Die Wissenschaftler sind jetzt dabei, die Walkadaver zu untersuchen und Proben zu entnehmen. Bei der Nekropsie werden sie an der Dicke der Blubberschicht auch den Ernährungszustand der Wale überprüfen. Dann sind Gewebeproben wichtig, um mögliche Toxine nachzuweisen.
Ein so großes Tier kann man nicht einfach einsammeln und in ein Labor bringen, sondern muss es vor Ort, am Platz der Strandung „bearbeiten“. Die Untersuchung der Wale am Strand ist sehr schwierig: Die meisten Tiere liegen an schlecht zugänglichen felsigen Stränden.
Mit Gerätschaften zur Beprobung eines großen Wals über nasse Felsen zu klettern ist anstrengend und riskant. Messer mit großen Klingen und Skalpelle, Gefäße zur Aufnahme der Proben, Kanister mit Wasser und Konservierungsflüssigkeiten, Schriftstücke für das Protokoll und natürlich warme und wetterfeste Kleidung und 1001 andere Ding muss über glitschige Felsen geschleppt werden. Die Untersuchung eines gestrandeten Wals ist körperliche Schwerstarbeit. Das weiss ich aus eigener Erfahrung.
Dazu kommt: Die Kadaver sind im fortgeschrittenen Zustand der Verwesung. Das macht ihre Untersuchung nicht einfacher. Bis jetzt haben die Wissenschaftler erst einen Wal beproben können.
Giftalgen und Klimawandel
NOAA hatte vor der pazifischen Küste zwischen Kalifornien und Alaska ein um 4 – 6 °C höhere Wassertemperatur als in den vorangegangenen Jahren gemessen. Das warme Wasser hat zu einem erhöhten Algenwachstum geführt.
Einige Algen produzieren Giftstoffe. Die bekannteste Giftalge ist Pfiesteria, ein rötlicher Dinoflagellat.
https://www.spektrum.de/magazin/eine-giftalge-mit-vielen-tarnkappen/826041
Das massenhafte Auftreten von Pfiesteria verursacht die berüchtigte „Rote Flut“ („red tide“).
Der Warmwassereinbuch vor der Pazifikküste ist (noch) nicht automatisch ein Produkt des Klimawandels, solche Warm- oder Kaltwassereinbrüche kamen und kommen in marinen Ökosystemen auch ohne menschlichen Einfluss immer wieder vor.
Paläontologen erklären sogar fossile Walfriedhöfe mit solchen Giftalgenblüten: Der US-amerikanische Paläontologe Pyenson hatte 2011 einen 6 – 9 Millionen Jahre alten Walfriedhof in der Atacama-Wüste untersucht und vier übereinander abgelagerte und fossilisierte Massenstrandungen von großen Bartenwalen gefunden (meertext: “Cerro Ballena: Todesursache – die Rote Flut”).
Es ist allerdinsg zu erwarten, dass der Klimawandel langfristig zu höheren Wassertemperaturen führen wird und langfristig das Algenwachstum im Ozean begünstigt. Solche Red Tide-Events mit ihren Auswirkungen bis in die menschliche Nahrunsgkette werden dann wahrscheinlich häufiger auftreten.
Warum sind andere Todesursachen unwahrscheinlich?
Wale können aus sehr unterschiedlichen Gründen sterben und stranden.
Um die Todesursache finden zu können, müssen die Anzahl der Arten und Individuen, der Zeitraum, die äußeren Umstände und das Aussehen der Kadaver genau analysiert werden.
Die Strandung verschiedener Spezies über diesen Zeitraum hinweg spricht für eine äußere Ursache. Eine artspezifische Infektion einer Art oder einer Gruppe von Tieren ist auszuschließen.
Eine Ölpest kann man ausschließen, denn dann müssten noch viele andere Walarten und andere Meeresbewohner wie Seevögel betroffen sein.
Das gilt auch für andere anthropogen verursachte Vergiftungen.
Ein Marine-Manöver mit Sonareinsatz ist als Ursache ausgeschlossen: Sonar stört und tötet in erster Linie Zahnwale, vor allem Schnabelwale. Das ist hier nicht der Fall. Außerdem hatte in der fraglichen Zeit in dem Seegebiet kein Manöver stattgefunden.
Es gab keine Hinweise darauf, dass die Tiere durch Fischereiaktivitäten getötet wurden.
Bei den Walkadavern aus British Columbia wird ein Tier als „ship-strike“ genannt. Das bedeutet, dass der Wal eine Kollision mir einem Schiff hatte. Dabei besteht die Möglichkeit, dass das Schiff mit einem bereits tot treibenden Wal kollidiert ist. Dass all diese Wale aufgrund von Kollisionen mit Schiffen gestorben sind, ist ausgeschlossen.
In diesem Meeresabschnitt gibt es weder starken Schiffsverkehr noch derartige Fischereiaktivitäten.
Die Blüte von Giftalgen ist zurzeit aufgrund der Erfahrung die wahrscheinlichste Erklärung für den vielfachen Waltod.
Erst eine detaillierte Untersuchung der Kadaver, die toxikologische Analyse, die Analyse aller ökologischen und ozeanographischen Daten und aller anderen erreichbaren Informationen kann möglicherweise sichere Hinweise auf die Todesursache der Finn-, Buckel- und Grauwale und des Pottwals geben.
Nach Aussage der NOAA werden diese Arbeiten noch Monate dauern.
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