Wie sieht so ein Schnabelwal-Jagdausflug aus?

Mit modernen Werkzeugen der Bioakustik können Wissenschaftler diese Tiere akustisch orten, die Arten identifizieren bzw. neue entdecken, ihren Weg in die Tiefe verfolgen und ihr Verhalten „hören“.

Ein Forscherteam um Jesus Alcazar-Trevino und dem herausragenden Bio-Akustiker Peter Madsen sowie Natacha der Aguilar de Soto (Expertin -auch – für Tiefwasser-Wale auf den Kanaren), dieser spannenden Frage auf die Spur gekommen (mehr über Peer Madsens Pottwal-Forschung hier).
Dazu befestigten sie die bewährten Multi-sensor archival DTAGs mit Saugnäpfen am Walkopf. Insgesamt 16 DTAGs spionierten 11 Blainville-Zweizahnwale (Mesoplodon densirostris) vor der Kanareninsel El Hierro (Spanien) und 10 Cuvier-Wale (Ziphius cavirostris) in der Ligurischen See (Italien) aus, aus einer Zeitspanne von 2003 bis 2018.
Die DTAGs zeichnen sowohl akustische als auch Bewegungs-Daten in hoher Auflösung aufnehmen. Jeder Dtag-Sender beinhaltet einen 3-Achsen-Beschleunigungmesser, ein 3-Achsen-Magnetometer sowie einen Drucksensor und sendet 50-mal pro Minute. Dieser hochaufgelöste Datensatz zeichnet ein sehr genaues Bild der Bewegungen und Lautäußerungen auf, die Tags lösen sich nach 3 bis 30 Stunden von selbst und treiben dann an der Oberfläche, wo sie aufgefischt werden können (Mehr über DTAGs hier).

Diesen umfangreichen Datenschatz haben die Wissenschaftler dann mit Programmen wie Matlab und R ausgewertet (mehr zur Methode siehe hier). Für diese Bioakustik-Forschungsarbeit ist eine wirklich respektable Hingabe für akustische Technologie und Statistik nötig.

In diesem Video erklärt Natacha die Befestigung und Funktionsweise der DTAGs

Zunächst erstellten die Wissenschaftler auf der Basis des vorliegenden Wissens Vorhersage-Modelle, wie die unterschiedlichen Laute der unterschiedlichen Gruppenmitglieder aussehen könnten und welche Wechselwirkungen und Verhaltensänderungen auftreten könnten. Diese Hypothesen sind etwas schwierig verständlich, weil dabei mathematische Aussagen in Worte bzw. Verhalten übersetzt werden, aber das ist die Grundlage für diese komplexe statistische Aufgabe.

Sie formulierten drei Arbeitshypothesen:

  1. Wenn Schnabelwale innerhalb ihrer Gruppe in Konkurrenz um die Nahrung stehen, müssten die individuellen Buzz-Raten in größeren Gruppen tendenziell sinken.
  2. Wenn akustische Interferenzen durch Lautäußerungen der Gruppenmitglieder die Klicks stören oder maskieren, ändern sich die einzelnen Klickraten mit zunehmender Gruppengröße, um dies zu kompensieren.
  3. Wenn Schnabelwale vom Abhören der Laute anderer Gruppenmitglieder profitieren und diese Informationen nutzen, nimmt mit zunehmender Gruppengröße die individuelle Klickrate ab, während die individuelle Buzz-Rate aufgrund der erweiterten Erkennbarkeit von Beutegegenständen durch Abhören zunehmen würde

(We tested the following predictions:

  1. If beaked whales experience intra-Group foraging competition, individual buzz rates will tend to decrease in larger groups
  2.  If acoustic interference from vocalizations of the group members courses jamming or masking, individual click rate would change with increasing group size to compensate
  3. If beaked whales benefit from eavesdropping on the vocalisation of other group members, individual click rate would reduce with increasing group size as animals take advantage of shared Information, while individual buzz rate would increase due to the expanded detectability of prey items through eavesdropping).

Die Gruppen-Größen und Zusammensetzung konnten die Biologen visuell bestimmen.

