Im Verlauf der Pottwal-Jagd ist zu hören, dass der Wal zum Ende der Jagd hin seine Ortungsklicks intensiviert (Buzzing) und gleichzeitig seine Bewegung beschleunigt. Beim Buzzing sendet der Wal schnelle Folgen von Klicks mit sehr kurzen Zeitintervallen – im letzten Abschnitt braucht der Wal ein besonders hoch aufgelöstes akustisches Bild. Die Beschleunigung über mehrere Meter hinweg ist ein den „Endspurt“ zum Zielobjekt.

Hypothese 3: Pottwale betäuben Kalmare mit besonders lauten Schallstößen
Norris und Harvey hatten 1972 die Pottwalnase als Schallkanone beschrieben. Die Wale sollten mit ihrem leistungsstarken Sonar ihre Beute nicht nur finden, sondern sie auch über besonders laute Klicks betäuben. Immerhin können Pottwale Laute mit einem Schalldruckpegel von bis zu 236 dB produzieren (ein Düsenjäger soll nur bis zu 130 dB erreichen), wie Mohl et al beim Studium der Pottwale im Bleiks Canyon herausfand.

Die Schallkanone ist ein interessanter Ansatz, das würde das Fressen so agiler und intelligenter Jäger wie Tintenfische sicherlich erleichtern. Aber stimmt das auch?
Mohl und Norris hatten mit Loligo und Sepia im Aquarium experimentiert: Die Tiere waren erst ab 260 dB akustisch „gelähmt“. Einen so hohen Schalldruck schaffen allerdings selbst Pottwale nicht. Fais, Johnson und Madsen sind sich sicher: Das besonders leistungsstarke Sonarorgan der Pottwale ist für eine extrem leistungsfähige Echolokation gebaut, nicht aber als Schallkanone.

Schnelle Bewegungen sind ein Indikator fürs Zuschlagen
Viele Zahnwale, wie Schnabelwale, Delphine und Schweinswale verschlucken ihre Beute im Ganzen durch Einsaugen. Dazu öffnen sie den Schnabel und erweitern mit Muskeln den Kehlbereich. Da ihr Mund- und Kehlraum geschlossen ist entsteht ein Unterdruck, mit dem sie die Beute einsaugen. Die Zunge spielt bei der Positionierung der Häppchen oft eine wichtige Rolle.
Bei den Pottwalen vollführen dass am Ende ihrer Jagd, während des besonders intensiven Akustik-Scans des Wals, dem Buzzing, ruckartige Bewegungen mit dem Kopf (jerks): Die Walbiologen interpretieren dies als das letzte Zustoßen auf die Beute mit schnellen Bewegungen des Unterkiefers oder der Erweiterung der Mundhöhle zum Einsaugen der Nahrung. Pottwale sind also keinesfalls ruhig lauernde Jäger, sondern akustisch und motorisch sehr aktiv. Ihr Sonarorgan ist keine Schallkanone, sondern der leistungsstärkste bekannte Biosonar und dient zum akustischen Verfolgen und Erlegen der Beute.
Wie dieser Wal nun aber die Beute in die Mundöffnung befördert, bleibt weiterhin ungeklärt.

PS: Am Verlauf des Klickens ist der Verlauf des Tauchgangs zu hören. An Bord der „REINE“, des Schiffes der Hvalsafari Andenes konnten wir über ein Hydrophon direkt verfolgen, wie der Wal sich am Meeresgrund in verschiedene Richtungen wendet und bewegt, seine nach vorn gerichteten Sonarklicks machen die Kopfbewegungen hörbar.

 

 

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Kommentare (22)

  1. #1 tomtoo
    5. September 2016

    @bettina
    Vielen Dank für deine Beiträge ich freue mich immer riesig.

    So ein Pottwal muss ein EXtrem gutes Gehör besitzen wenn er solch kleine Dinge mit Sonar Orten und Verfolgen kann oder ? Ich meine der reflektierte Schallimpuls eines 1m Kalmars kann ja nicht die Welt sein.

  2. #2 tomtoo
    5. September 2016

    Uhpps sry nochmal ich.
    Oder “hört” er evtl. über die ganze Haut ?
    Klingt Pothead aber ich überlege mir wirklich wie er dass macht ?

