Screenshot_2020-10-28 Darren Naish auf Twitter

Schließlich berief der Präsident der Fischerei der Universität Tokio nicht nur ein sondern sogar zwei Symposien ein, um die unbekannten Überreste zu identifizieren.

Auch wenn ein riesiger Hai wegen der Form den meisten Experten als plausibelste Erklärung galt, gab es aufgrund der Faserstruktur Zweifel. Einige japanische Wissenschaftler verfolgten dann ernsthaft die Plesiosaurus-Erklärung.

Schließlich brachte die sorgfältige Arbeit von S. Kimura und seinem Team die Aufklärung: Umfassende Analysen mit dem Rasterelektronenmikroskop, Gaschromatographe und anderen Geräten ergaben sowohl wichtige Übereinstimmungen mit den spezifischen Kollagenfasern von Haien als auch Abweichungen: Die hornigen Fasern des Blobs waren kleine nadelartige Strukturen mit einem transluzenten-bräunlichen Farbton. Absolut charakteristisch für das Bindegewebe von Haiflossen! Allerdings waren sie zu kurz. Auch die Analysen der Aminosäuren-Zusammensetzung des faserigen Gewebes zeigten große Übereinstimmungen mit den Proteinen der Haie, allerdings fehlten einige Aminosäuren. Wie war das zu erklären?

Kimura und seine Kollegen begannen zu experimentieren. Da sie es mit einem stark verwesten Gewebe zu tun hatten, versuchten sie, frisches Gewebe mit Bleiche aufzukochen und so künstlich zu altern. Und bei der Untersuchung des künstlich gealterten Gewebes fanden sie heraus: Durch die Verwesung waren nicht nur die Fasern geschrumpft, sondern auch einige der Hai-typischen Aminosäuren verschwunden.
Das unidentifizierbare Globster war also der Rest eines großen Hais! (Kimura S, Fujii K, and others. The morphology and chemical composition of the horny fiber from an unidentified creature captured off the coast of New Zealand. In CPC 1978, pp 67-74 (Mehr dazu auch auf talkorigins).

Die Haare und Mähnen der Meeresmonster

Die meisten dieser Globster und Blobs haben angeblich Haare, Mähnen oder Filamente, die an Angelgarne erinnern. Das ist auf den ersten Blick irritierend. Natürlich gibt es flauschige Meerestiere wie Meerotter oder Pelzrobben. Aber Wale, Haie und Fische sowie Tintenfische, als die sich die meisten Blobs herausstellen, haben kein Fell!

Dabei ist die Erklärung sehr einfach: Der Wal ist in einem fortgeschrittenen Zustand der Verwesung.
Meeressäuger verrotten auf eine ganz eigene Weise, da ihre Gewebe anders strukturiert sind, als die von Landsäugern. Dazu kommt, dass Verwesungsprozesse im und am Wasser oft ganz anders verlaufen als an Land.
Gewebe verwesen und reißen, die verschiedenen Schichten lösen sich voneinander. Die Strömung reißt den sich auflösenden Körper weiter auseinander. Durch solche Auflösungserscheinungen zerfällt ein toter Meeresriese nach und nach, außerdem knabbern ihn viele hungrige andere Meerestiere an. So löst sich die äußere Form auf.

Gerade bei Walen lösen sich die oberen Gewebsschichten vollständig ab und werden weggeschwemmt. So ist ihre so charakteristische glatte Haut nicht mehr vorhanden. Die darunter liegenden Schichten aus Bindegewebe enthalten bei Walen extrem starke und recht große Bindegewebsfasern aus Collagen. Die Schichten mit den Collagenfasern liegen übereinander, ihre Laufrichtung ist versetzt. Wenn nun der Bindegewebsverband durch Verwesung aufgelöst wird, bleiben die zähen, widerstandsfähigen Collagenfasern länger erhalten als andere Gewebsstrukturen. Das Gewebe sieht zerfranst aus und erscheint eher wie Fell. Da die pigmentierte obersten Hautschichten fehlen, sieht solch ein Kadaver oft milchig-durchscheinend aus.

Da in den meisten Regionen Walkadaver wegen des strengen Eigengeruchs schnell vom Strand geräumt oder von Wissenschaftlern für ihre Sammlungen beschlagnahmt werden, sehen nur wenige Leute so etwas jemals mit eigenen Augen.

Die Entmystifizierung der Meeresmonster

Aktuelle Meldungen werden immer schnell ent-blobt, weil irgendein Experte die amorphen Spülsaumfunde schnell als Reste eines extrem vergammelten Wals, Tintenfischs, Hais oder eines anderen Meeresbewohners einordnet.
Mit dem Einzug der Smartphones hat jeder Fischer eine Kamera zur Hand, und kann so jeden ungewöhnlichen Fall dokumentieren. In Zeiten des Worldwideweb reisen Informationen und Photographien schnell um die Welt und erreichen, auch wenn sie aus entlegenen Regionen stammen, schnell Experten. So wird in der Informationsgesellschaft binnen Stunden oder Tagen nahezu jedes Geheimnis gelüftet. Bei den meisten Blobs reicht die genaue Betrachtung des Bildes, bei anderen führt erst eine körperliche Untersuchung und eine Probenanalyse auf ihre Gewebestruktur und DNA zur Entschleierung der wahren Blob-Identität.
Nur bei sehr wenigen Blobs und Globstern konnte die Identität nicht gelüftet werden – das lag dann allerdings daran, dass es an der Gelegenheit einer Untersuchung durch Experten fehlte.

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Kommentare (6)

  1. #1 Aginor
    29. Oktober 2020

    Danke für den Artikel!

