Ein besonders wichtiger Aspekt des erfolgreichen Umweltschutzes wurde von Anfang an vernachlässigt: Umweltschutz und Artenschutz brauchen nicht nur Biologen, sondern auch Sozialarbeiter. Es geht nicht nur um Bestandsmanagement und Schutzmaßnahmen für die Tiere und Pflanzen einer Region, sondern man muss die Menschen mit einbinden und den Schutz der lebenden Ressourcen zu ihrem eigenen Anliegen machen. Arten- und Naturschutz geht niemals gegen die Bewohner der entsprechenden Region, sondern nur mit ihnen.
Und genau das ist beim Vaquita-Problem nie passiert.
Der Spektrum-Artikel „Warum der Vaquita-Schweinswal aussterben wird“ erläutert diese Umstände und die verfahrene Situation ausgezeichnet.
Der Artikel stammt von Eric Vance und erschien im August 2017 unter dem Titel Goodbye, Vaquita: How Corruption and Poverty Doom Endangered Species im “Scientific American”.
Vance hatte ein Sea Shepherd-Team bei einer Aktion gegen illegale Fischerei im Vaquita-Lebensraum begleitet. Seine umfassende Recherche beschreibt die unübersichtliche und verfahrene Situation der Anstrengungen für den Erhalt der Kalifornischen Schweinswale nicht nur aus der biologischen, sondern auch aus der politischen Perspektive. Auch wenn ich gegenüber Sea Shepherd auch in diesem Fall kritisch bin, ist dieser Artikel das umfassendste, was ich bisher zu diesem Thema gelesen habe.
Ein Reservat für die letzten Vaquitas
Spätestens 2016 wurde offensichtlich, dass an eine friedliche Ko-Existenz von Walen und Fischern im Golf von Kalifornien nicht zu denken war.
Daraufhin arbeiteten mexikanische und US-amerikanische Meeresschützer und Wal-Experten einen letzten Plan aus: Sie wollten einen Teil des Golfs absperren und ein Reservat für die letzten Schweinswale errichten. Ihre Schätzung war, dass 30 männliche und weibliche Vaquitas in dieser Schutzzone, einer Fast-Freiheit, ungestört überleben könnten.
2017 sollten möglichst viele der auf nur noch etwa 30 Individuen geschätzten verbliebenen Kleinwale eingefangen und in das Reservat gebracht werden.
Der englische Telegraph schreibt, dass NAVY-Delphine ihre kleineren Verwandten aufstöbern und mit einem Signal verraten sollten.
Der Tiergarten Nürnberg ist an dem Vaquita-Reservat-Projekt beteiligt und schreibt dazu: Das Team der Vaquita-Rettungsaktion setzt sich aus über 80 Fachleuten zusammen, darunter sind führende Spezialisten für Schweinswale, den Schweinswal- und Delphinfang, Delphinmanagement, Schweinswal-Rehabilitation und Veterinärmedizin. Die Fachleute kommen aus Mexiko, Kanada, den USA, Dänemark und den Niederlanden. Sie werden versuchen, so viele Vaquitas wie möglich zu fangen, und sie in Sea Pens, also Wasserbassins im Meer, zu überführen und an die neuen Lebensbedingungen zu gewöhnen.
Der Tiergarten Nürnberg ist u. a. Sitz der Artenschutzgesellschaft Yaqu Pacha, die sich auch für den Schutz von Delphinen einsetzt und die viel Erfahrung und Know-How für ein solches Projekt mitbringt.
Aber die Vaquitas wollten sich nicht retten lassen: Ein junges Tier wurde gleich wieder frei gelassen, da es zu jung war, um ohne seine Mutter zu überleben, ein erwachsener Kleinwal verstarb beim Einfangen aus noch nicht genau geklärten Gründen.
Jetzt ist der Fang der Tiere ausgesetzt, die Vaquita-Retter wollen auf bessere Wetterbedingungen im nächsten Jahr warten und die Aktion fortsetzen, so der Tiergarten Nürnberg.
Dieses Programm ist nicht unumstritten. So ist etwa Paul Watson, der Gründer der Sea Shepherd Conservation Society, völlig gegen das Einfangen der Kleinwale und ihre Überführung in das Reservat und gegen den Einsatz von NAVY-Delphinen. Die Haltung von Walen in Gefangenschaft verstößt generell gegen die Grundsätze der radikalen Tierschützer. Ich persönlich denke, dass diese extreme Auffassung von Tierschutz in diesem Fall für den Artenschutz wenig hilfreich ist. Auf der anderen Seite sind die Sea Shepherd-Mitglieder im Moment die einzigen Personen, die überhaupt wirksame Maßnahmen gegen die illegale Fischerei durchführen: Sie fahren Patrouille und sammeln Netze ein. Das wäre eigentlich die hoheitliche Aufgabe der mexikanischen Behörden gewesen.
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