Interview von Regan Penanula mit Peter Godfrey-Smith im Nautilus-Magazine

Nautilus: Hat ein Oktopus eine Selbstwahrnehmung?
Das ist eine schwierige Frage. Diese Tiere könnten eine vollständig andere Wahrnehmung haben, da ja ihr Nervensystem über den ganzen Körper verteilt ist. Die Arme haben eine gewisse Autonomie, so könnte jeder Arm seine eigene Erkundung der Umgebung durchführen und dabei ganz eigene Sinneseindrücke aufnehmen. So könnte also nicht nur das Gehirn (Bei Cephalopoden heißt es Centralganglion, es ist eine gehirnähnliche Struktur – meertext), sondern der ganze Körper in  kognitive Vorgänge involviert sein.

Nautilus: Bereitet der Vorgang des Entdeckens dem Oktopus Vergnügen?
Oktopusse und Sepien entwickeln eine weitaus größere Neugierde als andere Wirbellose. Neugier ist ein starkes Wort im Kontext mit diesen Organismen, aber Oktopus-Forscher sind sicher, dass es das Verhalten von Kraken korrekt bezeichnet. So sind Oktopusse aufrichtig interessiert an Personen und ihren Tätigkeiten. Sie erkennen sogar einzelne Menschen in unterschiedlicher Kleidung wieder, wie in einem Experiment nachgewiesen wurde (Sie erkunden ihre Umgebung aktiv, probieren Dinge aus, suchen Lösungen für neuartige Probleme und merken sich sogar, wer ihnen gegenüber freundlich war. Menschen die sie nicht mögen, zwicken sie schon einmal – meertext).

https://bioweb.uwlax.edu/bio203/s2012/kalupa_juli/captiveshow53246159_dfecfaa713_z.jpg

Pazifischer Riesen-Octopus

Nautilus: Wie lernen sie?
Sie scheinen durch Versuch und Irrtum zu lernen. Außerdem probieren sie eigene Lösungen aus, was funktioniert und was nicht funktioniert. Das ist wesentlich ausgeklügelter, als die klassische Konditionierung, wie etwa bei Pawlows Hunden (Sie ahmen nicht nur nach, sondern finden bei neuartigen Problemen auch neuartige Lösungen und können offenbar mehrere Schritte planen. Etwa beim Öffnen eines Glases mit Schraubverschluss, um an die darin sitzende Garnele zu kommen. – meertext).

Nautilus: Sy Montgomery beschreibt in ihrem neuen Buch The Soul of an Octopus, dass sie mit Kraken Freundschaft geschlossen hätte. Denken Sie, dass Oktopusse zu Gefühlen wie „Freundschaft“ oder „Zuneigung“ fähig sind?
Ich denke, dass derartige Gefühle wohl zu differenziert sind. Aber sie schreibt auch, dass Kraken einzelne Menschen wieder erkennen können, und ob sie mit denen gute oder schlechte Erfahrungen verbinden. Sie unterscheiden also, ob sie jemanden mögen, oder nicht. Ich wäre aber sehr vorsichtig, das als „Freundschaft“ zu bezeichnen.

Nautilus: Was denken Sie über die Ähnlichkeiten unseres Verstandes und dem eines Kraken?
Wenn wir dabei Ähnlichkeiten sehen, bedeutet das, dass manche Eigenschaften unseres Verstandes vielleicht doch nicht so einzigartig sind, wie wir bislang angenommen haben. Stattdessen gibt es sie überall dort, wo Organismen große Gehirne entwickeln. Es könnte eine evolutive Tendenz zu einigen Eigenschaften geben, die im Kontext mit einem großen Gehirn und einer aktiven Lebensweise stehen. Es ist wichtig, bei diesem Punkt nicht zu übertreiben. Wir wissen nicht, ob diese Eigenschaften in jedem solchen Verstand existieren, wir sehen sie nur in zwei hoch entwickelten Organismengruppen. Sie scheinen bedeutsam zu sein. Es ist für ein gewisses Verstands-Niveau also keine Grundbedingung, ein Gehirn wie unseres zu haben.

https://www.diyphotography.net/wordpress/wp-content/uploads/2015/04/octographer1.jpg

Sony stellte diesem in einem australischen Aquarium lebenden Oktopus eine Kamera zur Verfügung.

