Schlüsselarten der kommerziellen Fischerei wie der pazifische Dorsch sind auf einem historischen Tiefststand, vielleicht muss die Dorsch-Fischerei 2020 komplett geschlossen werden.
Die erste extreme Hitzewelle 2014 hatte den Dorschbestand halbiert, danach schien er sich zu erholen. Da Dorsche erst mit über drei Jahren gefangen werden dürfen, ist erst verzögert deutlich geworden, wie stark das warme Wasser diesen wichtigen Speisefisch-Bestand verringert hat. Jetzt liegt der Bestand unterhalb der Menge, ab der er überhaupt befischt werden darf. Die Dorschfischerei im Golf von Alaska ist das erste Opfer des Klimawandels im Meer.
Die Fischereiaufsicht der USA ist sehr streng und hatte so am Ende des letzten Jahrhunderts dafür gesorgt, dass die meisten Fischbestände stabil waren. Mit dieser nachhaltigen Strategie waren sowohl die Nahrungsmittelversorgung aus heimischen Gewässern als auch die Jobs der Fischer langfristig gesichert. Aber gegen den Klimawandel hilft auch kein verantwortungsbewusstes nachhaltiges Fischereimanagement.
Das warme Wasser hat teilweise die Jungfische getötet und einen Teil der erwachsenen Fische zum Abwandern nach Norden bewegt. Bislang waren sie durch eine thermische Barriere im Beringmeer ansässig, diese Barriere hinderte sie am Abwandern. Mit dem „Warm Blob“ ist diese thermische Barriere zwischen zwei Wasserkörpern nun weggefallen, die Dorsche ziehen durch die Beringstraße nordwärts. Dort tauchen sie jetzt auf einmal in den Fallen für Königskrabben auf, während es dort kaum noch Krabben gibt. Für die Berufsfischer, die feste Quoten auf bestimmte Arten fischen dürfen, ist das eine Katastrophe.
Gleichzeitig beobachten Angler und Fischer vor Alaska, wie ungewöhnliche Arten auftauchen, die aus dem Süden einwandern. Solche ungewöhnlichen oder unbekannten Fische bringen die Fischer und Angler zu den NOAA-Ichthyologen in Dutch Harbor. James Orr und Thomas Piecuch zeigen Jeremy Wade einige besondere Exemplare:
Ein großer silbriger Fisch mit schlangenartig langem Körper, einer hoch aufragenden Segelflosse und reptilartigen Zähnen heisst im Englischen Lancetfish (Alepisaurus ferox), einen deutschen Namen gibt es nicht. Der schnelle Räuber mit dem silbrigen Seeschlangenleib lebt eigentlich eher in den Subtropen, in Alaska ist er eine ungewöhnliche Strandung.
Weiter erzählt James Orr, dass auch regelmäßig ganz neue Fische dabei sind, die er erst einmal wissenschaftlich beschrieben muss. Wie den quietschrosa Scheibenbauch – der im Englischen sehr treffend Snailfish heisst. Dieses Tier hatte er, wie auch noch zwei andere neue Scheibenbauch-Arten und eine Aalmutter, mit Worten aus der Sprache der aleutischen Ureinwohner benannt. Der orangerosa Scheibenbauch heisst Allocareproctus_unangas – unangas ist der aleutische Name für die Insel Atka.
Die NOAA-Biologen und -Ozeanographen sind aktuell sehr besorgt, denn es sieht so aus, als ob der Sommer 2020 eine erneute Hitzewelle im Meer bringen wird. Es könnte der Beginn einer dauerhaften Erwärmung des Nordpazifiks sein, mit einer dauerhaften Verschiebung der Ökosysteme – auch der Dorschbestände.
Der warme Blob – die Warmwasserblase im Nordpazifik
Seit 2015 berichte ich auf Meertext über Wal-Massenstrandungen im Pazifik – dabei sind die Wale natürlich nur die Zeigerarten, groß und öffentlichkeitswirksam
Buckelwale, Grauwale und andere Meeresgiganten sind unübersehbare Symbole für die tiefgreifenden Veränderungen im nordpazifischen Ökosystem. Natürlich sind auch andere Arten davon betroffen, so gab es 2017 Massenstrandungen von Salpen – die gallertigen Schläuche sehen aus wie Kondome und bilden als Kolonien riesige Feuerwalzen (Pyrosome).
(Genau das gleich passiert auch im Südpazifik, dort hatte El Nino die Meeresoberfläche ausgedehnt erwärmt, für große Giftalgenblüten gesorgt und neben verheerenden Ausfällen in den Lachszuchten Chiles auch dort für ein Wal-Massensterben gesorgt: über 300 tote Seiwale wurden an Chiles südlichen Küsten gezählt.)
Für sich genommen, ist jeder dieser Berichte ein Teil der natürlichen Schwankungen in den Ökosystemen. Setzt man diese ungewöhnlichen Massensterben und Strandungen aber in einen Gesamtkontext auch mit den ozeanographischen Daten, so ergibt sich das Bild einer anhaltenden Erwärmung des Nordpazifiks seit 2014/2015. Das würde die Ökosysteme langfristig verändern – wenn Arten ihre Lebensräume verschieben, gibt es oft erst einmal Probleme mit der Nahrungssgrundlage und ortsansässigen Konkurrenten. Ein erneutes Einpendeln der komplexen Nahrungsnetze kann viele Generationen dauern. Die langfristigen Auswirkungen auf die Fischbestände und die Fischerei sind zurzeit überhaupt noch nicht absehbar.
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