Auch der Ozeanograph Clark Richards bleibt sehr skeptisch, was die Erfolgsaussichten des Müllsammlers Wilson angehen.
Er bezweifelt, ob das Design des ozeanischen Müllsammlers den tatsächlichen Anforderungen im offenen Pazifik genügt:
Der große Meereswirbel (Gyre) rotiert zwar vorhersehbar wie eine Toilettenspüleng, so Richards gegenüber der Washington Post, aber zusätzlich gibt es zahlreiche kleinere Wirbel (Eddies), die er als Squirts und Jets bezeichnet. An der Meeresoberfläche findet also ein komplexer Tanz der Wellen statt, dem sei der Müllsammler „Wilson“ höchstwahrscheinlich nicht gewachsen.
In seinem Gastbeitrag “The (ocean) physics of The Ocean Cleanup’s System 001” auf dem DeepSeaNews-Blog beschreibt er diese komplexen Wasserbewegungen des Nordpazifiks detailliert.
Beim jetzigen Design des Müllsammlers ist das Plastik offenbar unter der Schürze hindurch oder daran vorbei getrieben worden.
Außerdem hat es keine ernsthafte Lösung für den Schutz der meisten der im Plastikwirbel lebenden Tiere gegeben: Slat behauptet, größere Tiere würden einfach unter dem Skirt hindurchtauchen.
Natürlich können starke Schwimmer wie Wale und große Fische theoretisch einer solchen Struktur ausweichen. Clark Richards bezweifelt allerdings, dass alle größeren Meerestiere dies können und auch wirklich tun würden, denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür.
Da kann ich ihm nur zustimmen, der Beifang in der Fischerei spricht leider dagegen: Nicht einmal die springfreudigen und –gewaltigen Delphine können eigenständig eine niedrige Barriere überwinden.
Die Myriaden von kleineren Tieren vor allem des Zooplanktons haben diese Möglichkeit schon gar nicht, denn sie sind keine aktiven Schwimmer und viel zu klein und schwach, um einer solchen Struktur gezielt und aktiv ausweichen zu können.
Dazu kommt, dass der Plastikmüll selbst mittlerweile zu einem Ökosystem geworden ist – eine Trennung der darauf festsitzenden Tiere vom Müll ist nahezu unmöglich.
Für beides hatte das „Ocean Clean-up“ keine Lösungen angeboten.
Unabhängig von den Änderungen, die Slat und die Projektgruppe jetzt unternehmen werden, wird sich schwerlich etwas an der strukturellen Fehlkonstruktion ändern lassen. Schließlich soll das grundsätzliche Design nicht verändert werden.
Dass die Kritik der Pazifik-erfahrenen Meereskundler Boyan Slat nicht behagt hat, ist verständlich. Ein so großes Projekt mal eben eigenständig aus dem Ärmel schütteln zu wollen, ohne die Kenntnisse und Erfahrungen einer ganzen Wissenschaftscommunity, die selbstverständlich auch ein riesengroßes Interesse am Kampf gegen den Plastikmüll hat, nicht abzurufen, grenzt für mich allerdings schon an Größenwahn.
Ein solch riesiges Problem kann nur mit gemeinsamer Kraft und Energie, mit Wissen und Begeisterung gemeistert werden.
Dass es hier mal wieder nicht möglich war, ein gemeinsames Projekt aufzustellen, sondern es bei einem Schnellschuss geblieben ist, ist im Kampf gegen das Meeresplastik-Problem leider wenig hilfreich.
Dieses Video zeigt noch einmal das Ausmass der schwimmenden Müllinsel:
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