Erinnert sich noch jemand an den Prozess “Bardens gegen Lanka”? Stefan Lanka, stolzer Preisträger des Goldenen Brettes (2015), lobte vor zehn Jahren ein Preisgeld von 100.000 Euro für den Nachweis der Existenz und die Bestimmung der Größe des Masernvirus aus, dessen Existenz er bestritt. David Bardens reklamierte das Preisgeld, nachdem er erfahren hatte, dass jeder, der einen Nachweis erbringen kann, dazu berechtigt ist. Er schickte auf dem Postweg sechs Veröffentlichungen an Lanka. Letztlich ging die Angelegenheit vor Gericht und in letzter Instanz, beim Oberlandesgericht Stuttgart, wurde Lanka zugesprochen das Preisgeld nicht zahlen zu müssen. Begründet wurde dies mit der Auslobung des Preisgeldes, wonach eine Publikation (die alles gewünschte zeigt) gefordert war, aber sechs verschiedene eingereicht wurden, die insgesamt den Nachweis des Virus und Bestimmung seines Durchmessers erbrachten. MaiLab bietet eine sehenswerte Zusammenfassung des Falls im Interview mit David Bardens.

Und heute?

Heute gibt es eine vergleichbare Auslobung (webarchive), von Samuel Eckert, einem bekannten “Querdenker” mit Historie. Die Verbindung zum Lanka-Fall haben auch schon andere gezogen – ich bin erst durch den Kommentarstrang im letzten Blogbeitrag aufmerksam geworden. Jetzt aber zur Auslobung:

WIR BEHAUPTEN:

Die abgebildeten Professoren können keine Textstellen aus Publikationen präsentieren, die den Vorgang der Isolation von SARS-CoV-2 und dessen Gensubstanz wissenschaftlich beweisen.

UNSER ZIEL:

Kann keine Publikation präsentiert werden, müssen Kontrollversuche und das entscheidende Alignment gemeinsam mit uns und der betreffenden Person durchgeführt werden.

UNSER VERSPRECHEN:

Kann in diesen gemeinsamen Versuchen oder durch die Publikationen unsere Behauptung widerlegt werden, erhält die entsprechende Person die in diesem Pool enthaltene Summe zzgl. 225.000 EUR.

Hier auf Scienceblogs können wir uns hoffentlich darauf verständigen, dass die Prämisse “das SARS-CoV-2-Virus wurde nicht isoliert und seine Gensubstanz nicht wissenschaftlich bewiesen” großer, sehr großer Unsinn auf mehreren Ebenen ist. Meine Erwartung ist eher: Hier wird der Lanka-Gambit ein zweites Mal versucht, um vor dem ohnehin “querdenkenden” Publikum einen Punkt zu landen und weiter Zweifel zu streuen, sich über Wissenschaftler lustig zu machen, etc..

Das Beispiel Lanka lehrt, dass es sehr genau auf die Formulierung der Auslobung ankommt: Es gibt bestimmt irgendeinen Punkt, der von Querdenkerseite angegriffen werden kann (schon weil manche Veröffentlichung schludrige Beschreibungen hatten, ein Kritikpunkt, der hier im Blog des Öfteren vorkommt) – auch wenn alles im wissenschaftlichen Sinn einwandfrei nachgewiesen wird.

