Kalifornische Schweinswale

Auftauchende Vaquitas (Paula Olson, NOAA)

Ein grauer kleiner Wal mit stumpfer Schnauze und dunklen Augenringen macht große Schlagzeilen. Leider sind es keine guten Nachrichten, denn die Welt sieht dem Kalifornischen Schweinswal (Phocoena sinus) seit mehreren Jahren beim Aussterben zu.
Natürlich stirbt er nicht einfach so von allein aus, auch trachten keine bösen Walfänger dem kleinen Meeressäuger nach dem Leben. Nein, er schwimmt einfach nur im Weg herum, wenn mexikanische Fischer nach Totoaba fischen. Bitterarme mexikanische Fischer, die einen großen Fisch – den Totoaba – fangen, den sie meistbietend an die chinesische Nahrungsmittel-Mafia verkaufen können. Die Fischer stellen den Totoabas mit langen Stellnetzen nach, in diesen unzerreißbaren und nahezu unsichtbaren Netzwänden verfangen sich dann die Wale und ersticken.

Bildergebnis für vaquita

Beifang

Gibt es vielleicht doch noch Hoffnung?

Der Vaquita, so weiß es die IUCN Cetologist Special Group – der Wal-Sachverständigenrat der International Union for Conservation of Nature – ist zurzeit der am stärksten vom Aussterben bedrohte Wal der Welt. Die IUCN ist das internationale Gremium, das die „Rote Listen“ bedrohter Arten definiert, diese Worte sind also nicht leichtfertig dahingesagt.
Die extrem eingeschränkte Verbreitung dieses kleinen Schweinswals macht ihn so anfällig, er lebt ausschließlich in einem etwa 4000 km2  Areal des Nördlichen Golfs von Mexiko, nördlich des 30. Breitengrads und westlich des 114. Längengrads.
Erst 1958 wissenschaftlich beschrieben, schien er damals bereits selten zu sein. Seine unauffällige, ja geradezu heimliche Lebensweise macht seine Beobachtung noch schwieriger. 1997 schätzten Wissenschaftler den Vaquita-Bestand auf  etwa 567 Tiere. 2008 schätzten sie den Bestand durch Totfunde in Stell- und anderen Netzen sowie ein akustisches Monitoring  schon nur noch auf 245 Tiere, eine extrem schnelle Abnahme der Population!

Bereits 1978 hatte die IUCN den Vaquita als “Vulnerable” (“Gefährdet”) auf die Rote Liste gesetzt, 1990 galt er als „Endangered“ („Stark gefährdet“) und seit 1996 ist er „Critically Endangered“ („Vom Aussterben bedroht“). 2007 ermahnte der IUCN General-Direktor den mexikanischen Präsidenten “to ensure that all appropriate steps are taken immediately to prevent the vaquita, a national treasure of Mexico, from going extinct”.

totoaba-swim-bladder
A totoaba swim bladder seized by the U.S. Fish and Wildlife Service (Credit: USFWS)

Seitdem ist eine ganze Menge passiert:
Zunächst haben eine Menge Biologen, Walforscher, Umweltpolitiker, Walschützer und andere Wal-Fans die Situation analysiert. Die Analyse ergab immer wieder, dass die Vaquitas als Beifang in den Netzen der Fischer endeten. Seit dem Beginn der extrem gewinnträchtigen Totoaba-Fischerei ist das Schicksal des Kalifornischen Schweinswals besiegelt. Eine Totoaba-Schwimmblase ist reichen Chinesen
zwischen 10.000 bis zu 50.000 Dollar wert, immerhin kann man mit der Schwimmblase Suppen andicken. Mehr Hintergrundinformation, warum einigen Chinesen Mondamin zum Andicken einer Suppe nicht ausreicht und was die chinesische Nahrungsmittel-Mafia für so manche Tierart bedeutet, stehen in „Bye, bye, Vaquita – Aussterbe-Countdown für den Kalifornischen Schweinswal
Die CIRVA (International Committee for the Recovery of the Vaquita) hat eine exakte Übersicht aller Fakten und Maßnahmen zusammengestellt und gibt viele weitere Informationen (nicht nur) zum Vaquita.

Das Problem ist nun seit geraumer Zeit analysiert und die mexikanische Regierung versuchte sich am Walschutz: Sie richtete Gebiete ein, in denen der Totoaba-Fang  verboten war. Die Fischer durften weiterhin andere Fischarten und Shrimps fangen, die allerdings weitaus weniger Gewinn erbrachten. Darum tarnten manche Fischer die verbotenen Netze mit erlaubten Netzen.
Dann sollten Fischer auf Hoteliers umschulen, um zukünftig im Tourismus ihr Geld zu verdienen.
Dann versuchte die mexikanische Umweltbehörde, ein rigideres Fischfangverbot durchzusetzen und Fischernetze zu konfiszieren. Gemeinsam mit der US-amerikanischen Meeresschutzbehörde NOAA entwickelten die Mexikaner Schweinswal-schonendeNetze zum Totoaba-Fang.
Dann sollten die Fischer für ihre Verdienstausfälle durch Fischereiverbote entschädigt werden.

