Hypothesen auf dem Prüfstand
Es gibt einige Hypothesen, wie Pottwale ihre Beute aufnehmen und noch viele ungeklärte Details. Darum haben sich Andrea Fais et al daran gemacht, diese Details zu überprüfen: Mit einer kleinskaligen Untersuchung der Lautäußerungen jagender Pottwale und dem simultanen Abgleich, wie Wal und Kalmar sich im dreidimensionalen Raum zueinander bewegen.
Dazu haben sie die Wale mit digitalen Sendern (Dtags) versehen, die sowohl akustische als auch Bewegungs-Daten in hoher Auflösung aufnehmen. Die Sender haben sie mit vier Saugnäpfen am Walkopf befestigt. Jeder Dtag-Sender beinhaltet einen 3-Achsen-Beschleunigungmesser, ein 3-Achsen-Magnetometer sowie einen Drucksensor und sendet 50-mal pro Minute.
Sechs Wale haben diese Sender bei insgesamt 82 Jagd-Tauchgängen mit in die Tiefe genommen und zusammen 66 Stunden lang Daten gesammelt. Drei der Tiere leben vor der US-Ostküste, die anderen drei vor der nordnorwegischen Küste. Die „Amerikaner“ – erwachsene Weibchen oder halbwüchsige Männchen – hatten Tauchgänge von durchschnittlich 38 Minuten, die „Norweger“ – erwachsene Männchen – tauchten zwischen 26 und 38 Minuten ab. Die dabei ermittelten Daten haben die bisherigen Hypothesen zur Pottwal-Jagd fast überwiegend widerlegt.
Hypothese 1: Pottwale lauern bewegungslos in der Tiefe
Der Walfänger-Schiffsarzt Beale hatte 1839 die erste Monographie über Pottwale geschrieben: „THE NATURAL HISTORY OF THE SPERM WHALE“.
https://mysite.du.edu/~ttyler/ploughboy/bealenew.htm
Er hatte die Vorstellung der Walfänger übernommen, der Pottwal würde mit seinem hell pigmentierten Unterkiefer die Tintenfische anlocken und sie dann verschlingen. Die Walfänger wussten von dieser hellen Pigmentierung und auch, dass Pottwale nahezu senkrecht ab- und an nahezu der gleichen Stelle auch wieder auftauchen. Daraus folgerten sie, dass der Wal sich in der Tiefe nicht bewegt, sondern vielmehr bewegungslos lauert. Der britische Tintenfisch- und Pottwalexperte Malcolm Clark hatte diese Hypothese weiterentwickelt und eine komplizierte Theorie zum Auftrieb des Pottwals konstruiert, bei dem die Zu- und Ableitung von Seewasser in den Nasengängen aktiv den Auftrieb des Wals regeln sollte.
Diese Hypothese ist mittlerweile widerlegt. Clarke hatte tote Pottwale aus dem Walfang untersucht, deren Nasengänge offenbar nach dem Tod teilweise Seewasser enthielten. Beim lebenden Pottwal befindet sich kein Seewasser in den Laut produzierenden Nasengängen, die Schalleitung würde damit nicht funktionieren.
Amano und Yoshioko haben mit Hilfe von Kameras am Wal und mit Datenloggern 2003 nachgewiesen, dass Pottwale aktive Jäger sind. Beschleunigungsmesser hatten schnelle Kopfbewegungen von 3 Metern pro Sekunde mit Bildern von Tintenwolken und Tentakelfetzen korreliert. Auch wenn die Nahrungsaufnahme selbst nicht zu sehen war, war doch klar, dass die schnellen Kopfbewegungen in direktem Kontext mit dem Fressen stehen müssen (Amano M, Yoshioka M (2003) Sperm whale diving behavior monitored using a suction-cup-attached TDR tag. Mar Ecol Prog Ser 258: 291–295. doi: 10.3354/meps258291).
Auch die neuen Daten von Fais et al bestätigen, dass die Pottwale aktive Jäger sind: Sie bewegen sich mit 1 bis 2,5 Metern pro Sekunde, in der Endphase der Jagd machen sie regelrechte Vorstöße auf die Beute.
Hypothese 2: Pottwale drehen sich auf den Rücken, um die Silhouette der Beute zu sehen und jagen dann auf Sicht
Fristrup und Harbison hatten 2002 die Hypothese aufgestellt, dass Pottwale sich in der Endphase der Jagd in einer seitlichen Rollbewegung auf den Rücken drehen, um den Tintenfisch über sich gegen das von der Meeresoberfläche einfallende Restlicht visuell zu erkennen. Sie meinten, dass der Wal mit dem großen Kopf und den seitlich stehenden Augen so zu einem Stereobild der Weichtiersilhouette kommen würde.
Diese Rollbewegung hat sich durch die Daten von Fais et al nicht bestätigt. Die Wale haben zwar beim Annähern an die Beute ihre Position im Wasser verändert, aber sie haben sich nicht immer auf den Rücken gerollt, um die Beute-Silhouette gegen das Restlicht der Oberfläche wahrnehmen zu nehmen. Stattdessen haben sie sich oft nur leicht schräg geneigt, unabhängig davon, in welcher Tiefe der Wal jagte und somit unabhängig vom vorhandenen Restlicht. Diese Bewegung könnte dazu dienen, um den Sonarstrahl in der Endphase der Jagd noch gezielter auf die Beute zu richten.
Außerdem stießen die Pottwale sowohl von unten nach oben als auch von oben nach unten auf die Beute zu, was auch gegen die visuelle Jagd spricht.
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