Kritik an der Auslobung

  • Die abgebildeten Professoren, nennt zwar keine Namen, aber erwartet ist die Erwartung, dass nur vier Menschen zugestanden wird die wissenschaftliche Literatur zu kennen und darzulegen? Warum sollten diese über das Stöckchen springen wollen (außer natürlich für das Geld)?
  • Textstellen aus Publikationen und das folgende und – möchte Herr Eckert hier, dass in den erfragten Textstellen jeweils beides, Isolation des Virus und Nachweis der “Gensubstanz” erfolgen? Das schlösse jeweils diejenigen Publikationen aus, die sich auf nur einen Aspekt beziehen, würde aber immer noch viele mögliche Publikationen mit einschließen.
  • den Vorgang der Isolation von SARS-CoV-2 … beweisen – hier geht es zwar in der Folge um die “Gensubstanz”, aber wie genau ist ein “Vorgang einer Virusisolation” zu beweisen? Viren sind klein, üblicherweise wird isoliert und sequenziert, manchmal auch nur “gefischt” und sequenziert oder hybridisiert und damit ist der Beweis erbracht den fraglichen Virus in der Probe zu haben. Welche Art “Beweis” für einen Coronaleugner akzeptabel ist, steht hier nicht.
  • Gensubstanz wissenschaftlich beweisen – na, dass hier keine Fachsprache verwendet wird, will ich nicht bekritteln. (Die lasse ich im Blog oft genug selber Fachsprache Fachsprache sein.). Aber auch hier stellt sich die Frage: Was heißt “beweisen”? Nachweisen, im Sinn von Vorhandensein beweisen? Nichts leichter als das.
  • aber es geht ja noch weiter: Kann keine Publikation präsentiert werden, müssen Kontrollversuche und das entscheidende Alignment gemeinsam mit uns und der betreffenden Person durchgeführt werden. Was heißt “(k)eine Publikation”? Keine im Auge der Auslobenden zufriedenstellende? Dann aber müssen “Kontrollversuche gemeinsam mit uns” durchgeführt werden. SARS-CoV-2 wird für gewöhnlich in S3-Laboren untersucht. Welche Laborleiter würden da untrainierte Gäste einlassen? –  Niemand. Darf man nämlich gar nicht. (Mal abgesehen davon, dass ich manche dieser Gäste noch nicht mal in mein 08/15-Büro lassen würde. Und es ist ja auch gar nicht klar, welche Methode als “Beweis” gilt. Eine elektronenmikroskopische Aufnahme? Die kann möglicherweise gar nicht in den Laboren der 4 Professoren erfolgen, sondern nur beim Nachbarn, ein Institut weiter.) Ach ja, dann ist da noch das “Alignment”. Moment mal … wenn man RNA sequenziert, hat man eine Sequenz. Punkt. Die kann man natürlich noch vergleichen mit hinterlegten Sequenzen, schauen, ob es Abweichungen gibt und noch viel mehr, was die Bioinformatik so her gibt. Aber wenn schon die Existenz des Virus angezweifelt wird und damit auch die Validität der in Datenbanken hinterlegten Sequenzen ergibt sich ein Zirkelschluss der Nichtbeweisbarkeit. Am Ende wäre so kein Nachweis gelungen, Alignment hin oder her.

Was passiert mit dem Geld?

Offenbar wird hier Geld auch von freiwilligen Spendern ausgelobt. Dies zusätzlich zu den ausgelobten 250.000 €. Klickt man sich durch, wird an keiner Stelle darüber aufgeklärt, was mit dem Geld im Fall der Nichtinanspruchnahme der ausgelobten Summe geschehen wird. Zahlen kann man über PayPal. Die einzige Möglichkeit bei diesem Zahlungskanal Geld zurück zu fordern ist lieb zu bitten. So kann man natürlich Geld verdienen: Publicity für die diversen anderen Produkte und natürlich kann man anderswo auf der Seite auch anderweitig direkt spenden für die Sache des Samuel Eckert.

Anfrage

Ich habe also am 28. März folgende Anfrage abgesendet:

Sehr geehrter Herr Eckert,
sehr geehrte Damen und Herren,

gegenwärtig loben Sie 250.000 € für den Nachweis von SARS-CoV-2 aus. Hierzu habe ich einige Fragen und möchte gerne Ihre Antwort in meinem Blog (https://scienceblogs.de/rupture-de-catenaire ) posten.

– dürfen nur die 4 abgebildeten ProfessorInnen den Nachweis erbringen?
– was gilt als “Beweis” im Sinne der Ausschreibung? Eine mikroskopische Aufnahme? Etwas Anderes? Wenn ja, welche Methode ist für Sie akzeptabel?
– was genau sind “Textstellen aus Publikationen”? Dürfen dies auch unzusammenhängende Textstellen verschiedener Publikationen sein?
– was ist der “wissenschaftliche Beweis der Gensubstanz”? Die Sequenzierung der RNA? Der Nachweis über Hybridisierung? Etwas Anderes?
– wie würden Sie damit umgehen, falls der Zugang zu einem Labor zwecks Kontrollversuch nicht erlaubt werden kann, falls aus legalen Gründen (Sicherheitszulassung) kein Zutritt zum Labor gewährt werden kann?
– es wird zusätzliches Geld von Spenderinnen und Spendern ausgelobt? Was geschieht mit dem Geld im Fall der Nichtinanspruchnahme der ausgelobten Summe? Wie werden die Spenderinnen und Spender darüber informiert?