  3. #3 Bettina Wurche
    6. September 2016

    @tomtoo: Danke, das freut mich! Das Säugetier-Ohr besteht hat eine komplexe Evolution hinter sich, es besteht aus Teilen des alten Reptilien-Unterkiefers, und ist sehr leistungsstark. Wale haben vor über 60 Millionen Jahren bereits Innenohren gehabt, die an das Leben im Wasser angepaßt sind und noch viel leistungsstärker sind. Das Walohr hat sich im Laufe der Evolution vom Schädel abgekoppelt, außerdem sind Schädel und Ohr asymmetrisch, so dass ein Richtungshören unter Wasser möglich ist.
    Bei Zahnwalen: Geräusche sollen über den mit Fett gefüllten Unterkiefer aufgenommen und zum Innenohr, das an der Schädelunterfläche liegt, geleitet werden.
    Auf dieser Abbildung ist das gut zu sehen:
    https://palaeos.com/vertebrates/cetartiodactyla/images/Cetacea4.gif

    Bei Bartenwalen: die sehr tiefen Töne sollen über den ganzen Schädel aufgenommen werden, der wirkt dann wie ein riesiger Resonanzkasten.
    https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/finnwale-hoeren-mit-den-schaedelknochen-a-1016222.html
    Ted Cranford hat wirklich viel Ahnung von Akustik, sowohl von Zahn- als auch von Bartenwalen.

    Die Teile des Gehirns, die die Schallimpulse dann zum akustischen Bild zusammensetzen und “auswerten” sind bei Walen sehr stark entwickelt.
    Ja, sie haben einen leistungsstarken Hörsinn. Allerdings laufen Schallwellen unter Wasser ja auch viel besser, das unterstützt das Hören natürlich noch. Und Wale nutzen zum Hören und Senden auch Sprungschichten im Wasser, auf denen Schallwellen besonders weit laufen.

  4. #4 RPGNo1
    6. September 2016

    Bei der Kombination Pottwal – Kalmar fallen mir immer die Bilder der narbenübersäten Haut eines Pottwals ein.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Riesenkalmar#/media/File:A_piece_of_sperm_whale_skin_with_Giant_Squid_sucker_scars.JPG
    Es wäre zu faszinierend, wenn man irgendwann einmal mit hoher Sicherheit feststellen könnte, was sich in den Tiefen zwischen den beiden Tieren tatsächlich abspielt (am besten natürlich in Form eines Films).

  5. #5 Bettina Wurche
    6. September 2016

    @RPGNo1: Glaub mir, darauf warten wir alle. Durch den Einsatz von immer mehr ROVs für industrielle Zwecke und deren Freigabe für wissenschaftliche Untersuchungen ist es hoffentlich nur noch eine Frage der Zeit für solche Aufnahmen. Allerdings hoffe ich genauso, dass die Nharungsgründe der Pottwale vor solchen industriellen Unternehmungen der Petroindustrie oder des Tiefseebergbaus geschützt bleiben werden.

    Hier ist eine Zufallsaufnahme des Nautilus-ROVs:
    https://scienceblogs.de/meertext/2015/04/15/der-pottwal/

  6. #6 Jürgen Schönstein
    6. September 2016

    Wunderbarer Beitrag! In einer Ausstellung über Wale, die vor einiger Zeit im Bostoner Museum of Science gezeigt wurde, war diese Jagd des Pottwals in einer extrem mitreissenden (für mich und meinen Sohn, jedenfalls – wir haben dies wohl jeweils ein Dutzendmal angeschaut) Animation zu sehen:

  7. #7 Bettina Wurche
    6. September 2016

    @Jürgen Schönstein: Danke, Jürgen! Die Animation ist klasse, die lief auch in Andenes im Walmuseum. Sehr schön gefällt mir der vergrätzte Anglerfisch : )
    Der Pottwal ist allerdings ein Weibchen oder ein Jungtier, der Kopf ist richtig zierlich.

  8. #8 RPGNo1
    6. September 2016

    @Jürgen Schönstein
    Sehr anschaulich, vielen Dank. Der Clip könnte beinahe einen Realfilm ersetzen (aber auch nur beinahe 😉 ).

