Bei 11 Tauchgängen filmten Hoving und seine Kollegen 64 „post-brooding squid”-Kadaver, dabei 36 bei einem einzigen Tauchgang. Die meisten toten Kalmare fanden sie in mehr als 1000 Metern Tiefe im Cerralvo Trough, einem tiefen Becken im südlichen Golf.
Damit haben die Biologen offenbar nicht nur den bisher größten bekannten Kalmar-Friedhof gefunden sondern den größten bisher bekannten natürlichen Food Fall von mittelgroßem Tiefseenekton!
Nekton ist die Gesamtheit der aktiv schwimmenden Meerestiere im freien Wasser, analog zum Plankton als den von Meeresströmungen verdrifteten Meeresbewohnern (Quallen, Salpen und viele mikroskopisch kleine Tiere) und dem Benthos, als den auf dem Meeresboden lebenden Organismen aller Größen.
Zu diesen benthischen Meereswesen gehören auch die Aasfresser, die oft zu Fuß oder bestenfalls mit kleinen Hopsern über dem Sediment immer dem Aasgeruch nach unterwegs sind. Höhere Geschwindigkeiten benötigen sie auch nicht, ihre Mahlzeiten können garantiert nicht mehr weglaufen.
Typische Vertreter der Tiefsee-Aasfresser (deep-sea scavenger) wie Schlangensterne (Ophiuroidea), Seegurken (Holothuroidea), Zehnfüßige Krebse (Decapoda), Seesterne (Asteroidea) und Eichelwürmer (Enteropneusta) waren auf den Kalmarleichen versammelt und benagten diese mit Zähnen, Mandibeln und anderen Mundwerkzeugen. Einige Tiefseefische schnappten sich auch größere Stücke.
Größere Tiere sind “foodfall”, besonders bekannt sind die spektakulären „whale falls“. Walkadaver mit ihrem massiven Knochengerüst können sicherlich Jahrzehnte lang eine Oase für hungrige Meerestiere bis hin zu Zombiewürmern bilden, so Hoving. „Aber über die mittelgroßen Tierkadaver wie Kalmare wissen wir bisher fast nichts.“ Sie können aufgrund ihrer geringen Größe und der fehlenden festen Bestandteile eine viel kürzer Existenz haben: „You have to get very lucky to see one—they likely get consumed within 24 hours.” erklärte Hoving gegenüber der Presse.
Es ist durchaus möglich, dass Funde von Kalmarleichen örtlich und zeitlich stark begrenzt sind und sie darum in der Tiefsee-Ökologie-Literatur bisher nur sehr vereinzelt als Beobachtung vermerkt sind.
Außerdem machten die Biologen noch eine weitere Beobachtung: An den toten Kalmaren knabberten gleich eine ganze Menge Aasfresser, nicht jedoch an den dunklen Eisäcken, die eher uninteressant zu sein schienen . Bereits vorher hatten einige Tintenfisch-Forscher vermutet, dass die Kalmare Tinte in ihren Brutsack injizieren, um die Eier für Bakterien und andere Zersetzer ungenießbar oder zumindest weniger attraktiv zu machen. Hoving und sein Team spekulieren nun auch, dass die leeren Eihäute viel später verschwinden werden als die gut verdaulichen Kalmarleichen.
Diese Beobachtungen des Tintenfisch-Friedhofs als reich gedeckte Tafel für andere Meerestiere hat also bedeutende Hinweise auf bisher noch unterforschte Proteinquellen in der Tiefsee gegeben. Die auf den Meeresboden gesunkenen Tierleichen sind Teil der “biological pump” – dem Prozeß, durch den Kohlenstoff von der Oberfläche in die Tiefen der Meere transportiert wird.
Anders als Fische, die in der Regel viele Jahre alt werden und sich mehrfach fortpflanzen, leben viele Kalmare nur ein Jahr lang und sterben nach ihrem ersten und einzigen Fortpflanzungszyklus. Wenn die Fortpflanzung jahreszeitlich synchronisiert ist, dürften eine ganze menge von ihnen gleichzeitig sterben und einen pltzlich und vorübergehenden ungeheuren saisonalen Nahrungsreichtum bedeuten: “In this case the squid may die almost simultaneously, so there may exist pulses of dead squid falling to the seafloor,” erklärt Hoving “This could have a big impact on the biological carbon pump.”
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