In 2000 Metern Tiefe und 100 Kilometer vor der Küste Louisianas, im Golf von Mexiko, liegt ein Alligator.
Tiefseeökologen haben das tote Reptil dort versenkt, als ersten Alligator-Fall (Fall: von der Oberfläche auf den Meeresgrund gesunken großer Nahrungseintrag) der Welt. Sie wollen damit erforschen, was mit einem großen Reptil auf dem Boden der Tiefsee geschieht.
Präzise gesagt: Wer kommt wann zum Essen vorbei? Und wie lange dauert es, bis die ganze Echse aufgefressen ist? Welche Krebse, Würmer, Fische, Bakterien kommen in welchem Verwesungszustand dazu?
Der reptiloide Food Fall wird per Kamera regelmäßig beobachtet und dokumentiert.
Das Video ist kommentiert. Ergänzend ist anzumerken: Das gelatinöse schwebende Tier mit dem Flossenkragen bei 00:50 ist eine frei schwimmende Tiefsee-Seegurke .
Das Video zeigt, wie die tote Panzerechse in einem Käfig zum Meeresboden gebracht und dort per Roboter-Greifarm drapiert wird.
Die Tiefsee ist eine nahrungs- und nährstoffarme Wüste, ein solcher Berg Nahrung ist attraktiv für viele Tiefseebewohner.
In diesem Fall kamen nach nur 24 Stunden Überraschungsgäste: Riesen-Tiefsee-Asseln!
Zum Größenvergleich: Der Alligator ist etwa zwei Meter lang. Diese Krebse sind mindestens so groß wie ein Fußball, Prachtexemplare können bis über 45 Zentimeter Länge erreichen. Sie orten ihre Nahrung mit dem exzellenten Geruchssinn.
Auch die harmlosen kleinen Wald- und Keller-Asseln sind Krebse, darum mögen sie es ja gern feucht. Unsere an Land lebenden Asseln sind allerdings harmlose Pflanzenfresser. Im Meer erreichen diese Krebse mit den vielen gleichförmigen Beinen (daher ihr wissenschaftlicher Name: Isopoda) ganz andere Größen und sind Jäger bzw. Aasfresser. Mit scharfen Mundwerkzeugen können sie sich durch den Panzer des Krokodils fressen.
Nach zwei Monaten fehlte bereits die Hälfte des Alligators.
Und es bleibt spannend: Wer kommt noch zum Essen vorbei?
Vielleicht zieht der reptiloide Nahrungsberg ja sogar noch ein paar Zombie-Würmer an?
Quelle:
Deep Sea News: The Video of Giant Isopods Eating an Alligator in the Deep Sea You Must Watch!
Welche Forschungsfragen stehen hinter dem Alligator Fall?
Mit einem solchen dokumentierten Food Fall wollen die Tiefseeökologen mehr über Stoffkreisläufe der Tiefsee, wie den Kohlenstoffkreislauf (Carbon Cycle) herausfinden, über die immer noch wenig bekannt ist. Gleichzeitig ist ein solches aktuopaläontologisches Experiment natürlich auch für Paläontologen extrem interessant, die sich mit großen Echsen wie Ichthyosauriern, anderen Meeresechsen oder ins Meer geschwemmten Dinosauriern und Pterosauriern beschäftigen.
Mehr zu diesem speziellen Food Fall gibt es unter Meertext: Alligatoren in der Tiefsee.
Die häufigsten Food Falls sind vor der kalifonischen Küste Wale und Seelöwen, dann kommen große Haie und Rochen, an manchen Stellen sind auch Kalmare ein wichtiger Nährstoffeintrag.
Die submarine Freßparty setzt sich regional recht unterschiedlich zusammen: In der nördlichen Hemisphäre sind Zombie-Würmer der Gattung Osedax dominante submarine Aasfresser. In der Südhemisphäre fehlen sie offenbar, stattdessen gibt es dort extrem gefräßige kleine Krebse (Spitzname: Critter), wie der erste dokumentierte Food Fall des Südlichen Ozeans gezeigt hatte.
Solche Food Falls sind schon aus dem Erdmittelalter bekannt, es gibt fossile Nachweise für Zombie-Würmer von Meeresvogel-Skeletten.
Ob die Food Falls auch je nach verspeister Spezies ihre eigene Biodiversität entwickeln, wird sich nun zeigen.
Von diesem Experiment haben wir sicherlich nicht zum letzten Mal gehört.
Die Riesen-Tiefsee-Assel Bathynomus giganteus
Mehr Hintergrund-Informationen zu diesem Tiefsee-Bewohner gibt es auf Meertext: Die Tiefsee-Assel Bathynomus giganteus soll Nationales Tiefsee-Wappentier der USA werden.
Aus der Begründung für dieses Ansinnen des US-amerikanischen Tiefsee-Ökologen Andrew Thaler:
„(1) Die Tiefsee-Riesenassel ist ein charismatischer, ikonenhafter Bewohner der US – amerikanischen Tiefsee im Golf von Mexiko oder auch im Südatlantik.
(6) Die Tiefsee-Riesenassel repräsentiert mit ihrer Unabhängigkeit in einer Umwelt, die harte Anforderungen stellt, einen kraftvollen Überlebenskünstler und symbolisiert damit amerikanische Werte.
(8) Die Tiefsee-Riesenassel kann als Botschafter-Spezies für die Tiefsee-Ökosysteme in US-amerikanischen Gewässern dienen, und viele Menschen dazu animieren, mehr über diese so fremdartigen Ökosysteme zu lernen und sich für ihren Schutz einzusetzen.“
Nach meinen Informationen ist es bislang dazu (noch?) nicht gekommen.
Kommentare (16)