Das Ergebnis: 2016 gab es noch 63 Exemplare von Phocoena sinus.
Es wurde offensichtlich, dass die Anstrengungen zum Schutz der Kleinwale im Nördlichen Golf von Kalifornien nicht funktionierten.

Naturschutz im Kreuzfeuer zwischen legaler und illegaler Fischerei und Drogenhandel

Wie ist es möglich, dass trotz so vieler Anstrengungen so wenig Walschutz erreicht werden konnte?
Mexiko ist ein eher armes Land, viele Mexikaner müssen um ihr tägliches Überleben kämpfen. Die Regierung und ihre Institutionen können Gesetze nicht durchsetzen, die Polizei ist machtlos oder folgt gar anderen Interessen, Korruption ist ein weiteres Problem. Dazu kommen die Drogenkartelle, die ihre kapitalstarken Eigeninteressen ohne Rücksicht auf Menschenleben massiv durchsetzen. Zur Drogenkriminalität kommen noch andere Formen des organisierten Verbrechens wie illegale Fischerei. Polizisten, andere Regierungsvertreter wie Fischereiaufseher und Umweltschützer erhalten Todesdrohungen oder werden ermordet, wie jede Person, die sich den Drogenschmugglern und Fischpiraten in den Weg stellt. Gesetze werden nicht vollstreckt und Straftäter nicht bestraft. Und die allseits grassierende Korruption sorgt dafür, dass Projektgelder nicht an ihrem Bestimmungsort landen und Maßnahmen nicht umgesetzt werden.
Dieses Klima der Gewalt, Angst und Unzuverlässigkeit schreckt natürlich auch Touristen ab, so dass eine Finanzierung des Naturschutzes durch Öko-Tourismus, wie sie heute vielerorts existiert und etwa mit Whale-watching auch zum Walschutz beiträgt, hier niemals etabliert werden konnte.

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Kommentare (8)

  1. #1 Gerhard
    2. Dezember 2017

    Bestimmt nicht populär und gern gesehen, was ich jetzt schreibe:
    All die Maßnahmen kommen mir wie Flickwerk vor, ein Flickwerk, das i.d.R. aus dem einen oder anderen Grund nicht funktioniert. Widerstände, technische Probleme, Zeit, Geld ect.
    Wir haben schon soviel zulassen müssen, wie etwa die 80 % Verlust des Insektenbestands in Deutschland. Auch das scheint plötzlich kein Thema mehr zu sein in der Presse, nachdem es im Sommer mit Macht in den Medien war.
    Ich wünsche dem Schweinswal wirklich Überlebenserfolg, aber reihum wird das eine oder andere Rettungsmanöver bei anderen Tierarten keinen Erfolg haben (können).
    Viele Grüsse

  2. #2 Bettina Wurche
    3. Dezember 2017

    @Gerhard: Ich sehe es ganz genauso, Gerhard. Zumal bei uns vor der Tür das gleiche mit den Ostsee-Schweinswalen passiert, was noch wesentlich unbekannter ist. Es macht mich einfach nur noch wütend. Vor allem, wenn dann so dusselige Bemerkungen wie von CSU-Politikern zum Insektensterben kommen, die als “Gegenbeweis” ein paar zerquetschte Insekten auf dem Nummernschild ihres großen Autos in die Kamera halten. Wenn Meeres- und Walschutz in Presse und Gesellschaft auch kein Thema sein mögen, werde ich auf “meertext” und in Vorträgen weiterhin laut schreien.

  3. #3 Uli Schoppe
    3. Dezember 2017

    Hast du was zu dem Gegenbeweis? Das ist an mir vorbei gegangen. Mir wird zwar das Lachen im Hals stecken bleiben aber seis drum ^^

  4. #4 Bettina Wurche
    3. Dezember 2017

    @Uli Schoppe: Die Studie zum Insektensterben hat natürlich so einigen Leuten nicht ins Konzept gepaßt, die natürlich sofort dagegen trompeteten. Ein besonders gelungenes Exemplar an Bräsigkeit war dabei “Albert Deß, ein Landwirtschaftsmeister und Agrarunternehmer, der seit 2004 die CSU im Europäischen Parlament vertritt, (wo er Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung ist, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie agrarpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion), meinte wohl, besonders gewitzt rüberzukommen, als er auf Facebook ein Bild seines Nummernschilds veröffentlichte.”: Auf dem Nummernschild sind zahlreiche zerquetschte Insekten zu sehen, darunter schrieb Deß breit-bräsig: „Es gibt keine Insekten mehr?“ wo kamen die heute her? Hab ein schlechtes Gewissen. Seit meiner Fahrt sind es wieder weniger geworden aber nicht wegen unserer Landwirtschaft.”