Nautilus: Der Philosoph Thomas Nagel sagt, dass andere Verstand-Strukturen (hier steht im Original “minds” – wie übersetzt man den Plural von Verstand/Geist/Bewusstsein? – meertext) immer jenseits der menschlichen Erkenntnis liegen. Warum stimmen Sie ihm nicht zu?
Nagel suggeriert, dass es keine wissenschaftlichen Erklärung oder Erkundung von subjektiver Wahrnehmung geben kann – etwa, wie es sich anfühlt, ein Oktopus zu sein. Er meint, dass wir dieses Problem möglicherweise in der Zukunft mit neuartigen Theorien lösen können. Ich denke, dass Nagel und andere eine unrealistische Vorstellung davon haben, was eine wissenschaftliche Theorie zu diesem Thema leisten könnte. Auch eine wissenschaftliche Beschreibung kann nicht in Worte fassen, wie sich etwas anfühlt, denn sie kann keinen Bericht aus Erster Hand, also die originäre Erfahrung, ersetzen. Wir können nur fragen: Welche Organismen (oder Systeme) nehmen subjektive Erfahrungen wahr? Wie sieht es bei Fledermäusen aus? Wie bei Kraken? Und wie bei Computern?
Hier ist das vollständige Interview im Original zu lessen.

Mein Kommentar zu diesem Interview

Bei Säugetieren wie Fledermäusen dürfen wir einen gewissen Verstand annehmen, sie sind Säugetiere und haben komplexe Gehirne. Aber kennen sie „Freundschaft“? Immerhin kennen sie Mutterinstinkt und Altruismus – manche Fledermausarten geben hungernden Mit-Fledermäusen einen rettenden „Blutkuß“. Aber: Auch Klapperschlangen kennen ihre Verwandtschaft – verwandte Klapperschlangen überwintern gemeinsam in großen Ansammlungen. Und bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen, einer Schlange ein weiterführendes Bewusstsein zuzugestehen.

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Kommentare (21)

  1. #1 michael
    20. Juni 2016

    Im Spiegel gab es mal (19.03.1990) einen Artikel dazu.

    Auszug:
    >hat Wilkinson jüngst in einem Aufsatz für das US-Wissenschaftsmagazin Scientific American resümiert….

  2. #2 Rüdiger Kuhnke
    München
    20. Juni 2016

    Sehr interessanter Artikel. Das Thema begegnet auch mir gerade, weil ich nach über 20 Jahren mal wieder Hoimar v. Ditfirths Buch “Der Geist fiel nicht vom Himmel” lese. Bis auf neueres Detailwissen immer noch aktuell!

  3. #3 Bettina Wurche
    20. Juni 2016

    @Rüdiger: Ich denke ja auch, dass gute Gedanken oft zeitlos sind! UNd Hoimar von Ditfurth hat wirklich sorgfältig nachgedacht!

  4. #4 Bettina Wurche
    20. Juni 2016

    @michael: Danke fürs Raussuchen!

  5. #5 rolak
    20. Juni 2016

    minds / Verstand-Strukturen

    Das war wohl ‘different minds’, könnte also stinknormal mit ´Andersdenkende´ übersetzt werden, wenns nicht so langweilig wäre. Wesentlich schöner paßt imho in diesem Falle der learysche Klassiker ´andere Bewußtseinszustände´. Alerted snakes of consequence ;‑)

    Die Einfühl-Probleme am evolutionären Abstand festzumachen ist mir etwas zu desillusionierend – es trennt uns Sapiense vom immerhin noch einkreuzbar gewesenen Neandertaler nur ein schlappes Milliönchen Jahre und selbst da gibt es keine Vorstellung.

    seitenweise Vampir-Zeugs

    Sehr verständlicher Unwillen, Bettina – da wäre ein anderes Suchmuster wesentlich filternder gewesen.

