Wo kommen eigentlich die kleinen Kraken und Kalmare her? Dafür braucht es zunächst Mama- und Papa-Kopffüsser und eine mehr oder weniger innige Umarmung, gern mit Lichtershow und Ballett, mitunter mit Balgerei, manchmal sogar rüpelhaft.
Mama Krake bewahrt die Spermien in ihrem Körperinnern auf und befruchtet, wenn sie soweit ist, ihre Eier damit (innere Befruchtung). Mama Kalmar hingegen bewahrt das Sperma so auf, dass sie es erst bei der Eiablage dazu gibt (äußere Bedruchtung).
Kopffüßer legen große Mengen von Eiern ab, die sie entweder in Gebinden zusammenhalten oder irgendwo fest anheften.
Viele Krakinnen suchen einen geschützten Ort wie eine Höhle auf, dort bewachen sie ihre Eier. Die meisten Krakenarten legen nur einmal in ihrem Leben Eier, nach dem Brüten sterben sie.
Hier ist eine Große Pazifische Krakin mit ihrem Gelege zu sehen:
Nur bei der Tiefseevampirin ist mittlerweile nachgewiesen, dass sie mehrfach im Leben Eier ablegt.
Dieser Lebenszyklus dauert bei vielen Arten nur ein Jahr! Allerdings gab es in letzter Zeit Hinweise darauf, dass manche Arten, vor allem in der Tiefsee lebende Tiere, eine längere Lebensspanne haben, wie etwa der Tiefseevampir
Schließlich sind die kleinen Kraken in ihren Eihüllen herangewachsen und zappeln schon lebendig mit allen achten, über den Dottersack sind sie mit proteinreicher Nahrung versorgt. Nach dem Ende der Brut durchbrechen die Jungtiere die Eihülle und schwimmen ihres Weges.
Die Körper sind durchsichtig-opak, allerdings sind die Photophoren schon im Ei ausgebildet, wie dieses Video aus dem Aquarium von Seattle zeigt:
Kalmare leben im freien Wasser und brüten daher nicht in Höhlen. Über ihre Kinderstuben ist weniger bekannt. Allerdings sind schon weibliche Kalmare im offenen Meer vor Kameralinsen geschwommen, die in ihren Armen ihre Eigelege hüteten.
Der Biologe Brad Seibel war von dieser Beobachtung elektrisiert: Der Biologe hatte bei einem Tiefseeausflug im Jahr 2005 vor Monterey (Kalifornien) einen Kalmar entdeckt, der einen großen Eisack zwischen den Fangarmen hielt. Genau darauf hatte er gehofft – seine Theorie vom brütenden Gonatus onyx war bestätigt!
Ob Kraken oder Kalmare, die kleinen Tentakeltiere sind schon weitgehend ein Ebenbild ihrer Eltern, Kopffüßer durchlaufen nämlich keine Metamorphose (vollständige Verwandlung). Einige sehen sofort aus wie ihre Eltern, andere Arten haben eine im Plankton lebende Jugendform namens Paralarve.
Das durchscheinende Kopffüßerkind der Paralarvenform steigt nach dem Schlüpfen in die Masse des gelatinösen Planktons auf.
Dort schwebt es im Ozean umher und frisst unermüdlich. Aus gutem Grund: Je schneller es wächst, desto schneller wächst es aus dem Beuteschema von Planktonfressern heraus! Außerdem kann es dann aus eigenem Muskelantrieb kraftvoll schwimmen oder sich verbergen und sich so vielen Beutegreifern entziehen.
Nach dem Schlüpfen zehren die zauberhaften kleinen Tentakeltiere noch einige Tage von ihrem Dottersack, danach nehmen sie selbst die Jagd auf kleinere Planktonwesen auf.
Das voll ausgeprägte Kindchenschema der jungen Kopffüßer löst bei Menschen sofort Entzückensschreie aus: Der große Mantelsack wirkt wie ein Riesenkopf, dazu kommen große runde, scheinbar aufgerissen Augen und kurze Extremitäten – Krakenkinder sind ausgesprochen knuffig.
