Eigentlich möchte ich meine “Rantquote” ja gering halten, aber wenn ich so was lese, überkommt es mich doch. Vielleicht habt ihr es auch gelesen, z. B. in solch effekthascherischen Meldungen: Eine bekannte Tabellenkalkulation soll dafür verantwortlich sein, dass 1/5 aller genetischen Veröffentlichungen fehlerhaft sind (was ich kaum glauben mag, weil die Stichprobe in der Originalveröffentlichung klein und besonders ist! deswegen hatte ich diese Links auch längst bei Seite gelegt). Doch dann bekomme ich so eine Mail (und fast zeitgleich die Anfrage eine schlechte Software “HPC-fähig” zu machen):
Die richtige Software für den richtigen Zweck wählen ist wichtig (als WissenschaftlerIn und anderswo): Tabellenkalkulation hat sinnvolle Einsatzgebiete, z. B. Büroanwendungen. Doch Tabellen sind auch so etwas wie der “kleinste gemeinsame Nenner” aller Naturwissenschaft: Sie begegnen den allermeisten von uns im Karriereverlauf irgendwann mal. Dafür gibt es im wissenschaftlichen Bereich, je nach Fragestellung bessere Softwaretools, angefangen von der “Statistiksprache” R oder pandas oder … oder … oder … . Gerne auch aufgepeppt mit einer Datenbankanbindung. Es gibt also dedizierte Lösungen jenseits derjenigen, die wir schon seid Schulzeiten kennen.
Disclaimer-Intermezzo: Natürlich möchte ich auch hier noch mal darauf hinweisen, dass “Skriptsprachen” ihren Sinn haben und doch nicht in rechenintensiven Projekten den Kern bilden sollten. Und klar, auch im wissenschaftlichen Kontext kann eine Tabellenkalkulationsanwendung sinnvoll und gut sein. Und absolut: Die Fehler einer Anwendung können nicht von den Anwendern antizipiert werden. Wie auch?
Nun, ich kann mir vorstellen, wie in eine Arbeitsgruppe eine schlechte Arbeitsweise einsickert: Jemand hat eine schnelle Lösung für ein häufiges Problem, eine gute, dauerhaft tragfähige und wartbare Lösung ist aufwendig. Und folglich bleiben alle bei der ersten Lösung. So etwas habe ich selbst häufig erlebt. Z. B. während meiner Dissertation, wo zur Qualitätssicherung und Vorbereitung weiterer Prozessierung von SAXS-Daten eben auch ein Tabellenkalkulationsblatt verwendet wurde (bis ich meine eigene Lösung schrieb, die – Asche auf mein Haupt – nie das Licht der wissenschaftlichen Welt erblickte). Oder in einer anderen Arbeitsgruppe, wo wir ebenfalls eine Tabellenkalkulation verwendeten, um unserer Konstrukte zur heterologen Expression Herr zu werden. Eine Datenbankanwendung wäre besser gewesen.
Gute wissenschaftliche Praxis ist das Alles nicht. Gutes Datenmanagement geht anders. Und insbesondere wenn man liest (oder durch Erfahrung weiß oder insgeheim vermutet), dass es Probleme mit einer bestimmten Lösung gibt (wie eingangs erwähnt) und man eine ähnliche Lösung im Labor verwendet, dann sollte man in der nächsten Teambesprechung doch mal laut über Alternativen nachsinnen und diese aktiv suchen …
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