  6. #6 RPGNo1
    20. Juni 2016

    Und man sollte eins nicht vergessen. Ein Oktopus kann Fußballspiele besser vorausagen als jeder Sportastrologe (https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_(Krake)). 🙂 FF hatte doch mal eine dahingehende Diskussion in seinem Blog.
    Ich gestehe aber trotzdem mit leichter Beschämung, dass ich ab und zu mal gerne Calamari esse. Am besten sind dabei natürlich nicht die panierten Tintenfischringe, sondern Tintenfisch gegrillt.

  7. #7 tomtoo
    mannheim
    20. Juni 2016

    Hi Bettina,

    wenn die neuronenanzahlvin den armen sehr hoch ist könnte es doch auf zwei dinge hindeuten.
    a. die arme sind sehr autark
    b.die arme können sehr schnell reagieren

    gibts da untersuchungen und währe sowas nicht auch ein interresanter ansatz für die bioinformatik also auch in hinsicht auf die weltraumforschung wo ja exact das problem besteht das die roboter auf grund der laufzeiten autark sein müssen.
    gruss
    tom

  8. #8 Bettina Wurche
    20. Juni 2016

    @RPGNo1: Das gab´s auf meertext natürlich auch, beim Krakenfreitag: https://scienceblogs.de/meertext/2014/09/12/heute-ist-kraken-freitag/
    Zu den Calamari: Schäm Dich ; )

  9. #9 Justus Jonas
    20. Juni 2016

    Ich musste bei der Überschrift sofort an dieses Spiel denken: https://store.steampowered.com/app/224480/?l=german

  10. #10 Bettina Wurche
    20. Juni 2016

    @JustusJonas: Köstlich!

  11. #11 Bettina Wurche
    20. Juni 2016

    @tomtoo: Beides trifft zu. Sowohl das Rückstoßprinzip der Tintenfische als auch die Mechanik/Hydraulik der Saugnäpfe sind bereits in der Technik angekommen. Die autarke Bewegung der Arme nicht, ich habe mal unter “Octopus bionic” recherchiert. Mit Raspberry oder Arduino sollte es kein so großes Problem sein. Vielleicht sprengt es die menschliche Vortsellunsgkraft.
    Der einzige Roboter mit mehreren verschiedenen Armen, den ich kenne, ist der Konservenknilch von Raumpatrouille Orion. Er hat allerdings nur vier Arme: https://scienceblogs.de/meertext/2016/05/19/star-trek-raumfahrt-futurologie-und-dinosaurier-fedcon-26-2016-teil-1/
    Und es gibt den Blog https://bionicoctopus.blogspot.de/ Sieht strange aus.

  12. #12 Bettina Wurche
    20. Juni 2016

    @rolak: Über den Bewußtseinzustand eines Kraken zu philosophieren, finde ich noch schwieriger, als über seinen Verstand nachzudenken. Vielleicht naschen sie auch manchmal etwas Kugelfisch, wie die Delphine?
    Soweit ich weiß, enthält die europäische H. sapiens-DNA Reste des Neanderthaler-Genoms. So wie aus Asien bzw. aus Afrika stammende Menschen andere DNA-Partikel tragen.

  13. #13 rolak
    21. Juni 2016

    Kugelfisch

    nee, so war das nicht gemeint, Bettina, sondern in dem Sinne, daß andere Lebewesen die Welt durchaus anders wahrnehmen als wir Menschen (die das zwar bei weitem auch nicht einheitlich tun, aber eben noch anders). So verschieden, daß wir uns diese Weltsicht kaum (wenn überhaupt) vorstellen können, ohne sie erlebt zu haben und sie selbst dann nicht rational erfassen können.

    Trotz großen Interesses – eine intensive, durchdachte, erforschende Beschäftigung mit der Thematik wurde hier noch nie in Angriff genommen, bestenfalls ein freies Wandern durch assoziative Phantasiewelten. So ist es nur eine steile Hypothese, doch es kommt mir vor, als würde zu deutlich verschiedenen Weltbildern auch eine deutlich verschieden( ausgeprägt)e Ratio gehören. Generelle Regeln der Logik, Physik – sicher, doch zumindest Axiome und Modelle sind verschieden.

