Das Meer vor dem kalifornischen Monterey ist tief und bietet einen Schatz von Meeresorganismen. Gleich hinter dem Stadtstrand beginnen Tiefseegräben, diese „Haus-Tiefsee“ versorgt das berühmte Monterey Bay-Aquarium und das Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) mit atemberaubenden Bewohnern der Hoch- und Tiefsee, vom Blauwal bis zum Tiefsee-Vampir.

Die Aufnahmen stammen aus der Monterey Bay, nur der Piglet Squid (Schweinchen Kalmar) wurde im Gulf of California gefilmt. Die Kalmare waren in Tiefen zwischen 980 bis 3,150 Fuß unterwegs. Bis 200 Meter Tiefe reicht das Epipelagial, der Freiwasserbereich. Unter 1000 Metern beginnt das Bathypelagial, die lichtlose Tiefsee.

Hier ist ein Zusammenschnitt von mehreren Tauchgängen mit einem wahren Kalmar-Reigen:

Die weißen Partikel sind Meerschnee – abgestorbene und ausgeschiedene Substanzen von Plankton und anderen Meeresbewohnern und Matten von Bakterien.

Kalmare (Teuthidae, engl.: squid) sind 10-armige Tintenfische mit 8 etwas kürzeren Tentakeln mit Saugnäpfen und zwei längeren, dünneren Tentakeln mit Tentakelkeulen und sehr vielen Saugnäpfen. Diese längeren Tentakel dienen dem Locken und Zuschlagen, oft nehmen sie eine besondere Armhaltung ein.
Viele Filmsequenzen nicht näher bezeichneter Kalmare sind zusammengeschnitten, die einzelnen Arten sind nicht näher benannt. Aber sie bieten eine Fülle von ökologischen und funktionsmorphologischen Informationen und sind darüber hinaus natürlich auch ein Augenschmaus.

Die Farben der Kalmare changieren von transparent über weißlich bis zu rot. Alle dieser Tiere sind Jäger und Gejagte gleichermaßen, ihre Färbungen sind Tarnfärbungen. Transparente Tiere verschwinden in der Wassersäule, rote Farbtöne lassen die zarten Tiere in größeren Tiefen unsichtbar werden.

Cephalopod-Friday: Der Erdbeer-Kalmar mit dem Super-Auge

Mit Beleuchtung, Rückstrahlern oder Blinklichtern locken sie Beute oder Partner an.

Bei vielen der Tiere sind die großen, irisierenden Augen auch aus größerer Entfernung sichtbar, auch wenn die Körper-Silhouette schon verschwimmt.
Der Trichter (Siphon) pulsiert unter dem ein- und ausgepumpten Wasser. Die zarten Flossensäume manövrieren flirrend den weichen Körper in verschiedene Richtungen. Im Scheinwerferlicht gebadet hängen die Kopffüßer mit undulierendem Flossensaum und tastenden Tentakeln im Meer oder stoßen pfeilschnell mit Rückstoß durchs Bild. Zwischen der langsamen Vorwärts- und der sehr schnellen Rückwärtsbewegung wechseln sie hin und her, oft „rudern“ sie auf der Stelle.
Sie nehmen die gleiche ökologische Nische wie viele ähnlich große Fische, dennoch sind sei vollständig anders und viel fremdartiger. Sowohl ihre Bewegungen als auch ihr Gruppenverhalten unterscheiden sich signifikant von dem der Wirbeltiere.

Ich habe das Video dreimal angeschaut und die Szenen etwas kommentiert:

0:40: ein neugieriger Kalmar untersucht die Kamera mit tastenden Tentakeln. Schließlich zischt er aufgeregt in die andere Richtung und stößt dabei eine große Tintenwolke aus.

01:03: ein Kalmar hängt waagrecht im Wasser, die langen Fangarme hängen lockend nach unten. Eine Verlockung für hungrige Tiefseebewohner, die den größeren Körper des schnellen Prädatoren übersehen.

01:13: Ein Schwarm kurzarmiger Kalmare zeigen ihre Gruppen-Choreographie. Der Schwarm kommuniziert optisch durch Farbschemata, – wechsel und Körperhaltung. Sie schießen kollisionsfrei umeinander herum wie eine Schule Delphine.

01:23: Nahaufnahme  eines kurzarmigen Kalmars – der Körper (Eingeweidesack)  ist nahezu durchsichtig und ist nur wenig pigmentiert. Die roten Fangarme und die Augen sind nicht durchsichtig. Durch dieses Arrangement von Pigmentierung und Transparenz löst sich die Silhouette des Tieres auf und verbirgt seine Größe. Gleichzeitig ist zu erkennen, wie er durch den Trichter einen feinen Strahl Tinte ins Wasser ablässt.

