Überdüngung der Meere: Die industrielle Landwirtschaft ist die Hauptursache
Der Grund für all diese Plagen von Grün- und Braunalgen ist stets der gleiche: Die unkontrollierte und viel zu hohe Einleitung von landwirtschaftlichen Abwässern. Landwirte düngen ihre Felder mit Stickstoff-Verbindungen, damit die Feldfrüchte besser wachsen. Das ist legitim, eine florierende Landwirtschaft sichert schließlich die menschliche Ernährung. Allerdings ist es in der der industrialisierten Landwirtschaft üblich, wesentlich mehr stickstoffhaltige Stoffe auszubringen, als die Feldfrüchte für ihr Wachstum nutzen können. Der Rest versickert im Boden und bedroht mit seinem Nitratgehalt das Grundwasser, ein erheblicher Teil wird durch Regen über oberirdische Gewässer schließlich in die Küstengewässer gespült.
Zwar gelten in Deutschland, der gesamten EU und vielen anderen Ländern weltweit längst Vorschriften zum Ausbringen von Düngemittel oder auch Jauche auf den Feldern. Aber offenbar reichen die Vorschriften nicht aus und/oder werden ungenügend durchgesetzt.
So hat sich in der Ostsee die Ausdehnung der „toten Zonen“ im 20. Jahrhundert verzehnfacht.
In der EU belohnt die EU-Agrarpolitik zurzeit mit Förderungen industrielle Landwirtschaftsformen, die zu dieser und anderen Ökosystem-Zerstörungen führen. Nur mit einem Wandel dieser extremen Ausprägung der Agrar-Industrie und dem Anreiz für nachhaltigeres Bewirtschaften kann es auch einen wirksamen Meeresschutz geben. Ob in Deutschland, der EU, der Türkei, den USA oder dem Sargassomeer.
Dass und wie u. a. der stark mit landwirtschaftlichen Abwassern und Nährstoffen überfrachtete Mississippi direkt für die Veränderung des Sargassum-Ökosystems verantwortlich ist, hatte ein Forscher-Team um Brian Lapointe von der Florida Atlantic University im Mai 2021 in Nature Communications publiziert. Sie haben eine Sammlung von 488 Sargassum-Gewebeproben von Forschungsfahrten aus den 1980er- und 2010er-Jahren verglichen, ein einzigartiges Archiv ökologischer Daten. Bestätigt werden ihre Analysen auch durch andere WissenschaftlerInnen und die Daten moderner Erdüberwachungssatelliten.
Dieser Zusammenhang von Überdüngung und ökologisch und ökonomisch desaströsen Algenblüten ist auch in Europa längst nachgewiesen. Darum hatten die Spanier gerade angesichts vieler Tonnen erstickter Fische und Algenschleimbergen am Strand des Mer Menor gegen die Provinz- und Zentralregierungen protestiert. Auch in der Bretagne stehen Landwirte am Pranger, die zurückgiften und offenbar zu keiner Einsicht fähig sind. Auch der Meeresrotz am Bosporus wird der Erdogan-Regierung angelastet, das rechtspopulistische Regime lässt sich von Umweltschützern oder gar aus dem Ausland nichts vorschreiben lassen.
Dabei müsste es sogar Landwirten einleuchten, dass das Ersticken an der eigenen Jauche eigentlich keine gute Idee ist. Leider gibt es durch jahrzehntelange Lobbyarbeit so verhärtete Fronten, dass eine sachliche Diskussion kaum mehr möglich ist.
Der Umstand, dass die massenhafte Produktion von Lebensmitteln zu billiger Ware führt, während die dadurch angerichteten Schäden, von allen SteuerzahlerInnen beglichen werden müssen, führt zu einer absurden Situation.
In Europa unterstützt bisher die EU genau diese Form der Wirtschaft, eine andere Form der Agrarwirtschaft wird u. a. von Deutschland und seinem erzkonservativ geführten und agierenden Landwirtschaftsministerium blockiert.
Todeszonen liegen weltweit im Trend
Die zunehmende Erwärmung der Ozeane heizt solche Algenblüten oft noch zusätzlich an, es kommt dadurch oft sogar zu Giftalgenblüten (Red Tides), die in Küstenbereichen und mitten in den Ozeanen alle Lebewesen töten. Im Pazifik sorgen sie immer häufiger für Massensterben von Seiwalen, anderen Walen und Meereswesen. Küstennah bedrohen sie die Aquakulturen und verursachen etwa in den chilenischen Lachszuchten Millionenschäden.
Da in wärmerem Wasser weniger Sauerstoff gelöst wird, breiten sich die Todeszonen in den Ozeanen immer weiter aus. Die Anzahl dieser Todeszonen sei von 2008 bis 2019 von mehr als 400 auf etwa 700 gestiegen, heißt es im zweiten «World Ocean Assessment» der UNO zum Zustand der Meere. Auch rund 90 Prozent der Mangroven-, Seegras- und Sumpfpflanzenarten sowie über 30 Prozent der Seevogelarten sind vom Aussterben bedroht. Da die Mangroven-, Seegras- und Sumpfpflanzenarten als Blue Carbon-Arten extrem viel CO2 einfangen und sequestrieren, schädigt ihr Sterben auch das Weltklima.
Betroffen sind demnach neben dem Golf von Mexiko und dem Südchinesischen Meer auch die Ost- und die Nordsee.
Kommentare (11)