    Trotz dieses mir sinnvoll erscheinenden Ansatzes – ein Großteil des tierischen Weltbildes sehe ich als absolut unreflektiert, magisch mechanisch an, eine Spinne dürfte ihr Netz so bauen wie Menschen sprechen¹: es wird einfach gemacht, nicht darüber nachgedacht, welcher Muskel jetzt wie bewegt werden müßte, damit die Form des Netzes so aussieht bzw ein ‘a’ so klingt wie es soll. Inwieweit auch von anderen Lebewesen die erste Metaebene erreicht wird (wir wissen zwar nicht wie wir es machen, doch denken wir mal drüber nach) dürfte eine verwendbare Klassifikation der Ratio sein.

    Die Oktopoiden sind übrigens in dem farben- und animationsprächtigen ‘Doku’3Teiler “Die Zukunft ist wild” die ausgeguckten Nachfolger des Menschen in punkto dominante intelligente Lebensform auf der Erde.

    _____
    ¹ jaja, das eine von Geburt an fest verdrahtet, das andere konditioniert

  14. #14 Pilot Pirx
    22. Juni 2016

    Worüber ich mir schon lange Gedanken mache, Gehirnleistung ist ja energetisch ein recht “teurer Spaß”. Und wenn man so betrachtet, was im Lebensraum der Kraken sonst so kreucht und fleucht,
    dazu noch die relativ geringe Lebenserwartung betrachtet, dann scheinen Kraken doch eine ziemliche “geistige Überkapazität” zu haben. Gibt es Überlegungen, warum das so ist?

  15. #15 Bettina Wurche
    22. Juni 2016

    @Pilot Pirx. Das frage ich mich auch. Vielleicht hilft uns da die “Hypothese der Roten Königin” weiter (nach “Alice hinter den Spiegeln”) https://de.wikipedia.org/wiki/Red-Queen-Hypothese.
    Sie beschreibt das stetige Wettrüsten von Organismen, die in einem ökologischen Kontext stehen. Tintenfische sind aktive Jäger des offenen Meeres, sie sind geschätzte protenreiche Beuteorganismen für Zahnwale und große Fische. Für die Ammoniten war irgendwann Zapfenstreich, wir wissen bis heute nicht genau, warum. Die “next generation” der modernen Tintenfische hat dann auf weniger Panzer und mehr Gehirn gesetzt. Diese Strategie hat jetzt über 65 Millionen Jahre nach dem Aussterben der Ammoniten gut funktioniert. Jedenfalls scahffen sie es so, sich in Lebensräumen mit hohem “Beutegreiferdruck” fortzupflanzen und ihrer Brut einen guten Start zu ermöglichen. Oktopus-Weibchen stecken viel Aufwand in die Brutpflege, dabei könnte ihnen ihre große Denkleistung helfen. Ich frage mich auch, ob sie für dieses kurze, hochenergetische Existenz mit ihrer Kurzlebigkeit bezahlen.

  16. #16 tomtoo
    25. Juni 2016

    https://www.eol.org/pages/37908/details#behavior

    naja clever sein hatt halt auch seine vorteile.
    ich bin klein und nicht giftig. hab aber einige arme um was giftiges zu tragen.

  17. #17 tomtoo
    25. Juni 2016

    @bettina warum bezahlen ?

    ich meine das individium zählt in der evolution doch eigentlich gar nichts oder ? langlebigkeit des individiums unter hohem druck scheint doch eigentlich für die evolution eher hinderlich ? mhh bei zunehmender hirnkapazität könnte es wiederum zum vorteil reichen speziel bezüglich brutpflege und brutausbildung. da wird die evo. wohl einen mittelweg finden automatisch.

  18. #18 Bettina Wurche
    25. Juni 2016

    @tomtoo: Langlebigkeit ist eine Strategie. Z. B. gibt es das Prinzip Langlebigkeit und lange Kindheit. Solche Organismen (Primaten, Zahnwale, Papageien, Krähen) haben sehr lange Lernphasen und können dann oft später im Leben komplexe Problemstellungen lösen. Delphine lernen sehr langen Jagen und Kommunizieren, Krähen bleiben 4 Jahre bei ihren Eltern, bevor sie sich mit Nahrung versorgen können.
    Tintenfische haben sich, trotz ihrer komplexen Kommunikation und ihren Problemlösungsskills für kurze “Kindheit” und kurze Lebensdauer “entschieden”. Wenn sie 50 Jahre alt würden, würden sie vielleicht Communities und Städte unter Wasser aufbauen? Und Wale jagen, statt sich fressen zu lassen. ; )
    Es gibt grundsätzlich zwei Fortpflanzungsstrategien: viel Nachwuchs und wenig drum kümmern oder wenig Nachwuchs und gut drum kümmern, also r- und K-Strategen. Natürlich in unterschiedlichen Ausprägungen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fortpflanzungsstrategie

