Im letzten Artikel habe ich beschrieben, dass die Ziele für unsere Kurse insbesondere unsere Ziele sind. Und auch die Inhalte sind unsere (zu einem nicht unwesentlichen Teil: meine) Inhalte. Das ist irgendwie unbefriedigend: Bliebe dies der status quo, muss das Rad ja immer wieder neu erfunden werden — und das in dem Wissen, dass es “da draußen” auch noch andere HPC-Zentren geben muss, die vor gleichen Problemen stehen.

Das HPC-CF

Im Frühjahr letzten Jahres bin ich durch die Diskussion mit einer Kollegin auf das HPC Certification Forum (HPC-CF) aufmerksam gemacht worden. Endlich ein Gruppe von Leuten, die sich vor ähnliche Probleme gestellt sehen wie ich. Endlich nicht mehr im “luftleeren Raum” operieren, ganz ohne Bezug zu anderen Lehrenden. Hurra!

Leider ist das Feld noch recht jung. Und so gibt es noch keine allein seligmachende und arbeitsbefreiende Lösung für die Lehre.  (Natürlich gibt es das auch nicht für andere Felder, aber wenn jemand eine weitreichende Lösung bzw. eine Organisation kennt, die Lehre im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich vereinfacht: Das würde mich sehr interessieren – und ich meine nicht das Teilen von Folien, sondern konzeptionelle Lösungen gleich welcher Art.)

Wo war ich? … Also, es gibt Mitstreiter. Und weil “Hoffen auf die gute Fee” keine Aussicht auf Besserung bringt und ich auch mitgestalten mag, bin ich seid dem Sommer 2019 auch ich Teil des HPC-CF+. Leider habe ich beim Treffen in Hamburg, wo ein Workshop zum HPC-Training stattfand, nicht teilnehmen können. Aber wichtig für mich ist: Das Feld als Ganzes bewegt sich.

Die Ziele

Unsere Ziele (hier: die des HPC-CF) sind breit gefächert und unterscheiden zwischen Anwendern und HPC-Zentren:

  • HPC practitioners
    • Increase motivation to participate as the certificates are recognized in a CV
    • Validate knowledge via tests
    • Browse relevant competences
    • Identify recommended and required skills related to certain tasks
    • Understand and compare teaching offers across sites
  • Data centers
    • Increase sharing of teaching materials
    • Simplifies documentation of taught skills
    • Identify missing teaching activities
    • Tailor skill-tree specifically to users
    • Correlate lack of skills with efficient use

Mit den Zielen für die Anwender kann ich mich 100%ig identifizieren. Gehen wir mal Punkt für Punkt vor:

Es soll ein Ziel sein die Motivation der Anwender zum Besuch von Kursen durch ein Zertifikat zu erhöhen? Nun, das machen viele freiwillige Kurse und Workshops. Offenbar ist eine Teilnahmebescheinigung das Mindeste, was man anbieten muss — selbst entsendende Organisationen fragen danach.

Die Kurse sind freiwillig und da sollte man meinen alle TeilnehmerInnen sind motiviert. Pustekuchen! Wie vielleicht auch einige von Euch erfahren haben: Freiwillige Teilnahme ist leider nicht immer freiwillig (weil beispielsweise Vorgesetzte entsenden) und so gibt es manchmal Leute, welche das eigene Smartphone ungleich interessanter als das Arbeiten an Aufgaben finden — auch wenn alle anderen mit Feuereifer bei der Sache sind.

Wer die notwendigen Kompetenzen in einer übersichtlichen Form, verknüpft mit “Learning Objectives“, durchstöbern kann, wird erst in die Lage versetzt zu erkennen, dass ein bestimmter Kurs genau das richtige Angebot zum Erwerben gesuchter Kompetenzen ist. Ich fange schon mal an, dies in der Liste unserer Angebote zu nutzen.

Wir versuchen schließlich peu á peu deutlich zu machen warum eine genannte Kompetenz relevant ist für welches Ziel. Gewissermaßen ist HPC-CF also auch Öffentlichkeitsarbeit gegenüber interessierten WissenschaftlerInnen, die HPC-Inhalte für Ihre Arbeit benötigen.

Und schließlich arbeiten wir alle (lies: alle HPC-Zentren) in dem Bewusstsein, dass wir nicht Lehre 100%ig im eigenen Haus anbieten können. Das ist eine Frage der Größe und viele Zentren sind klein und haben zu dem noch thematische Foki, die es schlicht nicht erlauben Alles anzubieten. Alle, wenn nicht die meisten Zentren kollaborieren schon regional, wir in Mainz z. B. mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Rheinland-Pfalz und Hessen.

