Seit gestern beherrscht die entsetzliche Flutkatastrophe in Teilen Deutschlands – vor allem in NRW, RLP und Saarland – sowie den angrenzenden Benelux-Staaten die Nachrichten.
Als ich heute morgen in die Nachrichten schaute, war ich geschockt – mittlerweile sind mehr als 100 Menschen in Wasser- und Schlamm-Fluten umgekommen.
Warum warme Luft zu Starkregen führt
Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung,erklärt in diesem Tagesschau-Interview gut, wie es jetzt zu diesem Starkregen-Event kam. Und warum Starkregen und Dürre in verschiedenen Teilen Deutschlands beide Folgen der Klimakrise und seit den 1990-er Jahren genau so vorhergesagt worden sind:
Hier geht es zum Tagesschau-Video.
Kurz gesagt:
Die Erwärmung der Luft über der Arktis führt zum Starkregen. das haben KlimaforscherInnen seit den 1990-er Jahren so prognostiziert, und jetzt zeigen Meßdaten, dass es genau so eintritt.
Warme Luft kann wesentlich mehr Wasser aufnehmen – diese physikalische Gesetzt ist seit dem frühen 19. Jahrhundert bekannt. Pro Grad Erwärmung kann Luft 7% mehr Wasserdampf aufnehmen. Wird sie abgekühlt, gibt sie den Wasserdampf in Form von Regen wieder ab.
Zu diesem physikalischen Vorgang kommen noch dynamische Prozesse in der oberen Atmosphäre dazu, wie Rahmstorf erklärt. Auch wenn die noch nicht vollständig erforscht sind, ist mittlerweile klar, dass sie zu mehr Extremwetterlagen führen. Die Westwinddrift hat sich verlangsamt. Sie wird angetrieben von Temperaturunterschieden. Da die Arktis sich dreimal schneller erwärmt, als der Rest der Welt, und damit das Temperaturgefälle verringert, hat sich dieser “Motor” verlangsamt: Das bedeutet, dass sowohl Hochdruck- als auch Tiefdruckgebiete länger an bzw. über einem Areal verweilen (Rahmstorf hat “trödeln” gesagt). So wir aus ein paar schönen Sommertagen eine Dürreperiode (wie in Mecklenburg-Vorpommern) und aus einem Tiefdruckgebiet ein anhaltender Starkregen (wie in NRW, RLP und andernorts).
Sein Fazit: Die Klimaforschungs-Community hat das seit Jahrzehnten so vorhergesagt aufgrund von Rechenmodellen und es läuft jetzt wirklich genauso ab.
Was jetzt passieren müsste:
- Erwärmung stoppen und endlich das Pariser Klimaabkommen von 2015 umsetzen
- Städte, Infrastruktur,… an Klimaänderung anpassen: Parks, grüne Dächer und ähnliche Maßnahmen können Städte fit machen für die schnelle Aufnahme von großen Wassermassen (wird teilweise bereits umgesetzt).
Ausführlicher hat Lars Fischer auf Spektrum über die Flut und ihre Ursachen geschrieben: “Die Faktoren hinter den vernichtenden Sturzfluten”. Er hat dabei auch noch sehr gut die spezielle Topographie in der Eifel und anderswo berücksichtigt. Dass ausgerechnet die Eifel so schwer getroffen worden ist, ist nämlich kein Zufall. Da ich einige Fossilien-Exkursionen in diese wilde Gegen unternommen habe, standen mir genau diese Hügel, Felsen und Klüfte mit ihren schnell strömenden Bächen in steinernen Bach- und Flußbetten deutlich vor Augen. Übelste Ausgangsvoraussetzungen für Flut-Events.
Wenn es um Pandemien und andere Katastrophen geht, ist der @Fischblog jedenfalls einfach unschlagbar.
Die Bauingenieurin Prof. Lamia Messari-Becker hat ZDF heute journal ein ausgezeichnetes Interview gegeben, das wir neben dem #Klimaschutz jetzt endlich auch #Klimaanpassungen brauchen.
Dazu nennt sie die Stichworte
- kritische Infrastruktur schützen
- städtebauliche Anpassungen
- Infrastruktur ertüchtigen
- Bebauung überdenken, ggf. sogar Rückbau
Über urbane Zentren und ihre besondere Rolle in der Klimakrise hatte ich hier schon einmal ausführlicher geschrieben.
