Aus diesem Grund geht von Wildtiermärkten oder Zuchtfarmen eine große Gefährdung aus: Auf Pelzzuchtfarmen oder in Hühner-Legebatterien leben Tiere eng zusammengepfercht in zu kleinen Käfigen. Auf Wildtiermärkten werden lebende und tote Tiere verschiedener auf engem Raum angeboten, ebenfalls oft in zu kleinen Käfigen. Die Käfighaltung macht sie krank, sorgt für Verletzungen und setzen sie unter dauerhaften Streß, zusätzlich verletzten sie sich oft noch gegenseitig. Gestresste Tiere scheiden mehr Krankheitskeime aus, aufgrund der schlechten hygienischen Zustände geraten sie in Kontakt mit Kot, Urin, Schweiß und Blut. Vorhandene Erreger verbreiten sich in Beständen und springen auf anderen Arten über – auch auf Menschen.
Der gerade jetzt erfolgte SARS-Ausbruch auf dänischen Nerzfarmen mit einer mutierten Covid19-Variante zeigt, dass Massentierhaltung global eine Gefährdung ist. Entgegen ersten etwas hysterischen Meldungen soll diese Mutante aber für die menschliche Gesundheit keine besondere Gefahr darstellen. Viren mutieren ständig, gerade beim Überspringen von Artgrenzen richten sie sich im neuen Wirt mit günstigen Mutationen ein.
Biodiversitätsverlust und aufkommende Infektionskrankheiten (EIDs)
Der Begriff „Biodiversität“ bezeichnet die Vielfalt der Arten, der Lebensräume und der Genome – die Biodiversität nimmt zum Äquator hin stetig zu – wie bereits bei den Fledermäusen vorgestellt. Dementsprechend ist in diesen Gebieten auch eine besonders hohe Diversität an Krankheitserregern wie Viren und Bakterien. Diese Hot Spots der Biodiversität liegen überwiegend in ärmeren tropischen und subtropischen Gegenden Afrikas, Asiens und Südamerikas.
2008 veröffentlichte die Ökologin und Fledermaus-Expertin Kate Jones mit einem internationalen Team in Nature die Meta-Studie „Global trends in emerging infectious diseases“: Von 335 Infektionskrankheiten zwischen 1960 und 2004 stammten 60% von Tieren. Zoonosen heißen solche Krankheiten, die von einem Tier auf einen Menschen überspringen. Ihre Zahl wächst, so Jones, und sie sind eng verknüpft mit Veränderungen von Umwelt und menschlichem Verhalten. Menschen dringen immer weiter in bis dahin unberührte Wälder vor, für den Rohstoffabbau, Holzeinschlag, Plantagenbau und Straßenbau. Diesem Vordringen folgen eine schnelle Urbanisierung und ein schnelles Wachstum der menschlichen Bevölkerung. Dadurch kommen Menschen in Kontakt mit Tierarten, mit denen es noch niemals Berührungspunkte gegeben hat – und mit deren Krankheitserregern.
Mit dem immer weiteren Vordringen in unberührte Gebiete schaffen Menschen immer mehr Räume mit idealen Voraussetzungen zur Virusübertragung:
- Mit der Zerstörung eines Lebensraums und der Dezimierung von Arten und Beständen, suchen sich die Krankheitserreger neue Lebensräume – auch Menschen.
Dabei überleben sie sogar eine Brandrodung! - Die überlebenden Arten sind meist robuste Generalisten, die keine besonderen Ansprüche haben, sondern nahezu überall überleben: dazu gehören Nagetiere wie Ratten und Mäuse. Die Folgen davon sind bekannt.
- In den Relikten der Lebensräume leben dann dicht gedrängt viel mehr Arten und Individuen als vorher, diese Dichte und Konkurrenz begünstigt Streß und Krankheitsausbreitung.
Die höhere Ansteckungsgefahr über Zoonosen ist also eine direkte Folge der Zerstörung von Lebensräumen wie tropischen Wäldern. Jones bezeichnet sie als “verborgene Kosten der ökonomischen Entwicklung”.
Solche tropischen Regionen mit starker menschlicher Aktivität haben Jones und ihr Team als Hot Spots der Entstehung neuer Infektionskrankheiten identifiziert– emerging infectious diseases (EID).
Solche neuen Krankheiten bleiben oft zunächst regional begrenzt, da die Menschen in ländlichen Regionen oft ortsfest leben und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Ihre Erkrankung oder gar ihr Tod bleiben unerfaßt.
Erst wenn es einen Kontakt zu urbanisierten Zonen gibt, werden solche neuen Krankheiten „aktenkundig“ – Tiertransporte spielen dabei oft eine wichtige Rolle. Sie tragen Krankheitserreger in andere Tierbestände oder bis in die Städte. Dort können sie sich dann schnell und zunächst ungehemmt weiter ausbreiten, etwa über Wildtier-Märkte. Solche Infektionskrankheiten scheinen plötzlich und überraschend aufzutreten – emerging infectious disease (EIDs).
Die Zahl und Frequenz dieser EIDs nimmt zu, stellten Jones und ihre Kollegen 2009 fest.
Und wir sind dafür nicht gut gerüstet: Die globalen Ressourcen zum Erkennen und Reagieren auf solche Krankheiten ist konzentriert in den Ländern, die als Ursprungsländer am wenigsten in Frage kommen („We conclude that global resources to counter disease emergence are poorly allocated, with the majority of the scientific and surveillance effort focused on countries from where the next important EID is least likely to originate.“)
Kommentare (31)