    Fällt wieder ein bisschen in die Kategorie “Thanks, I hate it”, perfekt zu Halloween weil bissl eklig, aber das ist Biologie eben nunmal häufig. Eklig aber interessant.

    Denke z.B. auch gerne an einen Vortrag zurück, den mal ein Biologe über irgendwelche koprophagen Käfer gehalten hat, die Schafskot toll finden und daher bevorzugt dort ihre Eier ablegen.
    Oder an den Artikel über die abgefahrene Laus, die die Zunge eines Fischs auffrisst und ihre Stelle einnimmt. Nightmare fuel.
    😀

    Bei Walkadavern am Strand hoffe ich nur immer, dass nicht wieder jemand auf die stupide Idee kommt den Kadaver zu sprengen (wie die Typen in Oregon 1970). 😀

    Gruß
    Aginor

  2. #2 RPGNo1
    29. Oktober 2020

    Das gruseligste an dem Film war wohl der evangelikale Filmemacher, der mit dem Blob vor Kommunismus warnen wollte.

    ABER: Mit diesem Film hat die Karriere des unvergesslichen Steve McQueen erst den richtigen Push erhalten. Sie brachte ihm nämlich eine Rolle in der Fernsehserie “Wanted: Dead or Alive” ein, die ihm einem breiteren Publikum bekannt machte.

    https://www.metv.com/stories/steve-mcqueen-s-performance-in-the-blob-got-him-his-role-in-wanted-dead-or-alive

    So kann aus etwas Schlechtem aus etwas Gutes entstehen. :

  3. #3 Dampier
    http://dampierblog.de/
    29. Oktober 2020

    Danke für den Hinweis auf das Netzwerk für Kryptozoologie! Das war mir bisher entgangen. Ich hab gleich mal den RSS-feed abonniert und das Jahrbuch auf meine Liste gesetzt!

    Vereinzelte Berichte sind älter – so wurden 1648 im mexikanischen St. Maria del Mar unidentifizierbare Überreste einer Meereskreatur angeschwemmt.

    Das interessiert mich besonders, hast du da eine Quelle für mich? (Zufällig versuche ich gerade, diverse Santa Marias aus der Zeit und der Region (Mittelamerika) ihren obskuren Quellen zuzuordnen und auseinanderzuhalten. Mein erster Gedanke war “oh nein, nicht noch ein Santa Maria!”)

    Unter historischen Seeungeheuer-Darstellungen auf Seekarten oder Gemälden fehlt diese amorphe Monsterkategorie allerdings – wahrscheinlich war sie zu diffus.

    Kennst Du “Seeungeheuer und Monsterfische – Sagenhafte Kreaturen auf alten Karten” von Chet van Duzen? Ein schöner Bildband und gleichzeitig ein gutes Nachschlagewerk zum Thema. Da hab ich eben mal geschaut, und auch keinen Blob gefunden. Die Darstellungen auf alten Karten sind ja nie aus erster Hand, und ich könnte mir vorstellen, dass ein eventueller amorpher Blob schon von Interpretationen überformt ist, wenn er die Feder des Kartographen erreicht.

  4. #4 Bettina Wurche
    29. Oktober 2020

    @Aginor: Och, das ist ja ein erheblicher Teil der Biologie. In den Planktonproben waren auch oft solche Partikel, die wurden als Indet. (Indeterminierbar) bezeichnet oder als Schlonz. Dabei war es der allgegenwärtige Meeresschnee. Solche Blobs sind halt einfach etwas größere amorphe Teile. Ich glaube, dass in den letzten Jahrzehnten niemand mehr versucht hat, einen Wal zu sprengen – die Videos davon sind mittlerweile einfach zu bekannt.
    Koprophage Käfer sind gar nicht selten, das sind doch die ganzen Scarabaeidae. Ein einziger Kuhfladen ist sogar ein ganzer Lebensraum. Gerade Dung von Pflanzenfresser ist ja letztendlich nur weiterverarbeitete Pflanzenmaterie.
    Über den Zungenparasiten hatte ich mal geschrieben… Und dann war da noch die Hirnauslutsch-Amöbe vor San Franciso
    Parasiten finde ich wirklich gruselig, die sind so ausgebufft.

  5. #5 Bettina Wurche
    29. Oktober 2020

    @dampier: Im Ellis habe ich es zumindest unter “Blobs” nicht gefunden, in die anderen Kategorien passt es nicht.
    “Unidentified carcass from Santa Maria del Mar, Oaxaca, Mexico (1648)” findet sich so in diversen Einträgen:
    Ich hatte es auf Wikipedia ohne weiter Quelle gefunden, jetzt nur noch im Archiv:
    https://www.youtubez.com/index.php?q=aHR0cDovL3dlYi5hcmNoaXZlLm9yZy93ZWIvMjAxMTA5MTgwNTM1NDMvaHR0cDovL2VuLndpa2lwZWRpYS5vcmcvd2lraS9HbG9ic3Rlcg
    https://itsmth.fandom.com/wiki/Globster
    https://hauntedauckland.com/site/globster
    Exakt der gleiche Wortlaut, ohne weitere Quelle.
    Vielleicht könnte man im Spanischen fündig werden?

    Seeungeheuer und Monsterfische – Sagenhafte Kreaturen auf alten Karten” von Chet van Duzen habe ich hier natürlich liegen : )
    Ja, die Mönsterchen sind sich immer wieder überraschend ähnlich. Wenn ich mich recht entsinne, hatte Gessner sie als erstes katalogisiert, in seinem Fischebuch sind auch viele der Monster.

  6. #6 Dampier
    29. Oktober 2020

    Danke @Bettina, für die Hinweise! Da werde ich bei Gelegenheit mal nach suchen (auch im Spanischen).