Wie jagen eigentlich Schnabelwale? Koordinieren sie auf der Jagd ihre Ortungslaute? Oder klicken alle durcheinander und stören sich vielleicht sogar gegenseitig?
Dieser Frage ist ein Biologen-Team vor den Kanarischen Inseln und im Ligurischen Meer (Mittelmeer) nachgegangen, mit einem Unterwasser-Lauschangriff: Alcázar-Treviño J, JohnsonM, Arranz P, Warren VE, Pérez-González CJ,Marques T, Madsen PT, Aguilar de Soto: “Deep-diving beaked whales dive togetherbut forage apart.” N.2021 Proc. R. Soc. B288:20201905.
Schnabelwale (Ziphiidae) sind Hochsee-Bewohner und extreme Tieftaucher (Rekord: 2992 Meter tief und bis zu über drei Stunden und 42 Minuten). Sie sind eher scheu und weichen Schiffen und menschlichen Kontakten aus. Außerdem sind ihre Erscheinung und ihr Verhalten eher unspektakulär: Die meisten Arten werden nur zwischen 4 und 7 Meter groß, lediglich Vierzahnwale (Berardius) und Entenwale (Hyperoodon) erreichen Größen von um 10 Meter. Spektakuläre Verhaltensweisen wie Sprünge oder Fluke-ups sind extrem selten.
Außer Sicht der Menschen blieb ihre Lebensweise lange Zeit unerforscht, die meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse stammten von Walfängern und von Strandungen. Bis heute sind diese mittelgroßen Zahnwale mit den seltsam geformten langschnäbeligen Köpfen und der irritierenden Bezahnung die kryptischste aller Walfamilien.
Schnabelwale sind soziale Wesen und leben meist in kleinen Gruppen, die Gruppenmitglieder interagieren u. a. akustisch. Sie leben wie alle Wale in einer akustischen Welt. Zahnwale haben ein hoch spezialisiertes Gehör und produzieren verschiedene Lautäußerungen:
- Pfiffe (Whistles) – soziale Laute
- Klicks (Clicks) zur Echoortung (Jagd und Orientierung)
- Buzz – eine Folge schnell pulsierender Klicks ist ein und markiert den letzten Teil der Jagd, das Fassen der Beute.
Hier sind Hörproben des Blainville-Schnabelwal: Klicks und Buzzes.
Ortungslaute sind auch für andere Artgenossen, andere Wale und weitere Meeresbewohner hörbar und verraten ihre Position.
Das hat Vor- und Nachteile:
Ein möglicher Vorteil wäre: Die Gruppenmitglieder nutzen auch die Laute der anderen für sich, und können so eigene Klicks sparen.
Ein Nachteil ist, dass die Klicks auch für Orcas hörbar sind – ihre Freßfeinde.
Ein weiterer Nachteil könnten Interferenzen zwischen den Jagdlauten sein, die den Jagderfolg verringern. Darum kompensieren etwa Fledermäuse, die ebenfalls mit Echolokation jagen, solche Störungen aktiv – sie pausieren mit den Klicks. Außer Funkstille wäre auch ein Wechsel von Frequenz, Amplitude oder dem Timing denkbar (jamming avoidance response – Aktive Vermeidung auf Störung) denkbar.
Je nachdem, ob und wie sich Interferenzen der Klicks in eng jagenden Gruppen auswirkt, könnte die Wahrscheinlichkeit, Nahrung zu erbeuten, mit der Gruppengröße ab- oder zunehmen. Nahrung ist der wichtigste Aspekt des Energiestoffwechsels, Jagdaufwand und -erfolg entscheiden über körperliche Fitness.
In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass mittelgroße und kleine Wale in stetiger Furcht vor Orcas, auf deren Speisezettel sie stehen, auch ihre Akustik angepaßt haben. So nutzen etwa die kleinen Schweinswale eine Tarnkappen-Akustik.
Auch Schnabelwale haben Schutzmechanismen gegen Orca-Überfälle entwickelt:
- einen langsamen, leisen Unterwasser-Gleitflug in die Meerestiefe
- Jagdreviere in großer Tiefe (im vorliegenden Fall in durchschnittlich 800 Metern)
- Funkstille im oberflächennahen Bereich
- Leben in der Gruppe.
Die ebenfalls tief und lange tauchenden Pottwale tauchen senkrecht ab und auf, nach ihren Tauchgängen erscheinen sie nahezu an der gleichen Stelle wieder an die Oberfläche. Pottwale sind aufgrund ihrer Größe und Wehrhaftigkeit keine typische Orca-Beute, darum können sie sich das erlauben.
Die viel kleineren Schnabelwale tauchen von der Oberfläche in einem flachen Winkel ab und gleiten ganz allmählich in die Tiefe. Solange sie nahe der Meeresoberfläche sind, halten sie Funkstille, sodass die Orcas nicht auf sie aufmerksam werden können.
Mit der Jagd in den Tiefen der Ozeane unterlaufen sie den Lebensraum der Schwertwale: In mehreren tausend Metern Tiefe können sie mit ihrer Echolokation ihre Beute anpingen und erlegen – die Schwertwale können ihnen in diese Tiefe nicht folgen. Abtauchpunkt, Jagdrevier und Auftauchpunkt liegen so weit auseinander, dass Orcas es nicht ausnutzen können.
Kommentare (5)