  9. #9 Tomtoo
    6. September 2016

    @Bettina #5
    Ich finde in dem Video klasse wie begeistert die Beteiligten sind und Humor zeigen.
    Muss schon beeindruckend sein so ein Tier tatsächlich live zu Beobachten.

  10. #10 Jürgen Schönstein
    6. September 2016

    Ich sehe jetzt erst, dass das Video am Ende abgeschnitten wurde – den vollständigen Film, ebenso wie zusätzliche Erklärungen und vor allem auch ein Bild des D-tags gibt es hier:
    https://collections.tepapa.govt.nz/exhibitions/whales/Segment.aspx?irn=163

  11. #11 tomtoo
    8. September 2016

    @bettina
    Ist leicht ot.
    Bin über dieses Video gestolpert:

    https://www.youtube.com/watch?v=bT-fctr32pE

    Ob die üben zu Jagen ? Hatt mir gänzehaut bereitet wie feinfühlig diese Tiere sind. Ich würde gerne hören ob die dabei “klicken”? Weist du da was ?

  12. #12 Bettina Wurche
    8. September 2016

    @tomtoo: Ja, natürlich müssen die das Jagen üben. Und sie trainieren das auch oft spielerisch, sehr ähnlich wie Katzen. Nur wesentlich intelligenter und mit anderen Sinnesorganen. Das Luftblasen-Jagen kannte ich bisher nur von Buckelwalen, danke für die Info. Ob sie in diesem Fall klicken? Keine Ahnung, die Aufnahme scheint aus einem Aquarium zu stammen – wenn sie das Habitat kennen, müssen sie nicht klicken. Teils jagen sie auch im Freiland auf Sicht. Je nach Region und Beute entwickeln sie sehr unterschiedliche Jagdmethoden, die innerhalb einer oder mehrerer Gruppen weitergegeben und gelehrt wird.
    Feinfühlig? Sicherlich, sie trauen um tote Gruppenmitglieder und helfen sich gegenseitig (manchmal). Sie sind aber nicht zwangsläufig “nett”.

    Hier sind ein paar Beiträge über Delphin-Jagdmethoden und andere Verhaltensweisen:

    https://scienceblogs.de/meertext/2016/04/12/delphinverhaltensforschung-delphine-knacken-sepien-mit-regional-unterschiedlichen-methoden/

    https://scienceblogs.de/meertext/2014/01/12/delphin-verhaltensforschung-2-von-schwammtauchern-und-kindsmoerdern/

    https://scienceblogs.de/meertext/2015/01/19/delphin-verhaltensforschung-3-sexuelle-gewalt-ein-mythos/

    https://scienceblogs.de/meertext/2014/01/21/delphin-verhaltensforschung-halbstarke-delphine-im-kugelfisch-drogenrausch/

  13. #13 tomtoo
    8. September 2016

    @Bettina
    Danke für die Antwort und die Links!

    Ich liege gerade auf dem Boden wegen den “kiffenden” Delphinen.!
    Was es alles gibt !

  14. #14 tomtoo
    8. September 2016

    @bettina
    sry nochmal ich.
    Mit feinfühlig meinte ich nicht dass Verhalten sondern die Sensorig. So ein Luftkringel unter Wasser sollte ein klasse Bild auf dem Sonar liefern (schallbrechung luft\wasser). Darum die Frage nach dem klicken. Auch der Schwanzschlag (beteubung\verwirrung) der Beute. Dass sieht doch sehr nach Jagtübung aus. Vieleicht machen es Pottwale ja ähnlich bei der Jagt ?

  15. #15 Joe
    9. September 2016

    Wieder einmal ein klasse recherchierter Artikel, vielen Dank.

    Mich würde jetzt noch interessieren, wie sich die Kalmare in so großer Tiefe orientieren können. Haben Kalmare Sinnesorgane, so dass sie den angreifenden Wal bemerken können?