Über eine Antwort binnen 5 Tagen würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen,

Man gönnt sich ja sonst nichts.

Bislang kam keine Antwort. Habe ich auch nicht erwartet. Der Zweck ist – in meinen Augen – weiteren Sand in die Augen der Anhänger zu streuen, Publicity für die eigene Sache (Asche auf mein Haupt, dass ich dazu auch noch beitrage) und Geld zu verdienen. Stand heute ist der Zähler der eingegangen Spenden bei 11.500 CHF.

Screenshot vom 1. April 2020

Wieso Schweiz?

Wieso eigentlich Schweizer Franken? Nun, das Geld geht auf ein schweizer Konto. Das ist nicht Ehrenrühriges – ich hatte auch mal eines, als ich dort gelebt habe und Herr Eckert ist besitzt offenbar Unternehmen, die in der Schweiz registiert sind (Link zum eigenen Nachvollziehen).

Doch mehr als 11.000 Euro (plus die zusätzliche Publicity für die anderen Aktivitäten) für das Aufsetzen einer Webseite und etwas Geduld? Das ist ein hübscher Unternehmernebenverdienst. Seine Anhänger werden hier keinen Betrug wittern. Ich finde das mehr als anrüchig.

flattr this!

Kommentare (12)

    • #2 Christian Meesters
      2. April 2021

      KwT!

      Kannte ich nicht / habe ich übersehen – danke für den Link. Ich möchte die Gelegenheit ergreifen und kurz erläutern, warum ich mich hier auch bei größtem Unfug oder schlimmeren sprachlich zurückhalte und aus dem Impressum von anonleaks zitieren:

      Ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt…

      … doch, Ihr habt!

      Ja, nö. Keine Namen, keine Adressen. Vielleicht irgendwo in diesem Bielefeld? Wer weiß …

      Kann man verstehen, wenn man sich solche Gegner aussucht. Dieser Blog ist gestartet nicht nur gegen Blödsinn anzuschreiben, sondern über Wissenschaft zu schreiben. Eine kleine, furchtbar zeitfressende und prioritätsverschiebene, Pandemie kam dazwischen. 😉

  1. #3 Patrick
    21. Dezember 2021

    Guten Tag,

    auf der Suche nach Studien, welche die Isolation von SARS-CoV-2 beschreiben, bin ich auf diesen – doch schon etwas älteren – Artikel gestossen. Ich hoffe, Sie können mir ein paar Fragen beantworten diesbezüglich.

    Ich bin kein Wissenschaftler und beschäftige mich mit diesem Thema somit als Laie. Was ich verstanden zu haben glaube, ist folgendes: Im Fall von Viren – und wie mir scheint, ausschliesslich in diesem Fall – wird der Begriff der Isolation anders verwendet. Auf correctiv.org werden vier Institute aufgelistet, aus Korea, Kanada, den USA und Deutschland, wo SARS-CoV-2 als Zellkultur “gezielt vermehrt werden konnte”. Ich habe mir alle die dort veröffentlichten Links angeschaut und musste feststellen, dass dies zwar zutrifft, allerdings nicht auf eine reine Zellkultur, wie dies von den Kochschen Postulaten eigentlich verlangt wird.

    Es liegt mir fern, zum x-ten Male eine Diskussion zu Kochs oder Rivers Postulaten vom Zaun zu reissen. Ich habe vielmehr zwei Fragen, auf welche ich seit knapp zwei Jahren von niemandem eine Antwort erhalten habe:

    1. Aus welchem technischen Grund wird, im Fall von Viren, der Prozess der Isolation anders gehandhabt als bspw. im Fall von Bakterien? – Letztere sind zwar grösser, es wurden aber auch schon Mikroorganismen isoliert, die ebenso klein sind wie Viren.

