nichtmal besonders gut. (Das wollte ich aber in diesem Leben noch nachholen.)
    Ich war halt viel in Südamerika unterwegs :))
    Wir (zwei Freunde) haben damals vom Südende der Carretera Austral in Chile zur Ruta 40 in Argentinien rübergemacht, 2 Tage zu Pferd (mit Führer) und 3 Tage allein zu Fuß.

    Die Grenzbaracke in einem öden gerölligen Flusstal hatte auch was von einer Marsstation.

    Die Pfirsich-Apotheose erlebte ich eines Abends nach dem langen Ritt über die (dort schon recht flachen) Anden. Sowas vergisst man nicht.