  16. #16 Bettina Wurche
    9. September 2016

    @Joe: Tintenfische haben Mechano-, Chemo und Photorezeptoren. Mechanorezeptoren: Statocysten (Schweresinn) nehmen Gravitation und Beschleunigung war, das engmaschige “Seitenliniensystem” (analog dem bei Fischen, aber etwas anders gebaut) nimmt Druckwellen u Strömungen auf. Die Chemorezeptoren sollen bei Kalmaren vor allem um die Mundöffnung herum konzentriert sein, bei Octopussen vor allem an den Armen. Photorezeptoren sind natürlich vor allem die extrem hoch entwickelten Augen – die für die Interspezieskommunikation sehr wichtig sind – und lichtempfindliche Photosensoren im Mantel. Wahrscheinlich sind sie farbenblind (Quelle: Hanlon).
    Zur Sensorik von Tintenfischen: https://scienceblogs.de/meertext/2016/06/20/wie-fuehlt-es-sich-an-ein-oktopus-zu-sein/

    Wilson, Hanlon und Madsen haben publiziert, dass Kalmare auf die Echolokationssignale von Zahnwalen keine Reaktion zeigen
    Wilson, M., Hanlon, R.T., Tyack, P.L., & Madsen, P.T. Intense ultrasonic clicks from echolocating toothed whales do not elicit anti-predator responses or debilitate the squid Loligo pealeii. Biology Letters

    Mehr zu den Sinnesorganen:
    https://www.mbl.edu/bell/current-faculty/hanlon/sensory-ecology/
    oder Hanlon: “Cephalopod Behaviour”

  17. #17 RPGNo1
    9. September 2016

    Jetzt habe ich auch noch eine Frage zu den Kalmaren und Tintenfischen, der Hauptbeute der Pottwale. Gibt es eventuell Erkenntnisse darüber, ob sie Gegenmaßnahmen gegen die Sonarortung der Wale entwickeln bzw. bereits entwickelt haben?
    Als Beispiel für eine entsprechende Ko-Evolution fallen mir die Fledermäuse ein, die per Ultraschall jagen. Einige Insektenarten haben sich weiterentwickelt und können diese Art der Ortung wirksam stören.

  18. #18 Bettina Wurche
    9. September 2016

    @RPGNo1: Diese Frage haben eine Menge Leute. Ich würde es auch erwarten, dass zwei hoch intelligente Spezies eine ausgefeilte Ko-Evolution eine Ko-Evolution durchlaufen, ein Menuett nach der Choreograpie der “Roten Königin”. Da fehlt leider wieder die direkte Beobachtung, so ist noch kein Nachwesi gelungen. S. auch:
    Wilson, Hanlon und Madsen haben publiziert, dass Kalmare auf die Echolokationssignale von Zahnwalen keine Reaktion zeigen
    Wilson, M., Hanlon, R.T., Tyack, P.L., & Madsen, P.T. Intense ultrasonic clicks from echolocating toothed whales do not elicit anti-predator responses or debilitate the squid Loligo pealeii. Biology Letters
    Madsen und Hanlon haben wirklich danach gesucht. (Ich bin allerdings noch nicht dazu gekommen, das paper zu lesen)

  19. #19 RPGNo1
    9. September 2016

    Bettina, danke für deine schnelle Antwort. Vielleicht müssen wir der Evolution einfach noch Zeit geben und in ein paar Millionen Jahren erneut nachforschen. 🙂

  20. #20 tomtoo
    10. September 2016

    https://www.wal-und-mensch.de/wum2005/huggenberger.php

    Auch spannend speziel die Links.

    Versuche mich gerade in so einen Pottwal hineinzuversetzen.

  21. #21 RPGNo1
    13. September 2016

    Ist wenig OT, da kein Pottwal, aber doch ein Zahnwal:
    https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/kiel–delfin-tummelt-sich-in-der-foerde-7054912.html
    https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/kiel-delfin-in-der-foerde-begeistert-kinder-a-1112021.html
    Aber es ist trotzdem ein ungewöhnliches Ereignis (und nicht weit von CCs Lebensmittelpunkt entfernt 🙂 ).

  22. #22 Bettina Wurche
    13. September 2016

    @RPGNo1: Na klar, ich folge doch den Meeresakrobaten, die haben sowas immer auf dem Schirm : ) Dieses Mal wars allerdings nur auf der FB-Seite.
    https://www.meeresakrobaten.de/