Die Kamera des Tauchroboters erfasst den Kalmar , wie er in der Tiefsee angelegentlich seinen Beschäftigungen nachgeht. Histioteuthis heteropsis hängt schräg in der Wassersäule, die Mantelspitze zeigt nach oben, der weiße Flossensaum flirrt und wippt wie der Tutu einer Ballerina. Der Mantel ist leuchtend rot und hat kleine elliptische Pünktchen – „Strawberry squid“ nennt Dr. Craig McClain, der genial schreibende Tiefseebiologe vom Deep Sea News-Blog das Tentakeltier darum.
Erdbeer-Kalmar.
Kalmare der Gattung Histhioteuthis sind für mich alte Bekannte: Als proteinreiche Tiefwasserbewohner stehen sie auf der Speiseliste der Schnabelwale und Pottwale weit oben. Mir gefallen Kalmare mit ihren flimmernden Farbspielen, den wechselnden Mustern und der Farbpalette von weiß-beige-braun-schwarz-rot und dem Extra-Show-Effekt der grünlich-bläulich-violetten Strukturfarben eher aus ästhetischen Gründen, sie sind glitzernde Show-Stars der See.
Die Gattung Histioteuthis umfasst zurzeit 18 Arten, „the biggest no larger than a football” meint Craig McClain. Viele von ihnen haben diesen sattroten Farbton, die dunklen Punkte darauf sind die Photophoren. Die dreidimensionalen Punkte erinnern an die Nüsschen auf der Erdbeere. Alle Arten leben im düsteren Zwielicht des Mesopelagials zwischen 200 und 1000 Metern Tiefe.
Mit LED auf Tiefsee-Tauchfahrt
Das Forschungsschiff Doc Ricketts des Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) hat ein neues “Gadget” im Ozeanforschungs-Werkzeugkasten: Einen Satz blauer LEDs. Am ROV (remotely operated vehicle – Tauchroboter) montiert, können die Forscher damit Fluoreszenz bei Tiefseetieren besser als je zuvor beobachten. Ein Ergebnis dieser technischen Ausrüstung war die unglaubliche Licht-Show des Erdbeer-Kalmars Histioteuthis heteropsis. Und natürlich noch die vieler anderer Tiefseebewohner mit ihren jeweiligen Lichtspektakeln.
Mit dem neuen Instrumentarium hat das MBARI-Team dann auch noch ein neues Geheimnis des Erdbeer-Kalmars ins Scheinwerferlicht gebracht: Histioteuthis heteropsis hat nämlich zwei unterschiedlich gebaute Augen, wie ja der Artname heteropsis auch schon andeutet: Ein kleineres Auge, das nicht weiter auffallend ist und ein größeres, das gelblich-grünlich-glasig wie ein Suchscheinwerfer leuchtet.
Das gelbe Superauge des Erdbeer-Kalmars
Die Biologin Kate Thomas hat diese ungewöhnlichen Augen näher untersucht. Augen sind, physiologisch betrachtet, aufwändige Strukturen: “You want eyes just big enough to do what you need to do, but you don’t want to have any bigger eyes because then you are just wasting resources,” erklärt sie. Augen müssen also gerade groß genug sein, um das zu tun, was man/kalmar so tun muss.
Grundsätzlich nutzen Tiere den optischen Sinn aus drei primären Gründen: Um Futter zu suchen, um Fressfeinde zu vermeiden und um einen Geschlechtspartner zu finden.
Auch wenn er in der Tiefe des Meeres lebt, orientiert der Erdbeer-Kalmar sich, wie auch die anderen Histhioteuthidaen, am Lichteinfall. Schließlich gibt es auch in den dunklen Tiefen des Ozeans noch einen Rest Licht. Er hängt dazu meist etwas schräg im Wasser. So kann das große Auge das Licht von oben bis 90° empfangen, das kleinere ist nach unten gerichtet, auf einen Winkel zwischen 43-198˚. Im Laborversuch bzw. Aquarium in Monterey Bay hat sich im Tintenfisch-Sehtest herausgestellt, dass die gelbe Linse auf die „counter-illumination“ spezialisiert ist. Diese Gegenschattierung sorgt für das Verschwinden der Konturen mit Hilfe von Biolumniszenz – so machen sich Tiere, vor allem Jäger, vor dem Hintergrund des einfallenden Sonnenlichts unsichtbar. Aber gegen das das glühend gelbe Superauge des Erdbeer-Kalmars haben sie keine Chance.
Das nach unten gerichtete Auge hat eine normale Sehstärke und kann die helle Bioluminiszenz-Beleuchtung unter dem Kalmar schwimmender Meeresbewohner gut wahrnehmen.
Für Thomas und ihre Kollegen ist die Tiefsee wegen ihrer spezifischen Lichtverhältnisse eine Fundgrube für außergewöhnliche Augensysteme und optische Anpassungen: Das von oben kommende Licht ist das Restlicht der Sonne, das von unten kommende Licht stammt aus Bioluminiszenz-Quellen, ist also tierischer Herkunft.
Die Augen der Familie Histioteuthidae sind hoch modifiziert, um aus dem schwachen Restlicht die beste Lichtausbeute zu bekommen. Licht ist in der Tiefsee eine knappe Ressource!
Histiotheutis heteropsis hat nach dem Schlüpfen zunächst zwei identische Augen, wie jeder andere Kalmar auch. Im Laufe ihrer weiteren Entwicklung wächst das linke Auge dann beständig überproportional mehr, bis zur fast doppelten Größe des rechten. Zusätzlich bildet es eine halb-röhrenförmige Struktur und hat meistens eine leuchtend gelbe Linse.
Diese extrem ungleichmäßige Augenentwicklung einiger mesopelagischer Kalmare ist einzigartig innerhalb der Mollusken, wahrscheinlich auch innerhalb der bilateralsymmetrischen Tiere. Viele Bewohner der tiefen Meeresschichten haben zwar hoch spezialisierte Augensysteme mit außergewöhnlichen Anpassungen, aber normalerweise sind die Sehorgane symmetrisch ausgebildet.
Quellen:
Thomas, K.N., B.H. Robison, and S. Johnsen (2017). Two eyes for two purposes: In situ evidence for asymmetric vision in the cockeyed squids Histioteuthis heteropsis and Stigmatoteuthis dofleini. Philosophical Transactions of the Royal Society B, doi: 10.1098/rstb.2016.0069.
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