    2. Sollte keine technische Hürde bestehen, dies zu tun, warum wird es dann nicht gemacht? – Dies würde alle Kritiker augenblicklich zum Verstummen bringen.

    In der Studie aus Wuhan, vom Februar 2020, wird die Aufnahme eines nicht isolierten Organismus’ präsentiert (nach allgemein sprachlicher Auffassung dieses Terms, jedenfalls). Dieser wurde dann zwar sequenziert – in silico, also weder in vitro noch in vivo -, aber physisch isoliert wurde er nicht. – Warum nicht? Sollte ich mich in die Situation eines Mikrobiologen zu versetzen versuchen, der darum bemüht wäre, eine mögliche Kritik im Keim zu ersticken, würde ich versuchen, besagten Organimus tatsächlich zu isolieren und in Reinkultur zu züchten, standardisierte Vorgehensweise hin oder her.

    Entweder wurde dies tatsächlich ausgeführt, und ich selbst bin nicht in der Lage, die entsprechende Studie zu finden. In diesem Fall wäre ich dankbar, für einen entspr. Link. Oder man kümmert sich nicht darum und nimmt in kauf, dass ein grundsätzliches Argument immer wieder auftaucht.

    Ich hoffe, ich habe genügend die hier aufgestellt Regeln zur Diskussion beherzigt – die ich nicht nur gründlich gelesen habe, sondern auch befürworte. Sollte bei mir ein Denkfehler vorliegen, wäre ich dankbar, sollte mich jemand mit schlüssigen Argumenten darauf hinweisen.

    Mit besten Grüssen und vorangehendem Dank für allfällige Antworten.

    • #4 Christian Meesters
      21. Dezember 2021

      Bakterien sind Lebewesen, Viren nicht. Viren benötigen Zellen anderer Lebewesen zur Vermehrung. So etwas macht man im Fall von RNA-Viren wie SARS-CoV-2 in Zellkulturen. Das ist auch bereits mehrfach publiziert. Die Studien hinter dem Link sind sicher nicht alle: Die Forschung ist gerade sehr heiß und gelegentlich ist die Zellkultur einfach Mittel zum Zweck und werden nicht als Stichwort angegeben.

      Um Viren in Zellkultur vermehren zu können, müssen sie aus anderen Organismen (hier: Menschen bzw. menschlichem Gewebe) isoliert werden und das Prozedere wird in solchen Veröffentlichungen beschrieben. Im Blog war auch schon verlinkt, dass es elektronenmikroskopische Rekonstruktionen gibt. Nicht besonders gut, die werden auch nicht besser werden: SARS-CoV-2 ist ein eher wabbeliges Ding, sieht dann in etwa so aus. Aber das Kriterium des Herrn Eckert ist insofern (aus wissenschaftlicher Sicht) längst erfüllt. Eckerts eigenwilliges Verständnis der kochschen Postulate hat schon seinen Grund – mittlerweile liegen die Zuwendungen seiner Anhänger offenbar um einiges höher. Erfolg ist ihm nicht abzusprechen.

      In der Studie aus Wuhan, vom Februar 2020, wird die Aufnahme eines nicht isolierten Organismus’ präsentiert (nach allgemein sprachlicher Auffassung dieses Terms, jedenfalls). Dieser wurde dann zwar sequenziert – in silico, also weder in vitro noch in vivo -, aber physisch isoliert wurde er nicht. – Warum nicht?

      Ich weiß jetzt nicht, worauf sich “die Studie aus Wuhan aus dem Feb. 2020” bezieht. Doch auch hier möchte ich mir nicht die Terminologie von Coronaleugnern zu eigen machen: Sequenzen eines Virus gewinnt man gemeinhin aus isoliertem Genmaterial. Das wurde gemacht und findet mittlerweile täglich statt. Die Einordnung von SARS-CoV-2-Viren in Gruppen (sog. Kladen) basiert auf bioinformatischer Analyse. Namensgebung und die Frage wann eine Klade einen neuen Namen rechtfertigt ist ein wenig willkürlich. Mehr dazu hier. Wir könnten nicht über “Delta-” und “Omikron-“Varianten sprechen ohne derartige Arbeiten.