  19. […] Wie fühlt es sich an, ein Oktopus zu sein? […]

  20. #20 Pilot Pirx
    5. Juli 2016

    Ich kenne die Sache mit der Roten Königin. Ich halte allerdings nur bedingt was davon. Immerhin haben ja etliche Spezies schlicht die Rennteilnahme verweigert und leben trotzdem seit Millionen Jahren recht kommod.
    Was Kraken und ihr Hirn angeht, gute Brutpflege ist doch eher langlebigeren Spezies eigen. und wenn schon so ein dickes Hirn da ist, mit allem Aufwand und was in der Lebenszeit so gelernt wurde… wäre es da nicht ökonomischer, länger zu leben? Zumal ja mit jedem Zyklus mehr Erfahrung vorhanden ist.
    Gut, Evolution nch menschlicher Logik zu beurteilen ist Unfug, ich hätte das aber anders gemacht… 😉
    Was überlebt hat eben Recht.
    Gibt es eigentlich irgendwelche Untersuchungen, wie sich die Intelligenz/das Hirn der Kraken seit dem bedauerlichen ableben der gepanzerten Ahnen entwickelt hat?

  21. #21 Bettina Wurche
    6. Juli 2016

    @PilotPirx: Das ist ein Trugschluß. Keine Art besteht über Jahrmillionen hinweg ohne Veränderungen. Wir können diese Veränderungen bloß oft nicht nachwesien, weil physiologische und verhaltensbiologische Änderungen im Fossilbefund sehr selten nachweisbar sind. Viele “Reliktarten”, die in der Tiefsee, Höhlensystemen, etc “überlebt” haben – wie Quastenflosser, Brachiopoden, etc. – haben heute spezielle Tiefseeanpassungen. Quastenflosser etwa waren vor 60 Mio Jahren weltweit in allen Süß- und Salzgewässern artenreich verbreitet, heute gibt es sie nur noch an sehr wenigen Stellen in der Tiefe des Indopazifiks. Da haben sie offenbar Spezialanpassungen, die sie an diesem Ort als eine von wenigen Arten überleben lassen.
    Auch Haie werden gern als stammesgeschichtlich uraltes Erfolgsmodell angeführt. Rezente Haiarten haben heute ausgefeilte fortpflanzungsbiologische, neurophysiologische und verhaltensbiologische Eigenschaften, die garantiert nicht 400 Mio Jahre alt sind. Und auch die südamerikanischen Regenwälder, die an ihren Orten wohl bis ins Erdmittelalter zurückgehen, haben sich seitdem erheblich verändert. Wir wissen nicht, wie die chemische Kampfführung bei Bäumen vor 60 Mio Jahren aussah, aber die heutige Artenzusammensetzung am Amazonas ist nicht so alt wie das Waldgebiet selbst, das sind moderne Arten. Das Ökosystem ist extrem komplex und hat sehr aggressive Strategien zum Überleben, es ist eine Art “Gleichgewicht des Schreckens”.

    Rezente Tintenfische und vor allem Kraken erscheinen usn aus den von Dir angeführten Gründen als Paradoxon. Wie ich bereits schrieb, könnte ich mir vorstellen, dass sie nur so ihre Position als Topprädatoren im heiß umkämpfften Ozean aufrechterhalten konnten.
    Außer der Größe des Kopfes, der in Ausnahmefällen in Weichteilfossilisation überliefert ist, gibt es keine Nachweise für die Cephalisation, also die neurophysiologische Konzentration im Kopfbereich. Wie bereits gschrieben: Neurophysiologie, Kommunikation, komplexe Verhaltensmuster, … lassen sich fossil äußerst selten nachweisen. Die weichen Körper der Mollusken sind in der Fossilerhaltung ein Problem.