Hier sind Kalmar-Paralarven zu sehen, die noch im Ei Farbwechsel üben (Planet Earth Clips):
In Aquarien sind zwar mehrmals kleine Kraken geschlüpft, sie haben aber nur wenige Tage überlebt. Leider war es bislang unmöglich, sie zum Annahmen von Futter zu bewegen. Dabei haben die Aquarienwärter alles probiert, vor allem verschiedene Mini-Garnelen und andere planktische Krebse, die bei Fischen und anderen Meereswesen als Kindernahrung ausgezeichnete Ergebnisse erbringen.
Die am Meeresboden lebenden Kraken gelten eher als Einzelgänger, im Gegensatz zu den oft in Schwärmen lebenden Kalmaren. Aber es gibt Ausnahmen!
2018 erkundete das Tauchboot Alvin felsige Abhänge in 1.2 Meilen Tiefe, 150 Meilen vor der Küste Costa Ricas und traf dort auf eine Sensation: eine große Kraken-Kinderstube!
Hunderte von brütenden Muuscoctopus-Müttern saßen in der Tiefe dicht nebeneinander. Diese gemeinsame Brüterei gibt den Biologen viele Rätsel auf: “Those octopus shouldn’t be there,” meinte Janet Voight, eine Meeresbiologin des Field Museum in Chicago dazu. Schließlich ist dieses Areal wegen vulkanischer Aktivitäten viel zu warm und zu sauerstoffarm, um hier erfolgreich Octopus-Gelege aufzuziehen:
Text zum Video: “This is footage recorded with a robot named Jason and the human-occupied sub named Alvin over two research cruises to Dorado Outcrop – an underwater mountain located 200 km off the west coast of Costa Rica, 3 km down in the Pacific Ocean. Much of the seafloor is covered in sediment which water can’t pass through, but, somewhat counterintuitively at first, water can in fact flow through rock where it’s accessible. So places where the rocky seafloor is exposed or sticks up above the sediment, like Dorado, serve as conduits of fluid flow into and out of a subsurface ocean! Watch for places in the video where you can see shimmering water. This is due to warmer fluid actually coming out of the crust. The background temperatures here are around 2-4°C, whereas some of the venting fluids can be up to 10-15°C. This is enough of a difference to alter the refraction of light passing through the water resulting in the shimmering we see! And sure enough these areas with warm venting serve as oases for all kinds of life – even though it’s 300 times atmospheric pressure! It’s an incredible other world down there and I wanted to share some of it with more people :)”
“It was jaw-dropping,” erzählte Anne Hartwell, eine Biologin der University of Akron in Ohio, die schon einmal 2014 eine solche Ansammlung von Octomoms beschrieben hatte. Diese Ansammlung ist vor allem auch daraum interessant, als Muuscoctopus nicht nurals Einzelgänger, sondern sogar als Kannibale gilt (Hartwell, A. M., Voight, J. R., & Wheat, C. G. (2018). Clusters of deep-sea egg-brooding octopods associated with warm fluid discharge: An ill-fated fragment of a larger, discrete population?. Deep Sea Research Part I: Oceanographic Research Papers, 135, 1-8.)
Warum sich diese Tiere in solcher Menge an einer für sie so ungünstigen Stelle versammelt haben und auf ihre kannibalischen Seiten verzichtet haben, ist ein ungelöstet Rätsel.
Auch wenn der Werdegang junger Octopusse etwa des im Mittelmeer lebenden Octopus vulgaris mittlerweile etwas besser untersucht ist – schließlich geht es darum, diese wirtschaftlich bedeutende Art in Aquakulturen aufzuziehen – , gibt es zu den fernab der Küste und in der Tiefe der Meere lebenden Arten noch sehr viele Fragen.
Warum eine Tiergruppe einen solchen Aufwand betreibt, innerhalb eines Jahres zu teils beträchtlicher Größe heranzuwachsen und dabei ein so großes Gehirn und solch ein ausgefeilten Sozialverhalten auszubilden, um dann nach nur einem Jahr wieder zu sterben, ist auch immer noch ein Mysterium.
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