An dieser Stelle ist mir im Interview schlecht geworden – ich konnte mir ziemlich genau vorstellen, was weiter passieren würde. Auf der Basis der fossilen und rezenten Riffkorallen und ihres Sterbens konnte ich mir die Folgen ausmalen. Darum ist die Perm-Trias-Grenze und ihre aktuelle Relevanz ein anschaulicher Einstieg ins Climate Fiction-Thema.

Die Hürden unseres Verstands beim Begreifen abstrakter und furchteinflößender Fakten

Unser blauer Planet wird eine solche extreme Klimaveränderung wieder einmal überleben, wahrscheinlich wird auch die Menschheit dadurch nicht aussterben. Zurzeit verlagern sich die Lebensräume vieler Arten polwärts.
Aber welche Auswirkungen sind für unsere Zivilisation zu erwarten? Was bedeutet es für uns in der EU, wenn sich der Weizengürtel in die bisherigen Permafrost-Gebiete verlagert? Oder wenn der Meeresspiegel mehrere Meter steigt. Werden wir dann selbst zu Klimaflüchtlingen? Wie verlagern sich globale Industrie- und Machtzentren?

Als Wissenschaftsjournalistin stoße ich überall auf Folgen der globalen Krise. So ist etwa auch Covid 19 (Bild der Wissenschaft, Juni 2020: Der Ursprung der Pandemie) eine direkte Folge der Ökokrise und direkt auf die Lebensraumzerstörung mit dem Verlust von Biodiversität in den Tropen und Subtropen zurückzuführen.
Als Wissenschaftsjournalistin muss ich Fakten und Zusammenhänge sachlich kommunizieren, sonst würde mir Alarmismus vorgeworfen. Allerdings scheinen viele Menschen dann die Dringlichkeit nicht zu begreifen.
Vor diesem Problem stehen die WissenschaftlerInnen noch weitaus stärker, von ihnen wird absolute Sachlichkeit erwartet. So warnten sie seit Jahrzehnten vor dem Klimawandel und beschreiben stetig die sich verschärfende Klimakrise. Die globale Erwärmung schreitet voran, wie Messungen in der Atmosphäre und den Meeren, in Wäldern und im gar nicht mehr ewigen Eis klar zeigen. Extremwetterlagen nehmen überall zu, Dürren und Waldbrände, Stürme und Fluten. Längst geht es nicht mehr darum, ob, sondern nur noch, wie schnell die Veränderungen voranschreiten und was genau passieren wird. Da WissenschaftlerInnen ihre Ergebnisse eher zurückhaltend interpretieren, haben wir zurzeit bereits alle Szenarien zur Bremsung der Erderwärmung überrundet.

Trotz der zunehmenden Gefahren passiert immer noch zu wenig, um der Klimakrise effektiv zu begegnen. Ein Teil des Problems ist, dass viele Menschen Fakten nicht als solche verstehen.
Schließlich ist es einfacher, unbequeme Fakten auszublenden. Wen interessiert schon ein totes Korallenriff oder ein brennender Wald außerhalb der eigenen Umgebung?

SchrifstellerInnen haben die Gabe, aus solchen abstrakten Fakten emotional berührende Geschichten zu machen, in denen es nicht mehr um Korallen, Bäume, Eisbären oder Koala-Bären geht, sondern um menschliche Schicksale. Oder im größeren Maßstab sogar um menschliche Gesellschaften.
Eine Steilvorlage für Dystopien wie The Day after tomorrow oder Mad Max.
Eine Dystopie ist zwar an Dramatik kaum zu überbieten, hat aber eine so zerstörerische Intention, dass sie von den meisten Menschen als unwirklich abgetan werden dürfte. Die Vorstellung, dass eine solche Dystopie einen Zusammenhang mit dem eigenen Leben haben oder bekommen könnte, wäre zu verstörend.

Eine Reihe von SF- und Cli Fi-AutorInnen sehen die derzeit hoch problematische Situation und möchten ihr Können zur Lösung der Klimakrise beitragen. So schreiben sie Geschichten vom Auf- und Umbruch und schicken ihre Helden in Klimakrisen-Szenarien in der Gegenwart oder nahen Zukunft.

