Eisfisch-Nest-Ansammlungen sind schon an anderen Stellen beschrieben worden, aber bisher waren es nur einige Dutzend Nester. So hatte ein italienisches Team um Emilio Riginella gerade Ansammlungen von bis zu 93 Eisfischnestern und ihre Brutfürsorger beschrieben. Ihre Daten stammten aus Photos, außerdem hatten sie mit einem Agassiz-Trawl einige Fische gefangen. Vor allem Weibchen, von denen viele gerade abgelaicht hatten, meist vier oder fünf Jahre alt. Die Nester wurden von jeweils einem einzelnen Männchen bewacht, neben einigen leeren Nestern lagen tote Fische.
Die jetzt entdeckte Massen-Kinderstube hatte niemand erwartet!

Erwachsene Eisfische bauen runde Nester, indem sie mit den Brustflossen Kies und Sand wegschaufeln, Mulden auf sandig-kiesigem Grund mit 75 Zentimetern Durchmesser. In jedem Nest können bis zu 2100 Eier liegen. Das ist für Fische eine sehr niedrige Geburtenrate, unsere einheimische Scholle laicht zwischen 50.000 und 500.000 Eier ab. Allerdings sind die Eier der Eisfische wesentlich größer und werden ja auch noch bewacht. Diese Strategie mit wenigen Nachkommen und viel Brutfürsorge ist gerade in der Antarktis sehr erfolgreich, bei so unterschiedlichen Tiergruppen wie Flohkrebsen und Pinguinen.

Die Wahl des Ortes für diese Brutkolonie dürfte kein Zufall sein: Die über die Nistkolonie gemessenen Temperaturen am Meeresgrund waren bis zu 2 °C wärmer als die Umgebung. Das deutet auf einen räumlichen Zusammenhang mit dem dort aufströmenden warmen Tiefenwasser (mWDW) hin, das das Weddell-Schelf und die Brutkolonie umfließt.

Eine gute Nachricht ist, dass Jonahs Eisfisch nicht kommerziell befischt wird.
Trotzdem wäre es wichtig, an dieser Stelle zügig ein Schutzgebiet (Marine Protected area, MPA)  einzurichten, um sicherzustellen, dass diese einmalige und für die antarktischen Ökosysteme wichtige Brutkolonie nicht durch direkte oder indirekte menschliche Einwirkung gestört werden kann.
Etwa für die Robben sind die Eisfische eine extrem wichtige Nahrungsquelle. Die Forscher hatten Weddel Robben (Leptonychotes weddellii) kleine Sender auf den Kopf geklebt und so schon vorab herausgefunden, dass dieses Seegebiet für die Meeressäuger ausgesprochen attraktiv ist. Die Sender fallen spätestens beim nächsten Fellwechsel wieder ab und behindern die großen kräftigen Robben nicht beim Schwimmen, Weddell-Robben müssen mit über 2,5 Meter Größe und 400 Kilogramm Gewicht nur Orcas fürchten, ansonsten sind sie neben Seeleoparden die Top-Prädatoren der Antarktis.
Die Eisfische selbst fressen als Jungtiere Krill und später Krill und kleinere Fische. Diese Nistkolonie aus lebenden und toten Fischen ist eine extrem hohe Konzentration von Biomasse und dürfte einen gewaltigen ökologischen Impact für das gesamte Areal haben.

Quelle: Autun Purser, Laura Hehemann, Lilian Boehringer et al: “A vast icefish breeding colony discovered in the Antarctic”. January 13, 2022, CurrentBiology, DOI:https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.12.022

Hier ist ein AWI-Video der Entdeckung: “Weltweit größtes Fischbrutgebiet in der Antarktis entdeckt”

 

BildAutun Purser, der geniale Illustrator spekulativer Zukünfte

Autun Purser ist aber nicht nur ein exzellenter Meeresbiologe, der mit seinen Kameras stetig neue aufregende Tiere und Ökosysteme ausspioniert – where no man has gone and observed before – sondern auch ein ausgezeichneter Illustrator.

Seine digitale Kunst veranschaulicht nicht nur seine Reisen in entlegene Ökosysteme, seine Arbeit und die pittoreske Tiefsee-Fauna und Unterwasserlandschaften, sondern er begeistert sich auch für spekulative Zukünfte der Unusual Fiction (Science Fiction, Fantasy, Strange Fiction,…). So illustriert er imaginäre Reisen in zukünftige Zeiten, auch an unirdische Orte.

Für diese Abbildung eines höchst irdischen Johnas Eisfisches hat er uns freundlicherweise die Genehmigung erteilt.

In diesem Kontext habe ich ihn vor einigen Jahren in Dortmund auf der SF-Veranstaltung DortCon getroffen, wo er als Ehrengast eingeladen war.
Seine Kunst finde ich phantastisch, ein kleines Poster hängt seit der DortCon an meiner Wand.
Gern hätte ich ihm noch ein paar Stunden zugehört, er kann nämlich wunderbar erzählen, sowohl über seine Arbeit als auch über seine Freizeitbeschäftigung.
Seine genialen Werke kann man hier anschauen und bestellen.

 

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Kommentare (6)

  1. #1 JW
    15. Januar 2022

    Danke, den Artikel wollte ich schon einfordern. 😉

  2. #2 Bettina Wurche
    15. Januar 2022

    @JW: Da sind Dir meine Schwägerin und ungefähr 10 Leute auf Twitter u Facebook zuvorgekommen : ))) Es ist aber auch wirklich eine absolute Sensation. Sowohl die Entdeckung an sich als auch der Umstand, dass es in der Tagesschau kam : )

  3. #3 Kerberos
    16. Januar 2022

    Ein
    geringer Eisengehalt im Südpolarmeer würde mich
    mehr überzeugen als die genannten Gründe für die
    Anpassung.

  4. #4 Karin Sandmann
    Rheurdt
    17. Januar 2022

    Vielen Dank für den fabelhaften Beitrag, durch den ich nicht nur viel über die Eisfisch-Brutkolonie gelernt habe:

    Dass nämlich auf einem Forschungsschiff mehrere Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Aufgaben und individuellen Zeitplänen tätig sind; dass es also gar nicht selbstverständlich ist, solche Sensationsfunde sofort weiter zu verfolgen.
    Und dass Autum Purser -auch – ein begnadeter Illustrator ist.

    Me(h)er Text mit solchen tollen „Hintergrund“Informationen !

    Karin Sandmann

  5. #5 Bettina Wurche
    17. Januar 2022

    @Karin Sandmann: Danke, liebe Karin! Mein erster Kommentar aus Rheurdt : )

  6. […] „Das große Resteessen“ beschreibt das AWI in seiner Pressemitteilung das Schwamm-Buffet auf den Unterwassergipfeln. Um den Ursprung des Schwammfutters herauszufinden, kartierte und beprobte das Team zunächst den Meeresboden mit all seinen Bewohnern. Dabei kam wieder das OFOBs zum Einsatz – das Ocean Floor Observation and Bathymetry System. Das OFOBS wird wenige Meter über dem Tiefseemeeresboden geschleppt und kartiert dann in direkter Aufsicht die Landschaft und ihre Faunengesellschaften. Da es in der Aufsicht einen Bildausschnitt von definierter Größe betrachtet, können die Ergebnisse numerisch ausgewertet werden, wie schon am Beispiel der antarktischen Eisfisch-Kolonien beschrieben. […]