“Wer bin ich und wenn ja, wie viele?”
Schweinswale (Phocoena phocoena) leben weltweit auf der Nordhemisphäre in mehreren Unterarten, Populationen und Subpopulationen. Sie pflanzen sich nur innerhalb einer Population/Subpopulation fort.
Die Art Phocoena phocoena ist nicht bedroht. Sehr wohl allerdings einige der Bestände.
In deutschen Gewässern leben Schweinswale aus drei unterschiedlichen Beständen:
- Nordsee (Southern North Sea),
- Westliche Ostsee/Kattegatt (Beltsea/Kattegatt) und
- Zentrale Ostsee (Baltic Proper).
Ergebnisse der Flug-Zählungen im SCANS-Projekt (Small Cetacean Abundance in the North Sea):
345.000 – 630.000 | deutsche, dänische, niederländische, englische Nordsee |
42.300 | Kattegatt, Beltsee (Westliche Ostsee – dänische, schwedische, deutsche Ostsee) |
300 | Zentrale Ostsee (Baltic Proper – deutsche, schwedische, polnische Ostsee) |
Vor allem der Bestand in der Zentralen Ostsee ist stark bedroht.
Seit Jahrzehnten forschen Wal-Experten vor allem in Büsum (ITAW) und Stralsund (Meeresmuseum Stralsund) an Phocoena und haben mittlerweile viele Informationen zusammengetragen.
Die Daten sind aber nicht gut:
– zu viele Wale erreichen gar nicht mehr das Alter für eine Fortpflanzung. In der Nordsee sterben sie meist mit 3,5 Jahren, in der Ostsee mit 2,5 Jahren. Das ist viel zu früh! In anderen Meeresgebieten werden sie oft zwischen 12 und 15 Jahre alt.
– die Bestände in der Ostsee sind gefährdet, der in der Zentralen Ostsee ist sogar akut vom Aussterben bedroht
– in der deutschen Nordsee nimmt der Schweinswalbestand gerade ab, der Grund dafür ist noch unklar.
Schweinswale sind extrem bedroht
Als Meeressäuger ist der Kleinwal durch zahlreiche internationale, europäische, EU- und deutsche Bestimmungen streng geschützt. Für den Schutz der Schweinswale wurde 1991 das Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See, abgekürzt ASCOBANS (englisch: Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas) verabschiedet.
Trotz all dieser Anstrengungen haben sich die Bestände in deutschen Gewässer nicht erholt, alle Maßnahmen scheinen nicht zu greifen, die Schutzgebiete haben offenbar kaum Schutzfunktion.
Woran das liegt und welche unrühmliche Rolle dabei das Deutsche Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft spielt, haben die Wal-Experten von Coalition Clean Baltic (Uppsala, Sweden) Ida Carlén et al publiziert.
Ich hatte die Publikation hier vorgestellt: Schutzgebiete in Nord- und Ostsee bieten zu wenig Walschutz.
Zuletzt hatten mehrere Experten-Gremien wie etwas der Internationale Meeresrat ICES Empfehlungen für einen sofortigen Schweinswalschutz gegeben – dazu gehört die sofortige Schließung der Stellnetzfischerei und die Weiterentwicklung beifangarmer Fischereimethoden. Für die Entwicklung, Umsetzung und Erprobung solche Fischereimethoden müsste es dann auch endlich eine Finanzierung geben, um die guten Ideen wie STELLA weiterzuentwickeln und umzusetzen!
Große Gefahr droht den kleinen Walen von
- Meeresverschmutzung (Einleitung landwirtschaftlicher Abwässer, Schadstoffe, Mikroplastik, …)
- Stellnetzfischerei
- Lärm (Windkraftanlagen, Schifffahrt (auch PS-starke Freizeitschifffahrt wie Scooter oder Speedboote!), Minensprengungen, Fischerei)
- Bedrohung der Lebensgrundlagen durch Bauprojekte (z. B. Fehmarn-Belt-Tunnel) und zu wenig Fisch
- militärische Aktivitäten wie Bombensprengungen.
Mehr Rampenlicht für die scheuen Wale
Schweinswale haben es auch darum sehr schwer, weil kaum jemand sie kennt.
Jede/r kann den kleinen Walen etwas weiterhelfen:
Erzählen Sie einfach einigen Bekannten davon, organisieren Sie einen Vortrag oder einen Referenten, teilen Sie es in sozialen Medien.
Schauen Sie einen Film mit Schweinswalen, regen Sie ein Schulprojekt an oder bestellen Sie Informationsmaterial bei einer NGO.
Besuchen Sie eine der zahlreichen Veranstaltungen am Internationalen Tag des Ostseeschweinswals in Museen, Info-Zentren und Parks.
Nur Popularität kann den kleinen Meeressäugern helfen!
Ich mache regelmäßig Vorträge dazu, für Menschen aller Altersgruppen (die können bei mir gebucht werden). Jedes mal kommen danach einige ZuhörerInnen zu mir und erzählen, dass sie von diesen kleinen Walen noch nie etwas gehört haben.
Vielleicht kennen irgendwann so viele Menschen die Kleinen Tümmler, dass wir endlich einen effektiven Schutz wenigstens in EU-Gewässern hinbekommen? Damit sollten wir uns allerdings beeilen.
Kommentare (3)