Heute ist der World-Olinguito-Tag!
Der Olinguito sieht aus wie ein kleinwüchsiger Katzenbär mit großen Augen und lebt in den Urwäldern der Anden. Das possierliche Säugetier war erst 2013 entdeckt worden – in einer Museumssammlung!
“Ein kleiner Puschelbär aus den entlegenen Urwäldern der Anden guckte mit großen Kinderaugen in die Blitzlichtgewitter der versammelten Presse.
Die Menschheit feierte eine neue Säugetier-Spezies.
Die Museen konnten mal wieder die Bedeutung ihrer Sammlungen feiern.
Die Forschergemeinde feierte sich selbst.”
Zu Recht. Eine solche Entdeckung ist eine Spitzenleistung!
Olinguito (Bassaricyon neblina), der „kleine Olingo“, oder Anden-Makibär tummelt sich gemeinsam mit Waschbären in der Gruppe der Kleinbären, sie sind hundeartige Carnivoren. Die Gattung Bassaricyon (Olingos) kommt nur in Mittel- und Südamerika vor.
Die neuen Mini-„Bärchen“ werden bis zu 1100 Gramm schwer, 32 bis 40 Zentimeter groß plus bis zu 43 Zentimeter Schwanzlänge und fressen überwiegend Früchte, Insekten und Nektar. Sie sind meist nachtaktiv und tummeln sich in den Bäumen der Anden-Regenwälder von Ecuador und Kolumbien. Der kleine Olingo kommt in etwas höheren Arealen der Anden vor, als seine größeren Verwandten.
Der US-amerikanische Zoologen Kristofer Helgen hatte den Olingoito schon 2006 als eigenständige Art erkannt und 2013 wissenschaftlich beschrieben und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Tag der Vorstellung, der 15.08.2013, ist jetzt zum World Olinguito Day geworden. Allerdings geht es dabei um wesentlich mehr als den kleinen südamerikanischen Marderbären, sondern vielmehr um die Erinnerung daran, dass auch heute noch stetig neue Arten entdeckt werden, oft in Museumssammlungen.
Unter dem Hashtag #OtherOlinguitos gibt es auf Twitter den Aufruf, solche Entdeckungsgeschichten zu sammeln.
Wie ist es möglich, dass heute immer noch neue Arten entdeckt werden?
Ein kleines, nachtaktives Tier im entlegenen Nebelwald kann schon mal übersehen werden. Da in dem Lebensraum verschiedene dieser Kleinbären unterwegs sind, ist es – so schreibt Helgen – sehr schwierig, lebende Tiere im Feld klar zuzuordnen und zu erkennen, dass sie sich von den anderen Arten unterscheiden. Schließlich sieht man meistens nur ein kleines, im Schutz der Dunkelheit und Baumkronen vorbeihuschendes Tier mit langem Schwanz.
Exemplare dieser Tiere lagen zwar schon seit langem in den Museumssammlungen, wurden aber nicht als eigene Art erkannt. Das Bild zeigt den Balg – die abgezogene und konservierte Haut mit Fell – eines Olinguito, wie er in einer wissenschaftlichen Sammlung aufbewahrt wird.
Das ist typisch für viele Neuentdeckungen in unserer Zeit: Die naturkundlichen Museen haben gigantische Sammlungen mit sorgfältig katalogisierten Stücken. Richtige Schatzsammlungen. Die Bearbeitung und Bestimmung der Skelette, Schädel, Bälger und anderer Sammlungsstücke ist nur durch Taxonomie-Experten möglich, also auf die systematische Zuordnung von Tieren spezialisierten Zoologen.
Damit ein Taxonom sich „seine“ Tiergruppe vornimmt und das Sammlungsmaterial bearbeitet, muss es einen Anlass geben. Dann kommt es zu einer Bestandsaufnahme einer Unterart/Art/Gattung und zu einer umfassenden taxonomischen Überarbeitung. Dazu werden alle Tiere, Schädel, Skelette pedantisch neu vermessen und analysiert. Die Vermessung ist die morphometrische Erfassung, also die Übersetzung von Längen, Breiten, Winkeln und Relationen der Teile eines Tieres in vergleichbare Zahlen. Das ist die Grundlage der Klassifikation. Bei solchen Gelegenheiten kann dann auffallen, dass einzelne Tiere von den „normalen“ Werten abweichen. Sammlungsstücke, die nicht in das bestehende System eingeordnet werden können, können Vertreter einer neuen Art oder Unterart sein. Ergänzend kann noch eine molekulare Analyse erfolgen.
Genau so sind Helgen und seine Kollegen vorgegangen: „Here we review the taxonomic standing of all named forms of Bassaricyon based on morphological, morphometric, and molecular comparisons of voucher specimens in museums; […]“. Eine Revision dieser Tierart war überfällig. Also begannen sie, in Museumssammlungen gezielt nach diesen Tieren zu suchen. Und bei der Revision kam dann eben heraus, dass in den Schubladen der Sammlungen auch eine neue Art schlummerte.
Meine Lieblings-Neuentdeckungen: Der Bahamonde-Schnabelwal, der schwarze Baird-Wal “Raven” und der Deraniyagala-Zweizahnwal
Der Bahamonde-Schnabelwal (Mesoplodon traversii) hat eine wilde Entdeckungsgeschichte hinter sich: 1873 fand James Hector auf Pitt Island (Neuseeland) einen Unterkiefer, den er in Wort und Bild dokumentierte. Im darauf folgenden Jahr publizierte John Edward Gray die wissenschaftliche Beschreibung des Kiefers und benannte ihn nach Henry Hammersley Travers: M. traversii (Nach Hector ist übrigens der Schnabelwal Mesoplodon hectori benannt worden, aber das ist eine andere Geschichte).
Um 1950 fand sich dann auf White Island (Neuseeland) noch ein Schädel ohne Unterkiefer (= Calvarium), der später dem Gingko-Zweizahnwal (M. gingkodens) zugeordnet wurde.
1986 wurde ein beschädigter Schädel ohne Unterkiefer in Chile auf Robinson Crusoe Island angespült und von van Helden und Kollegen als neue Art beschrieben: Mesoplodon bahamondi – Bahamonde’s Zweizahnwal.
In diesem Fall kam wenig später allerdings heraus: Der Schädel gehörte gar nicht zu einer neu entdeckten Art, sondern zu dem schon 1874 beschrieben Tier. Darum war der Name M. bahamondi ungültig und M. traversii gültig. So schreiben es die Regeln der internationalen Nomenklaturkommission vor. Van Helden und seine Kollegen schrieben also eine Gegendarstellung.
Im Dezember 2010 strandeten zwei Schnabelwale am Strand von Opape, Bay of Plenty, Neuseeland. Sie wurden zunächst als Gray´s Schnabelwal (Mesoplodon grayi) einsortiert.
Erst durch die genetische Analyse aller drei Funde wurde klar, dass sie alle zur gleichen Art gehören. Insgesamt drei Funde sind für eine Walart schon extrem selten, darum titulierten Thompson und Kollegen M. traversii in ihrer 2012 erschienen Publikation als den seltensten Wal der Welt (Thompson, K. et al. 2012: The world’s rarest whale. Current biology, 22(21): R905–R906. doi:10.1016/j.cub.2012.08.055)
Ganz schön viel Aufregung für einen so kleinen, stillen Wal (meertext: Der Bahamonde-Schnabelwal – ein mysteriöses Phantom aus der Tiefe).
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