Fortsetzung:

Teil 2: #Climate Fiction – Die Story des nächsten Jahrhunderts

Teil 3: #ClimateFiction – Die Stadt als Keimzentrum neuer Ideen

Teil 4: #ClimateFiction: #Solar Punk – die Dystopie ist abgesagt 

Teil 5: #ClimateFiction: #ElsterCon2020 – Fahrenheit 145: Science Fiction, Klimakrise und Gesellschaft

 

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Kommentare (10)

  1. #1 DH
    2. Oktober 2020

    Interessant.
    “Fakten”
    werden schon überwiegend verstanden, eher sind sie nicht bekannt bei Vielen, weil Viele grundsätzlich alles ausblenden, was sie nicht hören wollen.
    Die Faktenleugner sind dabei gar nicht so das Problem, sie interessieren sich immerhin fürs Thema und tragen bei zur ordentlichen Aufstellung der Klimaforschung, durch stete Herausforderung derselben.
    “Klima hat irgendwas mit CO2 zu tun” (Donald Trump) Es geschehen noch Zeichen und Wunder…

    Danke, daß oben auf die Umweltzerstörung und, daraus folgend, Covid19 hingewiesen wird, das geschieht zu selten.
    Beides, Umgang mit Pandemien und mit Umweltzerstörung, geht nicht ohne Systemkritik, an der es aber weitgehend fehlt, allgemein, aber auch in erheblichen Teilen der Wissenschaft.

  2. #2 Bettina Wurche
    3. Oktober 2020

    @DH: Die Systemkritik steht im IPCC-Bericht, prominenter können auch WissenschaftlerInnen das nicht platzieren. Ansonsten hat der Ruf nach einem Systemwandel etwa in einer naturwissenschaftlichen Forschungsarbeit eher nichts zu suchen, da es an der Stelle als unsachlich gelten würde. Es wird eher mal in längeren Interviews gesagt bzw. geschrieben. Das ist einer der Punkte, wo Climate Fiction den größeren Erzählbogen nutzen und Schlußfolgerungen ziehen kann. Das sollte in den nächsten drei Teilen noch besser rauskommen.
    Ich halte Faktenleugnung für sehr gefährlich, denn so wird eine Parallewelt geschaffen. Das Leugnen der Klimakrise durch Rechtspopulisten hat etwa am Amazonas zu einer katastrophalen Brandrodung geführt, indigene Völker um ihre Lebensgrundlage gebracht (das dürfte schon auf dem Level des Genozids sein) und dürfte Auswirkungen auf das globale Klima haben. Genau diese Biodiversitätsverluste in tropischen und subtropischen Zonen führen zum Aufstieg neuer Pandemien, wie etwa mehrere neuer SARS und MERS-Viren. SARS-CoV-2 war jetzt nur das erst mit größerer Durchschlagskraft. Das war von Virologen nach der ersten SARS-Welle schon 2003 angekündigt worden.
    Ich kann hier gern mal mehr dazu schreiben.

  3. #3 DH
    3. Oktober 2020

    @Bettina Wurche
    Ich will nicht sagen, daß es in der Wissenschaft nicht auch systemkritische Teile gibt, da wo es die (richtige) Sachlichkeit zuläßt.
    Aber die W. insgesamt wurde auch ökonomisiert, Stichwort (bei uns) Bolognaprozeß, und sie tritt in Teilen als starker Verfechter der Idenditätspolitik auf, was beides sehr systemaffin ist, um es vorsichtig zu formulieren.
    Stimme Ihnen zu, die Folgen der Klimaleugneungspolitik sind fatal, aber haben sie die Prozesse nicht nur einfach beschleunigt, wäre es ohne Trump und Bolsonaro so viel besser?
    Vielleicht haben beide unfreiwillig sogar beigetragen zu einer Beschleunigung des Problembewußtseins, immerhin ist es jetzt viel offensichtlicher, was schon lange passiert. Schocktherapie von rechts, wenn man so will.
    “Ich kann hier gern mal mehr dazu schreiben.”
    Kann nur für mich sprechen, aber immer her damit.

  4. #4 Bettina Wurche
    5. Oktober 2020

    @DH: Inwiefern tritt Wissenschaft als Verfechterin der Identitätspolitik auf?
    Ja, ich denke schon, dass ohne Bolsonaro, Trump u. a. Rechtspopulisten vieles besser wäre. Die Polarisierung durch solche Personen macht die Zivilgesellschaft zurzeit nahezu handlungsunfähig, statt echte Probleme zu lösen müssen wir uns gerade wieder um basale Fragen der Rechtsstaatlichkeit kümmern, etwa, ob Frauen, PoCs oder nicht Heterosexuelle gleichberechtigte BürgerInnen sind. Oder ob man bei einer Pandemie Prävention zur Vermeidung von Ansteckungen nutzt. Nein, Corona hätte als Schocktherapie absolut ausgereicht.
    Das Thema Biodiversität und Pandemien steht dann auf meiner Liste.

