„Was macht eigentlich ein Buckelwal, wenn er einen Menschen in die Kehle bekommt? Muss ihm dann jemand auf den Rücken klopfen? Das größte Problem für den Menschen ist wahrscheinlich die beschädigte Ausrüstung.“ fragte JW am 23. Januar 2017 in einem Kommentar auf den Beitrag „Die Fischdiebe – von Schwertwalen und Buckelwalen im Andfjord (Vesteralen, Nord-Norwegen)“.
Dazu weiß das biblische Buch Jona die Antwort. Im 2. Kapitel heißt es: „Jona wird von einem großen Fisch verschlungen. In dessen Bauch betet er und wird nach drei Tagen und drei Nächten wieder an Land ausgespien.“
Jona wird von einem großen Fisch verschluckt, allerdings bleibt offen, ob der große Fisch ein Wal oder ein anderes Meeresgetüm war. Dann hat Jona im Bauch des Fisches drei Tage überlebt, danach hat der große Fisch wieder ausgespuckt. Anschließend ging Jona ging unversehrt seiner Wege.
Gibt es in dieser Geschichte vielleicht einen wahren Kern?
Horrorgeschichten, dass Bartenwale, die von unten mit geöffneten Kiefern durch einen Fischschwarm an die Meeresoberfläche stoßen und dabei einen Taucher, Schwimmer, Schnorchler oder Angler mitnehmen, halten sich hartnäckig. Einige Walmäuler sind immerhin groß genug, um einen Kleinwagen auf der Zunge zu parken, einen Menschen könnten viele Arten erst einmal umfassen. Aber wie ginge es dann weiter?
Könnte ein Wal wirklich einen Menschen verschlucken?
Und: Was würde mit dem Verschluckten passieren? Könnte er überleben?
Aufgrund der unterschiedlichen Größen und Nahrungspräferenzen sollten wir uns für die Beantwortung dieser Frage Bartenwale, große Zahnwale und kleinere Zahnwale sowie Walhaie systematisch ansehen.
Kann ein Bartenwal – z. B. ein Buckelwal – einen Menschen verschlucken?
Buckelwale (Megaptera novaeangliae) könnten durch ihre Art der Nahrungsaufnahme zumindest theoretisch einen Menschen ins Maul bekommen. Sie stoßen von unten nach oben. Oft wiederholen sie diese Bewegung mehrfach, tauchen ab, stoßen wieder nach oben, so dass ihr runder Bewegungsablauf an die Bewegungen von Windmühlenflügeln erinnert – darum heißt diese Fress-Methode auch „Milling“.
Bartenwale nehmen ein Maul voll Wasser mit Nahrung wie Krill, anderes Plankton oder kleine Schwarmfische wie Heringe oder Sardinen auf. Dann schließen sie das Maul so weit, dass die Barten vor dem verbleibenden Spalt stehen. Die Zunge drückt dann wie ein Kolben nach oben und presst so das Wasser durch die Barten hindurch wie durch ein Sieb. Die Nahrung bleibt in den Barten hängen und wird geschluckt.
Theoretisch könnte ein Mensch ins Maul eines Wals passen. Buckelwale werden 12 bis 16 Meter lang, ihr Maul nimmt etwa ein Drittel der Körperlänge ein. Der Mundbereich ist also vier bis fünf Meter lang, mehrere Meter breit und ebenso hoch. Der Wal würde den Fremdkörper, den er aufgrund seiner zu engen Speiseröhre nicht schlucken könnte, sicherlich wieder ausspucken.
Ob der Mensch das Verschlucken in einem Mahlstrom aus Meerwasser und Fisch dann auch überleben könnte? Ein Taucher, der es schafft, dabei sein Mundstück im Mund zu behalten, vielleicht schon. Ansonsten dürfte eine gute Möglichkeit dafür bestehen, dabei zu viel Wasser und zu wenig Luft zu schlucken. Bisher habe ich zwar mehrere Berichte gelesen, in denen jemand dem Kopfende eines fressenden Wals sehr nahe kam, aber ich habe noch keinen ernsthaften Bericht gelesen, dass ein Mensch auch wirklich im Maul des Wals landete und wieder hinausfand. Falls der Betreffende es nicht überlebt hat, kann er ohnehin nichts mehr dazu sagen.
Bartenwale, selbst Blauwale, haben eine enge Speiseröhre (Ösophagus), maximal 10 Inch gibt der Naked Scientist an, das wären 2,54 mal 10 cm, 25 cm. Da hindurch könnte nur ein sehr schmächtiger Erwachsener oder ein Kind passen. Das Schlucken ist zwar theoretisch möglich, de facto aber äußerst unwahrscheinlich. Wahrscheinlich würde der Wal den zu großen Fremdkörper auf der Zunge bemerken und ausspucken. Schließlich hat er kein Interesse an einer Schlund-Verstopfung.
Pottwal sind die größten Zahnwale
Pottwale (Physeter macrocephalus) werden 15 bis 18 Meter (selten auch mal 20 Meter) lang, ihr Kopf nimmt mehr als ein Drittel der Körperlänge ein. Die Kiefer sind lang, der Unterkiefer trägt 52 bis über 20 Zentimeter große Zähne.
Zur Größe des Ösophagus habe ich keine Angaben gefunden. Diese Wale sind Jäger und schlucken ihre Beute ganz, manchmal sogar Riesenkalmare. Kalmare sind allerdings Weichtiere und stark komprimierbar. Dazu
schlucken diese Leviathane auch ganze Haie und andere größere Fische mit. Ein Ösophagus von nicht viel mehr als 20 Zentimetern sollte ausreichen.
Die Zähne sind hier kein Problem, Pottwale kauen ihre Beute nicht.
Allerdings fressen Pottwale, und gerade die großen Bullen, in so tiefen Wasserschichten, dass es dort nicht einmal theoretisch eine Begegnung mit einem Taucher geben könnte. Selbst dicht am Kontinentalschelf jagen die Bullen in mehreren Hundert Metern Tiefe.
Dazu kommt ihr hervorragendes Sonarorgan: Pottwale schallen ihre Beute. Daher ist keine Verwechslung von Mensch und Beutetier möglich.
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