      Dies würde alle Kritiker augenblicklich zum Verstummen bringen.

      Ich wünschte dies wäre so. Aber es geht längst nicht um einen wissenschaftlichen Diskurs. Der würde ohnehin nicht auf Youtube, Odysee und Telegram geführt werden, sondern in Fachzeitschriften und Kongressen. Es geht vielen treibenden Kräften aus der Leugnerszene längst um den schnöden Mammon. Andere haben sich längst so hereingesteigert, dass die emotionalen Opportunitätskosten des Umdenkens sehr hoch sind.

  2. #5 Patrick
    21. Dezember 2021

    Herzlichen Dank für Ihre Antwort und die Links.

    Die Erklärung betr. Zellkultur ist klar. Danke auch dafür. Ich verstehe noch nicht, warum für die Erfassung des Genoms Software zum Einsatz kommt. Aber ich werde zuerst die Quellen, die Sie mir verlinkt haben, durchlesen. Vielleicht findet sich dort die Antwort.

    Die von mir erwähnte Studie aus Wuhan ist diese: https://www.nature.com/articles/s41586-020-2012-7

    Ein Hinweis noch; insofern ich das korrekt verstanden habe, beruhte das Urteil zugunsten Lankas, nach dem damaligen sog. Masernviren-Prozess nicht auf einem Formfehler – also nicht darauf, dass sechs, anstatt nur eine Studie eingereicht worden waren -, sondern darauf, dass sich diese Studien gegenseitig ergänzten, jedoch keine davon beide gestellten Bedingungen erfüllte (der Nachweis sowie die Bestimmung des Durchmessers). Soweit ich das verstanden habe, wurden alle sechs Studien daraufhin geprüft, u.a. auch durch Experten der WHO, die hinzugezogen worden waren.

    Lankas Argument war, dass diese beiden Bedingungen von einer einzelnen Studie nicht erfüllt werden können. Ich selbst kann nicht beurteilen, ob dies zutrifft. Besagte Experten sind nicht dieser Ansicht. Sie vertreten die Meinung, ergänzende Studien würden ausreichen. Allerdings entsprach dies nicht den gestellten Bedingungen.

    Was Sie erwähnen, in bezug auf das ökonomische Ausschlachten von seiten vieler oppositioneller Autoren, muss ich Ihnen recht geben. Allerdings sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die hiesige Industrie sowie einzelne Politiker und Wissenschaftler auch ihren Beitrag leisten dazu, aus allem ein Geschäft zu machen. Das ist aber eine Diskussion, auf die ich mich lieber nicht einlassen möchte, weil sie stark emotional aufgeladen ist und, meines Erachtens, nirgends hinführt.

    Nochmals danke, für Ihre Antworten. Ich werde mich in den nächsten Tagen durch die Links durch arbeiten.

    • #6 Christian Meesters
      22. Dezember 2021

      Ich verstehe noch nicht, warum für die Erfassung des Genoms Software zum Einsatz kommt.

      Na ja, aus demselben Grund, warum heutzutage auch Handwerker nicht mehr auf Zettel, Papier und Abakus für die Buchung zurückfallen. Weil es zu komplex ist.

      Selbstverständlich könnte man auf eine Sequenzierung nach Sanger durchführen. Das würde länger dauern, sehr viel länger. Und anschließend könnte man sehr viele Leute als menschliche Aligner anstellen, die auf Papier Matrizen erstellen, um dann in einem nächsten Schritt auch die Aminosäuresequenzen zu ermitteln. Das würde lange dauern und auch bei einem kleinen Virusgenom eher fehleranfällig sein. So sind wir Menschen halt.

      “Erfassung des Genoms” ist (zwar nicht Fachsprache, aber) ein mehrstufiger Schritt: Moderne Sequenzierer geben ein Farbsignal (es gibt auch andere Technologien, aber das rechtfertigt mehrere eigene Artikel oder eine ganze Vorlesungsreihe), sehr klein (so ein Sequenzierchip hat die Größenordnung eines CPU-Sockels). Das wird durch eine Digitalkamera aufgenommen und die Signale werden in Sequenzen übersetzt. Hier kommt das erste Mal ein Computer zum Einsatz. Anschließend stehen Vergleiche (Alignments) und Übersetzungen (was hat dieses Virus im Genarsenal? Und wie sehen die übersetzten Sequenzen aus?) auf dem Programm.