  5. #5 DH
    6. Oktober 2020

    @Bettina Wurche
    Hab erst vor einigen Monaten einen Vortrag in “campus”, gehört, wissenschaftliche Sendung mit (eigentlich guten) Kurzvorträgen, wo einmal mehr die Mär vom rezessiven männlichen Chromosom repetiert wurde, nebenbei bemerkt, ein pseudowissenschaftliches und sozialdarwinistisches Konzept.
    Universitäre Umfelder sind teils fanatische und intolerante Verfechter der Idenditätspolitik, bis hin zur Militanz.
    Gleichstellung der genannten Menschen haben wir längst, die heutigen Forderungen dienen der Bevorzugung, nicht der Emanzipation, mit Ausnahmen wie dem Rassismus gegen Schwarze in den USA.
    Darüberhinaus sind es gerade die selbsternannten Vertreter dieser Gruppen, die ganz offen hetzen gegen “alte weiße Männer”, also gegen eine ausgewiesene Minderheit.
    Rechtsstaatlichkeit wird vor allem von Vertretern der ID-Politik attackiert, die Rechtspopulisten sind dabei nur die logische Folge und machen dann dassselbe auf ihre Art.
    Polarisierung kann durchaus heilsam wirken, ich habe sogar den Verdacht, daß sie der Vorbote großer Veränderungsschübe sind, vielleicht ist Polarisierung sogar deren Voraussetzung.
    Sowas hatten wir schon in den 60ern, die zunächst ein Jahrzehnt der radikalen Rechten waren.
    “Das Thema Biodiversität und Pandemien steht dann auf meiner Liste.”
    Bin gespannt.

  6. #6 Bettina Wurche
    7. Oktober 2020

    @DH: Da ich den Vortrag nicht gehört habe, kann ich dazu nichts sagen.
    Mit Begriffen wie “Identitätspolitik” und “alte weiße Männer” sind wir natürlich voll drin im ideologisch vorbelasteten gesellschaftspolitischen Nahkampf, in dem sich sich Gruppierungen, denen man Identitätspolitik vorwirft, mit solchen aus “alten weißen Männern” unerbittlich gegenüberstehen.
    “Alte weiße Männer” trifft den Sachverhalt tatsächlich nicht gut, ist das konservativ bis reaktionäre Beharren auf den Privilegien doch altersübergreifend, außerdem gibt es auch weibliche Vertreter. Ideale Verteter sind rückwärts gewandte Typen, die auch angesichts der Klimakrise gern auf ihrem Privileg der freien Fahrt für freie Bürger und einem täglichen Steak beharren und das genüßlich zelebrieren und sich ihre Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen schön reden. Etwa, dass sie wertkonservativ seien oder die bürgerliche Mitte präsentieren. Auf der anderen Seite der Front stehen Personenkreise, denen Identitätspolitik vorgeworfen wird. Sie verteten nur Partikularinteressen einzelner Gruppen: Frauen, Homosexuelle oder Menschen mit Migrationshintergrund. Dass diese Zuordnung ebenso blödsinnig ist wie die der “alten weißen Männer”, ist bereits daran zu erkennen, dass Frauen eigentlich ja keine Minorität sind, sondern ungefähr die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Gemeint sind wahrscheinlich Frauen, die sich lauthals über etwas aufregen, was die Gruppierung der “alten weißen Männer” gern so behalten möchte.
    “Medienbeiträge, die partikulare Identitäten ernsthaft als entscheidendes Merkmal eines Menschen beschreiben, finde ich nur im rechten Spektrum.” schreibt Houssam Hamade im Deutschlandfunk – seinen Text dazu finde ich interessant
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/kulturelle-anerkennung-warum-linke-und-rechte.1005.de.html?dram:article_id=473709

