Rechtspopulisten sind im Bullshitting übrigens perfekt und liefern immer wieder Beispiele.
Schuldumkehr
Ganz besonders ärgerlich finde ich mittlerweile, dass zu vielen Leuten Raum gegeben wird, einfach ihren Unmut über die Hygienemaßnahmen loszuwerden und sich dabei lauthals über Politik und Wissenschaft zu beklagen. Was natürlich völlig absurd ist.
Schließlich sind nicht Politik und Wissenschaft an dem Virus nicht schuld.
In diesem Punkt wäre es zielführender, sich darüber zu beklagen, dass immer noch zu viele Menschen sich nicht an die Hygienemaßnahmen halten und wir die Pandemie so immer noch nicht zum Stoppen gebracht haben.
Warum Medienschaffende dann nicht einhaken und nachfragen, verstehe ich nicht. So würde ich gern die Sprecherin des Hotel- und Gaststättenverbandes nach ihrem rituellen Klagegesang gern einmal fragen, wie sie sich die weitere Pandemie-Bekämpfung vorstellt. Ob nicht vielleicht eine sorgfältigere Einhaltung der Hygiene-Maßnahmen seitens der Hotels und Gaststätten zur Pandemie-Eindämmung helfen könnten. Oder einen Skilift-Betreiber damit konfrontieren, dass er beim Ski-Tourismus direkt für die Erkrankung und möglicherweise sogar den Tod von Menschen verursacht und den viel wichtigeren Schulbesuch von Kindern behindert.
Die Bemerkung „Aber die Wirtschaft!“ ist an Dummheit kaum zu übertreffen. Die bisherigen Lockdowns und Hygienemaßnahmen sind ein Witz gegen das, was eine nicht endende Pandemie langfristig an volkswirtschaftlichem Schaden anrichtet. Offenbar können solche „Wirtschaftsexperten“ nicht gut genug rechnen, um den Betrieb ausgelasteter Intensivstationen und das Ausfliegen von Erkrankten von München nach Hamburg gegen den Kölner Karneval, Skiferien oder andere Events gegenzurechnen.
Da wären wir wieder bei Fakten und Meinungen, False Balance und Bullshitting.
Medienschaffende sollten sich gerne häufiger einmal fragen, ob sie beim Pandemie geschehen Teil der Lösung oder Teil des Problems sein möchten.
Dass Personen, die die Pandemie einzudämmen versuchen, wie MedizinerInnen, WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und andere Menschen massiv bedroht werden, ist vollkommen inakzeptabel. Die Fachzeitschrift Nature hat dazu gerade den Beitrag: „‘I hope you die’: how the COVID pandemic unleashed attacks on scientists“ gebracht, der mich erschreckt hat.
Was ist Dummheit?
Natürlich gibt es dumme Menschen, die nicht in der Lage sind, ein Problem zu erkennen und eine Lösung dafür zu suchen. Stattdessen machen sie eine Person, die ihnen das Problem berichtet , dafür verantwortlich.
Ihnen so viel Raum in den Medien einzuräumen, halte ich für sehr fragwürdig. Auch hier könnten Medienschaffende einfach mal nachfragen, um eine Idiotie auch mal als Idiotie zu entlarven.
Ein Interview der SZ mit der Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner-Fritzl fand ich dazu ausgesprochen lesenswert. Sie erklärt, warum man nicht mit allen reden muss, welche Menschen zu blöden Entscheidungen neigen und wieso Dummheit nicht unbedingt eine Frage der Intelligenz ist. Dummheit erklärt sie so: „Es ist die Tendenz, Fakten zu ignorieren. Und im Sinne des kurzfristigen, unmittelbaren und scheinbaren Vorteils langfristige negative Folgen für sich und andere zu ignorieren. Dumme Menschen verstehen sich nicht als Teil eines Gefüges, für sie kommen immer nur die eigenen Belange an erster Stelle.“ Manche vermeintlichen Gespräche seien eben nur ein Austausch von Monologen. Wenn nicht auf beiden Seiten eine Bereitschaft zum Dialog vorhanden sei, handele es sich um „eine zweckbefreite und absehbar ergebnislose Kombination zweier Monologe“. Dann könne man sich „Mühe, Ärger und Zeit,“ sparen, um „mit Menschen zu diskutieren, die das Recht auf eine eigene Meinung mit dem Recht auf eigene Fakten verwechseln.“ Damit beschreibt sie exakt das Verhalten von Personen, die Corona als Verschwörung von Wissenschaft, Politik und anderen Kreisen interpretieren, und sich selbst durch en Minimum an Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen in ihrer persönlichen Freiheit bedroht sehen. Ein Umdenken ist nicht geplant und jede Nicht-Zustimmung wird als persönliche Attacke gewertet, daher kann man sich solche Gespräche größtenteils sparen. Sie sieht eine zunehmende Bereitschaft zu Verschwörungstheorien und zum Leugnen von Fakten. Ein Merkmal von Dummheit sei auch, nicht das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen, sondern für eigene Probleme stets andere Personen verantwortlich zu machen. Sie warnt davor, dummen Leuten zu viel Platz einzuräumen, da dies einer Gesellschaft schaden könne.
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