Der Nordseebestand der kleinen Schweinswale ist stabil, allein vor der niederländischen Nordsee-Küste leben schätzungsweise 85.000 Tiere. Die Kleinwale sind gewohnt, im flachen, sedimentgetrübten Wasser zu jagen und zu navigieren. Darum stranden sie äußerst selten lebend, sondern fast immer tot oder sterbend, etwa 450 jährlich.
Seit letztem Mittwoch spülen die Wellen jetzt Dutzende Kadaver der kleinen Meeressäuger an. Sie sind offenbar zum gleichen Zeitpunkt gestorben, wie die Schweinswal-Expertin und Tierärztin Lonneke IJsseldijk von der Universität Utrecht gegenüber der Presse erklärte: „Auffallend ist, dass sich die gleichzeitig an Land gespülten Tiere alle im gleichen Verwesungszustand befinden“ – „Die Tiere, die gestern am Strand angespült wurden, sahen schon viel schlimmer aus als die Tiere, die am Mittwoch am Strand gelandet sind.“ Allein auf Ameland lagen 20 der kleinen Meeressäuger.
Zumindest auf den ersten Blick waren äußerlich keine Verletzungen zu erkennen.
Interessant ist, dass die allermeisten Tiere ausgewachsen waren. Normalerweise ist nämlich der Anteile an Jungtieren recht hoch, viele Kleinwale überleben ihr erstes Lebensjahr nicht. Die jetzt auftretenden Strandungen sind also überdurchschnittlich hoch und ungewöhnlich – möglicherweise gehen sie auf eine gemeinsame Ursache zurück.
Am Mittwoch will Lonneke IJsseldijk 25 der von den Freiwilligen des Stranding Networks eingesammelten und dann eingefrorenen Kleinwale untersuchen. Die Autopsie wird vielleicht erste Ergebnisse bringen: Bei der äußerlichen Untersuchung geht es um Spuren von Kollisionen mit Schiffen oder sogenannte Netzmarken – tief eingeschnittene, oft parallele Wunden von Fischereigeschirr, vor allem an Kopf und Flossen. Dann folgt eine Untersuchung der inneren Organe und verschiedene Tests auf Krankheiten.
In den meisten Jahren autopsiert sie zwischen 50 und 100 Schweinswale. Aufgrund der schnellen Verwesung müssen tote Tiere bis zur Autopsie eingefroren werden. Die restlichen Meeressäuger werden meist am Strand vergraben. Da die Wale zwar klein, aber trotzdem meist um 1,50 m lang und 50 kg schwer sind, passen nicht mehr in die Kühltruhen des Instituts. Allerdings ist die Stichrobe aussagekräftig und ermöglicht einen guten Überblick, wie es um die Gesundheit des holländischen Schweinswalbestands steht.
In diesem Jahr sind an der holländischen Küste insgesamt schon über 300 Schweinswale verendet – kein gutes Jahr für diesen Bestand.
Ich bleibe an dem Thema `dran und bringe, sowie ich mehr Infos habe, ein Update.
Persönliche Anmerkung: Was hat Schweinswalschutz mit der Bundestagswahl zu tun? Alles!
An dieser Stelle möchte ich mal vorsichtig anmerken, dass die Schweinswale sehr unter dem fehlenden funktionierenden Meeresschutz in Nord- und Ostsee leiden. Die Schweinswale in deutschen Gewässern gehören zu drei unterschiedlichen Beständen, die sich untereinander nicht mischen und nicht fortpflanzen.
In der Nordsee ist der Bestand recht groß und wohl nicht akut gefährdet. Allerdings wandern die Kleinwale gerade aus der deutschen Nordsee ab, aus ungeklärter Ursache.
Die beiden Ostseebestände sind wesentlich kleiner, der in der zentralen Ostsee steht vor dem Aussterben. Hier gebe ich einen kurzen Überblick, warum das so ist und was das Klöckner-Ministerium damit zu tun hat (Spoiler: Es verhindert den Schweinswalschutz in deutschen Gewässern vorsätzlich und entgegen internationaler und europäischer Vereinbarungen sowie dem Rat der WissenschaftlerInnen.)
Im vergangenen Jahr habe ich eine umfangreiche Recherche dazu gemacht und mit den in Deutschland relevanten WalforscherInnen gesprochen, ich weiß, wovon ich spreche. Es ist nämlich ziemlich kompliziert.)
Mehr zu Schweinswalen gibt es auf Meertext:
Tatort Nordsee: Kegelrobben jagen Schweinswale
Schweinswal: Schutzgebiete in Nord- und Ostsee bieten zu wenig Walschutz!
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