Teilen von Lehr-Materialien

Und die Ziele für die HPC-Zentren teile ich nicht 100%ig? Doch, schon. Nur den ersten Punkt muss man, finde ich, differenzierter sehen, als die paar Worte “Increase sharing of teaching materials” ggf. suggerieren. Wie gezeigt wurde, ist es schwer möglich einen generischen Satz von Lehrmaterialien zu erstellen und in einer Gruppe von Lehrenden einfach auszutauschen[Masapanta-Carrión, 2018;Wiley, 2002]: Im besten Fall gelingt es mir als Lehrer einen “Spannungsbogen” aufzubauen, der deutlich macht warum jetzt diese interaktive Aufgabe genau so kommt und mit welchem Ziel. Stehen alle Zutaten dazu auf Folien, gibt es Bleiwüsten, die für Lernende langweilig und für Kollegen schwer nachvollziehbar und vermittelbar sind.

Meine Hoffnung ist also nicht, dass irgendwo aus der Wolke Lehrmaterialien auf mich und alle KollegInnen herab regnen, sondern das — langfristig — für die Themenbereiche, die ich (oder andere) anbieten mögen bereits Materialien (Folien, Übungsaufgaben, Ideen für andere Auflockerungen und Konzepte) bereitstehen, welche das Potential haben die Konzeption neuer Kurse zu erleichtern und bestehende Kurse verbessern zu können. Sehr viel “wenn” also. Und sehr viel Arbeit …

Die weiteren Ziele sprechen eigentlich für sich selbst: Ist eine Liste zu vermittelnder Fähigkeiten dokumentiert, kann ich als Lehrer diese verwenden. Und selbstverständlich aus der Liste für bestimmte Nutzergruppen und Kurse wählen. Ich verstehe das als Inspiration.

Und wie sieht das aus?

Die Fähigkeiten, die wir von HPC-CF als wesentlich erachten, sind dokumentiert und publiziert (schade, dass ich damals noch nicht dabei war, sonst hätte ich mir einen Platz auf dem Paper erarbeiten können 😉 ). Mittlerweile hat der verlinkte “skill-tree” eine gewisse Reife und doch ist nicht alles in Stein gemeißelt. Beispielsweise fehlt in meinen Augen wissenschaftliches Datenmanagement. Daran arbeiten wir.

Es ist noch mehr geplant, aber da will ich der Diskussion nicht vorgreifen. HPC-CF wird sicher ein anderes Mal wieder Thema des Blogs.

Und die Moral von der Geschicht’?

Ich bin mir sicher, dass der Eine oder die Andere schon an der Tastatur zuckt und gedacht hat: “Ist doch selbstverständlich, dass eine Lehrveranstaltung / ein Kurs schon bei der Anmeldung zeigt was drin ist.” Zugegeben, in Zeiten von online-Vorlesungsverzeichnissen und e-Learning ist die Transparenz bzgl. der Inhalte besser geworden (verglichen mit meinen Studienzeiten). Aber transparent zu definieren “was kommt vor”, “wozu braucht man das”, “was ist das Ziel?” ist auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Üblicherweise weiß man vor einer Anmeldung über Kurse was Titel und Kurzbeschreibung hergeben (also im Idealfall das “was wird vorkommen”). Alles Weitere bleibt im Dunkel. Und es ist auch so, dass sich Dozenten in Fachbereichen abstimmen über ihre Lehrangebote — doch dann macht oft jede(r) was sie oder er will. Da wir von HPC-CF zusätzlich noch ein Portfolio von Kursen im Hinterkopf haben, bietet der skill-tree natürlich auch die Option einen roten Faden zu spinnen: Wenn die eine Einrichtung einen Kurs, den jemand zur Erlangung einer bestimmten Fähigkeit besuchen möchte, nicht bietet — dann vielleicht eine andere?

Das ist natürlich eine einigermaßen spezielle Situation in der Hochschullehre: Üblicherweise haben Studierende innerhalb eines Studiengangs nicht die Wahl externe Kurse zu besuchen. In der HPC-Welt jedoch durchaus: Erstens gibt es keine Punkte und Zeugnisse (die als Voraussetzung für weitere Kurse gelten) und zweitens gibt es für viele Lehrangebote Alternativen. Und das ist gut so, denn nicht jede HPC-Einrichtung hat ein breit gefächertes Lehrangebot im Portfolio.

Zurück zur Transparenz der Inhalte: Diese in der Darstellung eines Lehrangebotes mit “Learning Objectives” zu verknüpfen bietet den Vorteil, dass alle, auch Anfänger in einem Thema, nachvollziehen können, worum es geht.

Diese erste Runde der Serie — für mich ist klar, das geht weiter — möchte ich abrunden mit einem Teil zur “Dokumentation für Anwender”.

 


+ Ja, der englische Begriff ist seltsam. Unseren native speakern fiel auch nichts Besseres ein.

 

 

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