Die Echolokations-Klicks (frequency modulated echolocation clicks) zeigten die aktive Nahrungssuche an, kurze Buzz-Serien markieren den letzten Jagabschnitt und das Schnappen der Beute. Bei Blainville-Walen gibt es darüber hinaus auch noch soziale Laute: Pfiffe (Whistles). Die Klicks, Whistles und Buzz-Äußerungen sind klar unterscheidbar.
Von Cuvier-Walen sind bisher übrigens keine Socializing-Laute bekannt.

Die Cuvier-Wale waren in Gruppen von einem bis 5 Tieren unterwegs, ihre Tauchzeiten dauerten um 59,3 +/-10,5 Minuten, davon haben sie 33,9 +/- 7 Minuten vokalisiert. Die Blainville-Zweizahnwale in kanarischen Gewässern waren in Gruppen von 2 bis 6 Tieren unterwegs, ihre Tauchgänge dauerten um 49,4 +/- 6,5 Minuten, und ihre Vokalisierung Periode lag bei 24,2 +/- 5 Minuten.

Zwischen den DTAG-tragenden Individuen und den anderen Gruppenmitgliedern konnten die Wissenschaftler akustisch unterscheiden.
In zwei Fällen hatten sie nämlich jeweils zwei Wale innerhalb der gleichen Gruppe mit DTAGs versehen. An diesem Paar-Gespann konnten sie überprüfen, was innerhalb der Gruppe passiert, wie die Wale interagieren und außerdem die Zuverlässigkeit ihrer Software überprüfen.
Dabei kam heraus, dass bei beiden Paaren die Individuen sowohl ihre Tauchprofile als auch die Zeiträume der Lautäußerungen hochgradig synchronisiert haben!

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Kommentare (5)

  1. #1 Kerberos
    12. Januar 2021

    Hmmmm,
    wie genau funktionieren eigentlich Hörorgane und vor allem
    Stimme bei diesen tieftauchenden Walen?
    Was das Hören betrifft, sehe ich geringere Probleme,
    da vermutlich der gesamte Hörgang bis zur Schnecke mit
    Seewasser oder einer Hilfsflüssigkeit gefüllt sein dürfte.
    Amboss und Steigbügel sind überflüssig, da die Akkomodation
    von Luft- auf Flüssigschall entfällt.
    Schwieriger finde ich die Schallerzeugung, beim Surfen fand
    ich nur Beispiele für Bartenwale, da werden wohl im Atemapparat
    die “Gesänge” erzeugt.
    Aber bei 1000 m Tiefe (=100 bar) ist das Restvolumen der
    Atemluft auf 1/100 stel des Volumens an der Oberfäche
    komprimiert.
    Oder ist das entscheidend, um die sehr hohen Frequenzen
    erzeugen zu können?
    Funktioniert das nur in der Tiefe, und sind diese
    Klicks an der Oberfäche gar nicht möglich?
    Ratlos

  2. #2 Bettina Wurche
    13. Januar 2021

    @Kerberos: Walohren sind nicht mit Flüssigkeit gefüllt und da sind auch nicht mal eben Knöchelchen reduziert worden.
    Wale hören und vokalisieren vollständig anders als Menschen. Wale haben da seit 60 Mio Jahren eine eigenständige Entwicklung eingeschlagen, das ist ein extrem komplexes Gebiet:
    Grundsätzlich erzeugen Zahnnwale die verschiedenen Laute (Whistle, Klick, Buzz) im Nasentrakt mit Hilfe der Phonic Lips. Der Wiki-Artikel erklärt das ganz gut und zitiert Ted Cranford:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Whale_vocalization

    Hier ist Hören und Senden bei Schweinswalen gut erklärt:
    https://www.meeresmuseum.de/schweinswale/

    und hier am Beispeil des Orcas:
    https://seaworld.org/animals/all-about/killer-whale/communication/

