Die BewohnerInnen der Färöer müssen in diesem Jahr sicherlich nicht hungern: Nach den 1428 Delfinen vor ca 10 Tagen haben sie jetzt auch noch eine Herde von 53 Grindwalen in einer Bucht zusammengetrieben und geschlachtet. Die Umweltschutz-Organisation Blue Planet Society hatte via Twitter darüber berichtet.
Nearly 600,000 citizens are urging the Govt. of Faroe Islands (@Tinganes) to stop the hunt of dolphins and small whales. Please add your name. https://t.co/Sa5m5R2ITO
— Blue Planet Society (@Seasaver) September 20, 2021
Langflossen-Grindwale sind die Wale, die die FäringerInnen bei ihrer Waljagd zur Lebensmittel-Versorgung während der langen dunklen Wintertage am liebsten fangen und essen.
Grind- oder Pilotwale (Globicephala melas) sind neben Orcas die größten Delphinartigen, bei der langflossigen Art im Nordatlantik werden Männchen bis zu sechs, selten acht Meter lang und bis zu drei Tonnen schwer, die Weibchen beiben etwas kleiner und leichter. Da ein Wal durch seinen Körperbau vom Nacken bis zur Fluke durchgehend große Muskelstränge hat, ist das eine ganze Menge Filet oder Steak.
Der Grind oder Grindarap ist die traditionelle Kleinwaljagd der FäringerInnen – vor 1000 Jahren war das Fleisch der Meeressäuger überlebensnotwendig auf den kargen Inseln. Seit dieser Zeit findet diese Form der Jagd zur Selbstversorgung statt, nach strengem Reglement, sowohl das Sichten, Jagen, Schlachten der Walgruppen als auch die kostenlose Verteilung des dunklen Meeressäugerfleisches ist festgelegt. Das hatte ich in meinem Beitrag “Grind auf den Färöern – 1428 Delphine geschlachtet” ausführlich beschrieben. Dass auf den Inseln heute selbst ohne Walfleisch aufgrund der Aquakulturen und modernen Fischerei sowie Handelsbeziehungen mit Ländern, die Feldfrüchte anbauen, wohl niemand mehr hungern muss und dass der Verzehr von Walfleisch gesundheitsschädich ist, hatte ich dort ebenfalls erklärt.
Traditioneller Walfang ist seit den 1970-er Jahren ein sehr umstrittenes Thema, mittlerweile wird der Walfang zur Selbstversorgung auch in den walfangenden Nationen – z. B. Norwegen, Japan, Island und den Färöern – kritisch gesehen.
Wale haben für viele Menschen in westlichen Industrie-Nationen den Status Heiliger Kühe, so entstehen immer schnell hitzige Diskussionen. Ich bin pro Meeres- und Walschutz, distanziere mich aber normalerweise von WalschutzextremistInnen. Obwohl mir gerade das Töten der extrem intelligenten Zahnwale wirklich mißfällt. Nun ist auch bei mir allerdings die Rote Linie überschritten.
Dass einige Färinger jetzt, nach dem Entrüstungssturm über das aus dem Ruder gelaufene Massaker eines ganzen Delfin-Superpods mit 1428 Tieren, die gleiche Entgleisung noch einmal wiederholen, ist absolut unverständlich. Damit haben sie für mich klar gezeigt, dass es nicht um die winterliche Fleischversorgung geht, sondern um Jagen und Töten. Einige Betonköpfe möchten ihre blutige Tradition halt gern bewahren.
Auch in diesem Fall haben sie die Grindwale für eine kleinere Gruppe von 10 bis 12 Tieren gehalten und hatten dann am Ende 53 der Zahnwale massakriert. Eigentlich wollten sie nur ein paar Grindwale jagen und schlachten und nun standen sie auf einmal in 53 Tieren. Das sind so um die 53*1,5 Tonnen Walfleisch (ich habe mal einen mittleren Wal-Tonnagewert angenommen), aus 70 Tonnen Wal kann man eine Menge Steaks schneiden.