Wirtschaftlichkeit von Extremwetter, False Balance und mehr
Stefan Rahmstorf mahnt, dass PolitikerInnen jetzt endlich den ernst der Klimakrise verstehen und dementsprechend handeln müssten.
Ich sage: PolitikerInnen tun das, wofür sie gewählt werden. Darum ist es an den BürgerInnen, endlich die Politik zu wählen, die zumindest zu einer Abschwächung der Klimakrise führen kann.
Wir sind nämlich längst mitten `drin: Die Arktis taut unwiderruflich ab und der Tropische Regenwald im Amazonas-Becken ist unwiderruflich dahin.
Die Extremwetter dieses Jahres mit den extrem hohen Temperaturen in Nordamerika, Sibirien und Australien, die zu vielen Hitzetoten, verheerenden Bränden gigantischer Ausmaße und schweren Infrastrukturschäden geführt haben, sind eine direkte Folge der Klimakrise.
Dass in Norddeutschland schon wieder eine extreme Dürre herrscht, während im Westen und Süden schwere Unwetter mit Hagel im Juli und der Starkregen mit der folgenden Flut wüten, ist kein Paradoxon. Ja, auch der Starkregen liegt an der Klimaerwärmung, das haben Stefan Rahmstorf und viele andere sehr schön erklärt.
Wetter ist das regional eingegrenzte Ereignis, während Klima das langfristige globale Geschehen beschreibt.
Ich trauere um die Menschen, die durch die Flut ihr Leben verloren haben oder ihr Hab und Gut.
Gleichzeitig hoffe ich, dass einige Menschen jetzt dem Thema der Klimakrise die Aufmerksamkeit und Relevanz einräumen, die nötig ist.
Dieses Jahr hat die Klimakrise auch in Deutschland voll durchgeschlagen. Nicht in der Arktis, die weit entfernt scheint, oder auf anderen Kontinenten, die noch viel ferner liegen.
Sondern direkt hier, bei uns.
Dass diese Extremwetter erhebliche Kosten verursachen dürften und der Schutz gegen solche in der Zukunft häufiger auftretende Wetterlagen noch wesentlich mehr kosten wird, dürfte beim Anblick dieser Bilder jetzt den meisten Menschen klar geworden sein. Wenn wir nicht schnellstmöglich auch Geld in die Hand nehmen, um die Klimakrise zu mildern und Vorsorge zu treffen, werden die Folgen der ungebremsten Klimakrise immer teurer. Das Argument “Aber die Wirtschaft…” ist also nur ein Totschlagargument, um die benötigten Veränderungen zu verhindern.
Die Forderung nach einer ausgewogenen Berichterstattung für und gegen die Klimakrise ist falsch, denn dabei werden Fakten und Meinungen gegenübergestellt. Die Klimaforscher-Community ist sich einig, dass die Klimakrise läuft, die Vorhersagen der letzten Jahrzehnte treten jetzt ein und sind damit bewiesen. Die Fakten zeigen klar, dass die Klimakrise läuft, wie eben am Extremwetter auch für Laien jetzt deutlich erkennbar ist. Es gibt allerdings eine Minderheitenmeinung, die die von Menschen verursachte Klimaveränderung negiert. Dabei handelt es sich um eine Meinung, nicht um Fakten. Im Politik-Bereich macht die Gegenüberstellung unterschiedlicher Meinungen Sinn, im naturwissenschaftlichen Bereich hingegen ergeben die Gegenüberstellung von Fakten und Meinungen eine falsche Balance.
MeteorologInnen und anderen Menschen, die über die Klimakrise aufklären und JournalistInnen, die darüber berichten, zu unterstellen, sie würden Wahlkampf für die Grünen betreiben, ist ein Scheinargument aus der Klimaleugner-Trickkiste. Beide Berufsgruppen erledigen nämlich einfach ihre Jobs. Nur weil die Fakten manchen Personen nicht gefallen, bedeutet das nicht, dass sie nicht existieren. Solche Unterstellungen zeigen nur, dass jemand nicht in der Lage ist, Fakten als solche zu erkennen und rational danach zu handeln.
Wer solchen Personen Gehör schenkt, entscheidet sich für ein hochgradig irrationales Verhalten, das den vorliegenden Fakten und sogar persönlichen Erfahrungen widerspricht. Evolutiv betrachtet, kann man sich mit so etwas aus dem Genpool mendeln.
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