    Zahnwale klicken in jeder Tiefe. Pottwale (und wahrscheinlich auch Schnabelwale) haben extreme Sonderanpassungen (die Schädel sind extrem asymmetrisch und die Fette in der Melone haben eine andere Zusammensetzung als bei anderen Walen):
    https://www.spektrum.de/magazin/die-nase-des-pottwals-riesengehirn-fuer-riesennase/1359256
    Pottwale nehmen keine Atemluft mit, sie atmen vorher aus, die Lungen kollabieren dann.
    https://www.dw.com/de/pottwale-meister-des-tieftauchens/a-17038959
    In der Tiefe klicken und buzzen Pottwale dann (wie jetzt auch bei den Schnabelwalen nachgewiesen)
    https://scienceblogs.de/meertext/2020/12/16/3693/

    Bartenwale erzeugen ihre “Gesänge” wohl im Kehlkopf, allerdings ohne Stimmbänder (nicht mein Gebiet, müsste ich recherchieren).
    https://en.wikipedia.org/wiki/Whale_vocalization

    Walschädel sind asymmetrisch (vor allem im Stirnbereich) u die Gehörknochen sind durch Bindegewebe isoliert im Schädel. Das ermöglicht Richtungshören im Wasser – die Zeitverzögerung, mit der die Echos auf die Ohren treffen ergibt ein dreidimensionales akustisches Bild. Auch Bartenwale haben asymmetrische Schädel, auch wenn sie nicht klicken können sie so dreidimensional hören.

    Wie gesagt, es ist komplex.

  3. #3 Kerberos
    14. Januar 2021

    Hallo Fr. Wurche,
    vielen Dank für die ausführliche Antwort die Links.
    Es ist mir aber immer noch nicht klar, ob da Reste
    von “Atemluft” bei der Schallerzeugung in großen
    Tiefen eine Rolle spielen.
    Evtl. wird Flüssigkeit zwischen den Stimmlippen
    der Pottwale durchgepresst?

  4. #4 Bettina Wurche
    14. Januar 2021

    @Kerberos: Nach allem, was ich dazu weiß, nehmen Pottwale (wohl auch andere Wale) nur in der knorpelig verstärkten Luftröhre (Trachea) einen Rest Luft mit. Der muss dann wohl zum Klicken reichen.
    Auch in der Tiefe. Pottwale und Schnabelwale haben sich seit über 30 Mio Jahren an diese spezielle Tieftauch-Situation angepaßt.

    Haben Sie von den links etwas gelesen?
    In den Atemwegen ist NIEMALS Flüssigkeit – daran würde ein Säugetier ertrinken.
    Die phonic lips funktionieren mit dem Luftstrom.

    Die Erforschung des Atemtrakts geschieht überwiegend an toten Walen. Da wüssten gern eine Reihe von Leuten, welche Rolle der Rest Atemluft spielt. Huggenberger/Oelschläger haben den konservierten Kopf eines gestrandeten Pottwal-Baby in Scheiben geschnitten und dann die Gewebe untersucht und in 3 D rekonstruiert. Das ist nach meinem Wissen die neueste und ausführlichste Arbeit dazu, der Spektrum-Artikel ist die einfache Version von Dr. Huggenbergers Doktorarbeit. Herr Prof. Oelschläger ist allerdings ein ausgewiesener Wal-Anatom, darum messe ich dieser Arbeit viel Gewicht bei.

    Hier ist eine frei zugängliche Abbildung:
    https://www.semanticscholar.org/paper/The-nose-of-the-sperm-whale%3A-overviews-of-design%2C-Huggenberger-Andr%C3%A9/8d52f140cf69b87d6864ba1eabd1acd733078a6d/figure/6

    Das Problem bei dieser Forschung ist: niemand kann die Bewegungen direkt beobachten bzw. am lebenden klickenden Pottwal eine CTD machen. Über die DTAGs wissen wir aber, dass die Wale in der Tiefe klicken. Es muss also funktionieren.
    Mehr haben wir bisher nicht.

  5. […] verhalten sie sich möglichst unauffällig: Das Leben der mittelgroßen Zahnwale ist geprägt von ihrer Furcht vor Orcas. Äußerlich sehen sie wie zu groß geratene Delphine aus, ihr auffallendstes Merkmal ist die oft […]