01:43: Der transparente Körper erlaubt einen Blick auf die Eingeweide des Kalmars. Ob es sich dabei um den Siphon-Muskel, Teile des Fortpflanzungstraktes oder andere Organe handelt, vermag ich nicht zu sagen.

01: 55: Ein Piglet squid. Die rundliche Körperform und die nach oben gekringelten Tentakel erinnern an ein Schweinchen. Nicht einmal das Schwänzchen fehlt – es ist die Seitenansicht des Flossensaums. Wie es ein 10-armiges Weichtier hinbekommt, den Gesichtsausdruck und Körperhaltung eines Marzipanschweinchens zu suggerieren, ist eines der großen Geheimnisse des Meeres.

02:20: Ein schlanker Kalmar zeigt das milchig schimmernde Saugnapfmuster seiner Tentakelkeule. Das Auge reflektiert silbrig das Licht des Scheinwerfers.

1 / 2 / Auf einer Seite lesen

Kommentare (8)

  1. #1 Dampier
    28. April 2017

    Piglet squid? Das ist ganz klar ein Mumin-Squid! 😀

  2. #2 Rüdiger Kuhnke
    München
    28. April 2017

    Off Topic:
    Monterey. Hier setzte John Steinbeck dem Meeresbiologen Ed Ricketts in der “Cannery Row” ein literarisches Denkmal.
    Mein Lieblingsbuch.

  3. #3 Dampier
    28. April 2017

    @Rüdiger Kuhnke
    Jo, da muss ich auch immer dran denken, wenn vom MBARI die Rede ist. Straße der Ölsardinen sollte man unbedingt gelesen haben. Ein wunderbares Buch.

  4. #4 RPGNo1
    28. April 2017

    Funfact 🙂
    Im Monterey Bay Aquarium wurden die Walszenen für das fiktive San Francisco Aquarium aus “Star Trek VI: Zurück in die Zukunft” gedreht
    https://de.wikipedia.org/wiki/Star_Trek_IV:_Zur%C3%BCck_in_die_Gegenwart
    https://de.wikipedia.org/wiki/Monterey_Bay_Aquarium

  5. #5 rolak
    28. April 2017

    Der Postillon trötet passend:

    +++ Oktopus verletzt: Feuerwehr schickt Krakenwagen +++

    Gibt ja reichlich Füße, auf die beim Tänzchen gelatscht werden kann…

    ganz klar ein Mumin

    Wie aus dem Gesicht geschnitten, Dampier, die gequirlten Fussel erinnern ans Snorkfräulein.
    Außerdem kam hier bei ‘piglet’ eh zuallererst ein ‘Pooh!’

  6. #6 Bettina Wurche
    28. April 2017

    @Dampier: O. k., dann ist der deutsche Name von Helicocranchia pfefferi hiermit offiziell “Mumin-Kalmar”. Macht jemand den Wiki-Eintrag? : )))

  7. #7 Bettina Wurche
    28. April 2017

    @Rüdiger, @Dampier, @RPGNo1: Ich hatte noch überlegt, ob ich es mit aufschreibe. Die Erinnerung an John Steinbecks “Straße der Ölsardinen” ist in Moneterey überwältigen und das Aquarium trotz seines hohen Alters immer noch sehr sehenswert, eine Aquarien-Ikone. Seit meinem Besuch vor Ort ist mir auch klar geworden, dass die Wissenschaftler, Fischer und andere Meeresbegeisterte und -Nutzer dort aus dem Vollen schöpfen. Ein Tauchgang oder Hol muss atemberaubend sein. Am Strand fand ich einen kleinen Mondfisch. Das Otter-gehege des Aquariums war gerade geschlossen, an der Scheibe hing ein Schild: “Gucken Sie einfach die Otter im Hafenbecken an”. Da tummelten sich gleich mehrere. Neben Seelöwen und Seehunden, allerdings schön nach Artengetrennt auf verschiedenen Felsen. Auf der Fahrt nach San Diego sind wir dann noch über eine See-Elefanten-Kolonie und ein paar Große Tümmler “gestolpert” (die Delphine waren vorschriftsmäßig im Meer, allerdings dicht am Strand, um den Surfern in Pismo Beach zu zeigen, wie man anständig surft.

  8. […] sind voller Dramatik: Männchen und Weibchen veranstalten ein aufwändig choreographiertes Unterwasser-Ballett mit 16 Armen bzw. Beinen, einer spektakulären Lichter-Show und Besitz ergreifenden Manövern. Nach […]