      Bzgl. des “Lanka-Urteils” beruht das Unverständnis in der Skeptikerszene darauf, dass wer hingeht und ein Gewinnspiel auslobt, bei dem ähnliche Tricks einen Gewinn verunmögliche, sich sehr schnell als Betrüger auf der Anklagebank wiederfindet, weil derartige Spitzfindigkeiten für Teilnehmer nicht unmittelbar zu erkennen sind. Wissenschaft läuft nicht so, wie Herr Lanka provozierend vorstellte. Es ist nicht nur bei einer Pandemie geboten, Resultate schnell zu publizieren, weil es Leben retten kann – und somit darauf zu verzichten, sich jahrelang im Labor zu vergraben, bis eine hochkonzentrierte Virussuppe isoliert, mikroskopiert, sequenziert und pathologisch charakterisiert ist. Auch im virologischen (und allg. biochemischen) Alltag ist das nicht möglich. Die Arbeiten im Labor sind, wie anderswo in der Gesellschaft, hoch spezialisiert: Man arbeitet zusammen, weil die Rekonstruktion elektronenmikroskopischer Aufnahmen (was bei hochsymmetrischen Virenkapsel auch bei atomarer Auflösung möglich ist) ein Spezialgebiet ist, weil die bioinformatische Analyse ein Spezialgebiet ist, weil die Zellkultur ein Spezialgebiet ist.

      Freikirchliche Pokerspieler und Zahlenjongleure wie Herr Eckert mögen sich das anders vorstellen. Aus meiner Sicht als Wissenschaftler sind schon seine Formulierungen unverständlich – na ja, vielleicht bin ich durch meine Vereinfachungen auch nicht sehr präzise, aber ich versuche zumindest nicht grob falsch bzw. tendenziös zu formulieren.

      Vier Sätze noch zur Politik: Ja, das bringt jetzt hier nichts mehr. Mir ist auch unklar, warum ein Herr Spahn nicht zurücktreten musste (Stichworte: u. a. Maskengeschäfte, Hausdeals). Aber im Vorfeld der Wahl wurde das der CDU auch angekreidet. Der Rest ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess. Wir alle haben als mündige Bürger mit in der Hand, was wir daraus machen.

      • #7 Christian Meesters
        22. Dezember 2021

        PS in den nächsten Tagen wird hier keine Antwort erscheinen: Bin in Weihnachtsferien und 100%ig offline.

  3. #8 Patrick
    22. Dezember 2021

    Wir können die Themen “Lanka” und “Eckert” gerne abhaken und uns auf die Isolation des Virus’ konzentrieren.

    Danke, für den Hinweis auf die Sequenzierung nach Sanger. Diese Links sind wirklich sehr nützlich und interessant. Allerdings war mein Satz falsch formuliert – mea culpa. Eigentlich wollte ich fragen, warum sequenziert wird, ohne dass irgend etwas isoliert wurde. Haben wir kein Isolat z.V., können wir’s nicht injizieren und somit kein Krankheitsbild erstellen, sollten denn Symptome festzustellen sein. Im Endeffekt haben wir somit keine Ahnung, was wir da überhaupt sequenziert haben, unabhängig davon, ob die Sequenzierung selbst zuverlässig arbeitet oder nicht.

    Dies wiederum würde dazu führen, dass – im schlimmsten Fall – ein x-beliebiger Mikroorganismus als Virus verteufelt wird, dessen Pathogenität nicht erwiesen ist, und somit alle darauf aufbauenden Massnahmen ins Leere laufen.

    Hierbei will ich nicht die Existenz von Viren in Zweifel ziehen. Bevor jedoch drakonische Massnahmen zu deren Bekämpfung erlassen werden, würde ich persönlich doch gerne auf das Vorzeigen eines Beweises für deren Pathogenität bestehen – und dieser wäre durch die entspr. Isolation und nicht durch die Sequenzierung zu erlangen. Letztere kann man sich auch schenken, sollten die Versuchstiere keine Symptome entwickeln. Ausserdem wäre dann noch das Infizierungspotential nachzuweisen.