Das zeigt zwei Punkte:
– den Grind-Traditionalisten ist sch… egal, was der Rest der Welt dazu sagt. Sie bestehen auf ihrer Jagdtradition
– wenn sie zweimal innerhalb von zwei Wochen eine Walherde in ihrer Kopfzahl so derartig unterschätzen, sind sie nicht naturverbunden, sondern offenbar auch wal-inkompetent.
Jede/r, die/der sich mit Walen etwas näher beschäftigt, weiß, dass die auftauchenden und an der Oberfläche zu zählenden Tiere nur einen Teil der Population abbilden und mindestens noch einmal so viele, oft wesentlich mehr unter der Wasseroberfläche verborgen schwimmen. Das habe ich bei meinem ersten Wal-Survey gelernt, als wir Sichtungen vom Schiff und vom Helikopter verglichen haben, um unsere Methode zu eichen.
Personen, die für sich in Anspruch nehmen, wahnsinnig verbunden mit dem Meer und den Walen zu sein, sollten so etwas wissen. Schließlich liegen für die Grindwalgruppen im östlichen Nordatlantik Erfahrungswerte aus mittlerweile mehr als 1000 Jahren vor. Wenn zweimal innerhalb kurzer Zeit eine ohnehin umstrittene Jagd in solch ein Massaker ausartet, läuft wirklich etwas falsch.
Das möchte ich der färingischen Regierung jetzt auch mitteilen: Darum habe ich diesen Aufruf unterschrieben und teile ihn:
Change.org: Stop the hunt of dolphins and small whales
Die färingische Regierung hatte bereits nach dem ersten Schlachtfest eine Untersuchung angekündigt: “In a statement, Faroe Islands Prime Minister Bárður á Steig Nielsen said: ‘We take this matter very seriously.’ ‘We will be looking closely at the dolphin hunts, and what part they should play in Faroese society.’ ‘The government has decided to start an evaluation of the regulations on the catching of Atlantic white-sided dolphins.’” wie Blue Planet Society berichtet.
Die FäringerInnen bekommen jetzt etwas Wind von vorn, KünstlerInnen sagen ihre Auftritte ab:
Robert Plant and Lewis Capaldi pulled out of Faroe gigs and Fatboy Slim donated his performance fee to marine conservation causes after Blue Planet Society made them aware of the whale and dolphin cruelty.
What did @JamesBlunt do? https://t.co/5JaIVdPFte
— Blue Planet Society (@Seasaver) September 19, 2021
Darunter könnte auch der wirtschaftlich wichtige Tourismus leiden und sogar färingische Produkte, so distanziert sich etwa die Aquakultur-Lachszucht Bakkafrost davon.
Weitere Infos zu diesem Brauchtum und zur politischen Situation auf den Färöern, die gleichzeitig irgendwie zu Dänemark gehören und unabhängig sind, gibt es hier.
Infos, warum einige Leute (wie z. B. auch Frau Klöckner und Ministerium) meinen, dass Kleinwale nicht unter den international vereinbarten Walschutz und das Walfang-Moratium fallen, gibt es hier und hier, noch mehr unter dem Schlagwort “Schweinswal”. Das Thema ist kompliziert und ideologisch stark vorbelastet. Das Klöckner-Ministerium verhindert jedenfalls auch den Kleinwalschutz in deutschen Gewässern, obwohl unsere Schweinswale bedroht sind.
Übrigens: Ich bin seit 30 Jahren nahezu Vegetarierin, nur ein kleines Stückchen Fisch kommt mir manchmal auf den Teller. Ich habe aufgehört, Fleisch zu essen, weil ich das Leiden der industriell produzierten Tiere für inakzeptabel halte. Ich verzichte auf nichts und bekehre niemanden, aber die meisten Leute kommen gern zum Essen zu mir und gehen oft überfüttert wieder nach Hause. Das nur als Ergänzung und Reaktion auf einige Diskussionsbeiträge zum Artikel über das Delphin-Schlachten.
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