    https://www.riffreporter.de/flugbegleiter-insektenschwund-studie-reaktionen/

    Wenn ich daran denke, dass solche geistigen Tiefflieger, Populisten und Agrarindustriearschkriecher Deutschland im EU-Parlament vertreten und dafür auch noch ein fettes Salär einstreichen, dann reagiere ich schon etwas gereizt. Ich erinnere mich nicht, jemals von einem CSU-Politiker irgendwas inhaltlich Durchdachtes, logisch Tragfähiges gehört zu haben. Als Naturwissenschaftlerin norddeutscher Herkunft scheint mir da eine grundsätzliche Bräsigkeitsakzeptanz zu fehlen.
    Dieser Kommentar ist nun doch mal recht persönlich geworden, aber manchmal bleibt mir einfach die Sachlichkeit weg.

  5. #5 tomtoo
    4. Dezember 2017

    Was uns Trockennasenaffen bei unserem wirtschaftlichem Streben in den Weg kommt , hat halt Pech gehabt. Elefanten, Nashörner, Gorillas , Wale, Insekten, Vögel usw. Auch vor der eigenen Art machen wir keinen halt , kommt sie wirtschaftlichen Interessen in den Weg , da sind wir konsequent.

  6. #6 Uli Schoppe
    4. Dezember 2017

    Ich kann verstehen das man sich da aufregt. Das ist j zum Teil an Dreistheit nicht zu schlagen. Von Trump lernen heist siegen lernen oder so ^^

  7. #7 Laie
    5. Dezember 2017

    Würden mehr Menschen (in Machtpositionen) vernünftig handeln (z.B. die chinesische Tiermafia) … nein das geht nicht, sonst wäre dort nicht die Macht.

    Was kommt ist traurig, aber erst wenn die Lebensgrundlage der Mächtigen zerstört sein wird (dann wird schon ziemlich alles kaputt sein) gibt es ein “natürliches” Regulativ. Nicht dass ich das für gut befinde, nur es sieht ganz so danach aus – alternativlos.

    Bei uns versagt die EU, bzw. jene die dort Macht haben – siehe Insektensterben und generelle Abnahme der Biodiversität.

    Wäre es technisch und biologisch sinnvoll und machbar, alle lebenden Exemplare des Wales schonend einzufangen, um sie in eine geschützte Bucht mit umzusiedeln – wo sie überleben könnten?

  8. #8 Bettina Wurche
    5. Dezember 2017

    @Laie: Geld- und Machtgier und Vernunft schließen sich in der Regel aus.
    Das Einfangen der letzten Vaquita-Exemplare und ihr Überleben in einem Reservat sehe ich etwas ambivalent. Als Biologin bin ich nicht ganz überzeugt, ob man mit 30 Tieren einen Bestand erhalten kann. Auch wenn in Zoos solche Arterhaltunsgmaßnahmen auch mit sehr wenigen Tieren bisher schon so einige Male geklappt haben (ich glaube, der Wisent ist dafür ein gutes Beispiel). Da der Vaquita selbst keine Zielart der Wilderer ist, könnten die im Reservat lebenden Tiere tatsächlich eine gute Überlebenschance haben. Sie wären dann in freier Wildbahn ausgestorben, aber als Art und Genpool erst einmal gesichert.
    Man könnte sich allerdings auch fragen, wozu man die letzten Tiere nun retten sollte: Es ist nicht anzunehmen, dass sich in Mexiko die Situation dahingehend verändern wird, dass Tiere (und auch Menschen) wieder einer sicheren Zukunft entgegensehen. Und was bringt es für eine Art, sie dauerhaft nicht in einen natürlichen Lebensraum entlassen zu können?
    Ein weiteres Problem scheint beim Vaquita zu sein, dass die Tiere extrem scheu sind und die Interaktion mit Menschen für sie noch stressiger zu sein scheint, als für so einige andere Walarten. Wale können nicht, wie andere Wildtiere, mit einem Betäubungsgewehr betäubt werden, um die Fangaktion zu verschlafen – sie würden im Meer versinken. Das wird im nächsten Jahr als zentrale Frage für die Durchführung des Rettungsprojekts zu klären sein.
    Insgesamt halte ich persönlich es für besser, die letzten Kalifornischen Schweinswale wenigstens irgendwie zu retten, auch wenn es erst mal im Reservat ist. Dann haben wir zumindest alles versucht und rein theoretisch die Möglichkeit, auf bessere Zeiten zu warten oder die Kleinwale möglicherweise woanders anzusiedeln.