    Deshalb, meine Frage: Warum wird das nicht gemacht? Gibt es technische Gründe dafür? Oder sind es vorwiegend ökonomische? Aus welchem triftigen Grund wird, nach zwei Jahren, dieser vermutete Erreger nicht isoliert, um nachzuweisen, dass er grippeähnliche Symptome und Lungenentzündungen auszulösen vermag? – Oder, habe ich die entspr. Studie übersehen?

    Für die komplette Absenz von Fachausdrücken, in meinen Fragestellungen, entschuldige ich mich tunlichst. Dies liegt daran, dass ich nicht vom Fach bin. Ausserdem bin ich Ihnen dankbar dafür, dass Sie selbst davon absehen, mich Ihrerseits damit zu überhäufen, da ich diese erst nachschlagen müsste, um Ihre Antworten zu verstehen.

    • #9 Christian Meesters
      22. Dezember 2021

      SARS-CoV-2 wurde isoliert (hier, hier, hier), das vollständige Genom wurde sequenziert (hier, hier, hier). Und hier gibt es noch ein paar schönere Bilder als im letzten Link.

      Das Pochen auf die Isolation führt dennoch in die Irre und zeigt ein Missverständnis zur Funktionsweise von Viren – und würde gar nicht beweisen, dass das Virus nicht existiert. Vielmehr zeigt es, dass Coronaleugner ein veraltetes krudes Schulwissen herauskramen, wenn es um die Sache geht. Während Koch seine Postulate auf seiner Kenntnis von Bakterien fußte, brauchen Viren eben Zellen, um sich zu vermehren. Viren funktionieren Zellen in Virus”fabriken” um. Dann werden Viren freigesetzt und je nach Virus andere gleichförmige Zellen oder gar andere Zellen anderer Wirte infiziert. Deswegen nehmen Virolgen Proben und transferieren diese auf Kulturen und schauen, was mit den Zellkulturen passiert – man kann hierbei sehr wohl unterscheiden, was für den Tod der Zellen verantwortlich ist (ob beispielsweise Verunreinigungen – andere Viren, Bakterien oder Pilze – die Kultur zerstören).

      Und auch beim Sequenzieren müssen Proben nicht rein sein. Mittels molekularer Sonden können sehr spezifisch oder semi-spezifisch bestimmte Organismen oder Viren aus einer Gewebeprobe sequenziert werden. Dabei kann man auch iterativ vorgehen und ausgehend von einer Sequenz neue, spezifischere Sonden “basteln”. Wenn jetzt viele Wirte / Menschen erkranken und man immer dieselben oder hoch-ähnliche Sequenzen findet, ist nicht mehr von Zufall auszugehen – sollte man meinen. Aber auch schon bei einer Probe kann man sich sehr sicher sein: (frisches, nicht verrottetes) genetisches Material ist einfach sehr, sehr eindeutig.

      Für die komplette Absenz von Fachausdrücken, in meinen Fragestellungen, entschuldige ich mich tunlichst.

      Das ist nicht nötig – ich möchte vielmehr Leute kritisieren, die sich als Experten aufspielen, solchen Unsinn verzapfen und dann ganz neue Bedeutungen kreieren, wo man dann drauf Bezug nehmen soll. Diese Art des Diskurses ist natürlich zum Scheitern verurteilt, weshalb sich Desinformierer u. a. stets im Recht fühlen, ganz ohne jemals mehr als die Wikipedia- und Youtube-Unis besucht zu haben.

  4. #10 Patrick
    23. Dezember 2021

    Ich hoffe, Sie erlauben mir eine kurze Zusammenfassung, zur Kontrolle, ob ich alles korrekt verstanden habe.

