Warum T068A das Neugeborene von T046B gezielt getötet hat, könnte damit zusammenhängen, dass er sich mit dem Weibchen paaren will. Von anderen Säugetieren ist bekannt, dass Männchen in dem Fall gezielt den Nachwuchs ihrer Auserwählten töten – auch bei Delphinen. Mittlerweile ist diese Form der Kindstötung von mehreren Populationen Großer Tümmler etwa vor England und Australien bekannt. Da das tote Kalb nicht geborgen werden konnte und es keine Biopsie-Daten von T068A gibt, kann nicht sicher gesagt werden, ob T068A der Vater war – aller Wahrscheinlichkeit nach allerdings ist er es nicht. Säugetiermännchen töten normalerweise nicht den eigenen Nachwuchs, sondern nur den anderer Männchen.
Der Infantizid bewirkt in der Regel, dass das Muttertier schneller wieder empfängnisbereit wird.

Jared B. Towers, Paul Spong, John Ford und die anderen Autoren dieser Publikation betonen, dass dieser Infantizid nicht einfach zu erklären ist und sehr viele Fragen aufgeworfen hat, die zurzeit nicht zu beantworten sind. Selbst solche Veteranen wie Ford und Spong haben so etwas noch nicht gesehen.
Interessant wäre, abzuwarten, ob und falls ja, wann, T068A sich mit T046B paaren wird. Um die Vaterschaft von T046Bs nächsten Kalb zu bestimmen, müssten allerdings Biopsie-Proben vorliegen.

Hier ist ein Video der Beobachtung (National Geographic):

Quellen:

Towers, J.R., Hallé, M.J., Symonds, H.K. et al. Infanticide in a mammal-eating killer whale population. Sci Rep 8, 4366 (2018). https://doi.org/10.1038/s41598-018-22714-x

https://www.nationalgeographic.com/news/2018/03/orca-killer-whale-infanticide-calf-video-canada-spd/

PS: Wichtige Anmerkung:
Vor Gibraltar und später auch weiter nördlich hatten Orcas kürzlich Yachten attackiert, ich hatte darüber berichtet. Dazu gibt es noch keine wissenschaftlichen Ergebnisse, ich bleibe an dem Thema ´dran.
Bisher gibt es keinen belegten Fall, dass Orcas im Freiland gezielt Menschen angegriffen hätten. Auch wenn sie dazu in der Lage wären.

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Kommentare (4)

  1. #1 RPGNo1
    4. November 2020

    Dass landlebende männliche Raubtiere Jungen töten, damit deren Mütter wieder schneller empfängnisbereit sind, war mit bekannt. Aber dass Zahnwalen ein ähnliches Verhalten zeigen, lese ich zum 1. Mal. Faszinierend.

    And now something completely different:
    Eine tote ca. 2 m große Lederschildkröte wurde an die dänische Nordseeküste gespült. Ich frage mich, wie es das Tier von den warmen Subtropen/Tropen an diese kühlen Gestade geschafft hat.

    https://www.spiegel.de/panorama/daenemark-kindergartenkinder-finden-riesenschildkroete-a-7f728082-99cd-436d-91af-cf4ad9efbdde

  2. #2 Bettina Wurche
    4. November 2020

    @RPGNo1: Bei Orcas war das definitiv überraschend. Ich habe 1000 Fragen dazu, auch, warum die Gruppe von T068A nicht eingegriffen hat.
    Lederschildkröten sind extrem groß, haben viel Masse und eine dicke Fettschicht – ihre Körpertemperatur können sie so deutlich über der wassertemperatur halten. Mit dem warmen Golfstrom gelangen sie bis nach Schottland, selten auch in Nord- und Ostsee bis nach Skandinavien. Die Lederschildkröte Marlene im Meeresmuseum strandete an – ich glaube – der Darßer Schwelle. Wenn ich mich recht entsinne, sorgte sie auch mit für die Neuausrichtung des damaligen Naturkundemuseums zum Meeresmuseum.

  3. #3 RPGNo1
    4. November 2020

    @Bettina Wurche

    Danke für die Informationen zur Lederschildkröte

  4. #4 Bettina Wurche
    4. November 2020

    @RPGNo1: Gern : ) In einem “Meer und Museum” ist die Geschichte der Lederschildkröte erzählt, ich schaue mal, ob ich das Heft finde. Online habe ich die Story leider nicht gefunden.