    Darum bin ich mit solchen Begrifflichkeiten sehr vorsichtig, sie sind zu oft unzutreffend oder/und ideologisch vorbelastet.
    Falls die obige Definition zutreffen sollte, fordern Identitätspolitik-AnhängerInnen Rechtsstaatlichkeit und zwar aus verdammt guten Gründen: Viele internationale Vereinbarungen zum Schutz und zur Gleichberechtigung von Frauen und Minoritäten werden gerade von Rechtspopulisten angegriffen. Rechtspopulistisch dominierte Staaten lösen gerade Verträge wie die Istanbul-Konvention und andere Vereinbarungen. Dafür schreien sie sehr laut und fordern für sich vorgeblich gleiche Rechte und Meinungsfreiheit ein. De facto geht es um das Mundtotmachen aufmüpfiger Geister, die liberal, intellektuell, weiblich/verweiblicht, unmännlich, hysterisch, panisch sind. Schließlich ist für Rechte “Eine dekadente, verweichlichte, unmännliche, hysterische, panische, angstvolle, verweiblichte Gesellschaft […] das Problem.” wie Natascha Strobl es gerade schön formuliert hatte. Dazu gehören auch Corona-Prävention und Klimaschutz (Natascha hatte über Prävention geschrieben – die AfD hat gerade im Bundestag genau das wieder schön vorgeführt)
    Sie hatte ihren Thread getwittert, der ist leider nicht frei zugänglich:
    https://twitter.com/Natascha_Strobl/status/1247191849422458880

    Ich sehe die Polarisierung eher destruktiv, wie im US-Wahlkampf derzeit ja perfekt zu sehen ist. Trump hat keinen konstruktiven Plan, er zerstört und wütet blindlings dahin. Seine Präsidentschaft steht nicht FÜR etwas, sondern dass er andere damit dominiert hat um des Dominierens willen.
    Das zeigen ja auch die AfD und andere Rechtspopulisten sehr deutlich:
    “Auf unzähligen Online-Plattformen und in Foren wird etwa gegen Muslime, Politiker, Journalisten, Juden und Frauen gehetzt. Rechtsradikale User sehen sich gleichzeitig als entmachtete Individuen, die sich gegen eine alles kontrollierende Elite zur Wehr setzen.”
    https://www.arte.tv/de/articles/der-naehrboden-fuer-hass

  7. #7 DH
    8. Oktober 2020

    @Bettina Wurche
    Danke für die sachliche Antwort.
    Eintreten für gleiche Rechte ist in der Tat nicht automatisch Idenditätspolitik (IDP). Innerhalb, oder über dieses Spektrum hinaus hat sich aber ein politisches Milieu entwickelt, daß daraus etwas Einseitiges macht, mit Tendenz ins Faschstoide.
    ““Medienbeiträge, die partikulare Identitäten ernsthaft als entscheidendes Merkmal eines Menschen beschreiben, finde ich nur im rechten Spektrum.”
    Sehe ich anders, in verdeckter und häufiger Weise gibt es die auch im ID-Spektrum. Auch Hamade unterschätzt dieses Problem, geht nur von persönlichen Erfahrungen aus und denkt, typisch IDP, daß nur bestimmte Gruppen diskriminiert werden können. Das ist selektionistisch und auch nicht links.
    Es gibt sehr wohl linke Intoleranz, der Denkfehler ist eher, daß IDP nur links sein soll.
    Ich würde sie eher quer durch den ganzen Garten sehen, anteilig, und dann auch auf der rechten Seite, auf deren Art. Es gibt auch sowas wie eine rechte politische Korrektheit, die nicht minder intolerant ist, die Inhalte haben Sie bereits treffend beschrieben.
    Ich bin vorsichtig optimistisch, die RP zwingen die Progressiven gerade, sich besser aufzustellen oder unterzugehen, und, sorry, das war dringend nötig.
    “Privileg der freien Fahrt für freie Bürger ”
    Zustimmung, selbst Lindner haut in diese Kerbe, auch Liberale und Konservative stecken in der Krise.

  8. […] Climate Fiction, die sich mit zeitnahen Settings des Lebens in der Klimakrise beschäftigt (über Climate Fiction hatte ich hier ja umfassend berichtet). Damit bietet die SF die Möglichkeit, gegenwärtige Entwicklungen […]

  9. […] Klimakrise, Solarpunk als fröhliche Absage an die Dystopie, FahrradheldInnen und KSR hatte ich in dieser Artikelreihe näher […]

  10. […] mein Vortrag 2020 auf der letzten ElsterCon noch Climate Fiction allgemein vorgestellt, mit einem Exkurs zum Solarpunk und natürlich auch der Erwähnung von KSR, […]