    Dem Patienten wird Gewebe entnommen, im Fall von SARS-CoV-2 Lungenflüssigkeit, mithilfe sog. BALFs (wie in der Studie aus Wuhan, vom Februar 2020, beschrieben). Stirbt das Gewebe ab, wird davon ausgegangen, dass es Mikroorganismen enthält, welche für das Absterben verantwortlich sind. Solche Mikroorganismen werden anschliessend direkt aus der Probe heraus sequenziert und mit bestehenden Genomen digital abgeglichen. Dadurch können allfällige Ähnlichkeiten (wie bspw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Virenfamilie) und Mutationen festgestellt werden. Da ein Virus in Reinkultur nicht gezüchtet werden kann, geschieht dies auf einem Substrat. Stirbt dieses ebenfalls ab, wird auf die Pathogenität des gezielt vermehrten Mikroorganismus geschlossen.

    Korrigieren Sie mich bitte, sollte diese Beschreibung Fehler enthalten.

    Meine Frage, warum für Viren Sonderregelungen gelten, die Kochschen Postulate betreffend, betrachte ich als vollumfänglich beantwortet, und ich bedanke mich dafür.

    Was mir nach wie vor etwas widerstrebt, ist der Umstand, dass Versuche in einer Petrischale, die Pathogenität betr., der Komplexität eines gesunden biologischen Organismus‘ wohl nicht gerecht werden. Abgesondertes Gewebe besitzt bspw. kein Immunsystem.

    Allerdings ist mir, im Verlauf unseres – wirklich sehr angenehmen – Dialoges klar geworden, wie komplex das Thema tatsächlich ist, und dass so einige Informationen, die verbreitet werden, auf Vereinfachungen desselben beruhen.

    Ich werde nun jemanden suchen, die oder der sich mit Ihren Erklärungen konfrontieren lässt, was nicht einfach sein wird. I.d.R. erhält man auf sachlich gestellte Fragen leider keine Antwort. Sie selbst stellen diesbezüglich eine Ausnahme dar.

    PS: Einige von den von Ihnen verlinkten Studien kannte ich bereits. Die anderen habe ich heruntergeladen und werde sie mir in den nächsten Tagen zu Gemüte führen.

    • #11 Christian Meesters
      27. Dezember 2021

      Viren sind keine Organismen, haben nicht mal einen eigenen Stoffwechsel. Zellen (Bakterien genau wie Säugerzellen) wachsen auf Substraten (Ausnahmen gibt es auch hier). Viren (ob gegen Bakterien oder andere Zellen gerichtet) werden von diesen Zellen hergestellt. Deshalb wachsen Viren nicht auf Substraten und ist das mit “Isolation” auch nichts, was chemisch rein ist.

      Pathogenität bezieht sich auf ganze Organismen – insofern ist das etwas was man durch epidemiologische Beobachtungen feststellt. Deshalb dauert es auch immer eine Weile, bis bei SARS-CoV-2 die Pathogenität einer neuen Klade (eines neuen Stammes) eingeordnet werden kann.

      Für Viren gelten keine “Sonderregeln”, nur sind 100 Jahre alte und ältere wissenschaftliche Feststellungen gelegentlich überarbeitet und dem Wissensstand angepasst worden. So auch die Kochschen Postulate.

      Der Punkt ist im Grunde: Eckert und Co behaupten Dinge in einer Sprache, die einfach nicht der modernen Methodik gerecht wird, in (bewusster?) Unkenntnis der Methodik mit diffamierender Sprache. So kann man halt schlecht eine wissenschaftliche Diskussion führen. Man darf ganz unschuldig vermuten, dass auch kein Diskurs angestrebt wird.

      Man kann sich auch einfach klar machen: Wenn wirklich ein Virus durchs Land zieht und wir uns alle früher oder später – geimpft oder nicht – infizieren werden und ein Teil der Bevölkerung immunologisch naiv ist (die noch-nicht-infiziert-Gewesenen und nicht-geimpften), dann wird dieser Teil eine sehr gute Einschätzung der Pathogenität ermöglichen. Das ist das Szenario, dass wir z. Zt. erleben.

  5. […] reagierten sowohl Anonleaks im Oktober 2020 als auch der Science-Blogger Christian Meesters im April 2021 mit detaillierten Einwürfen. Der Molekularbiologe schickte sogar eine Fragenliste an […]