Die Frage wurde Anfang des Monats vom Co-Editor des Magazins Science, Jeffrey Brainard, gefragt. Und, machen wir uns nichts vor, die Forderung nach Bezahlung von Reviewtätigkeit wird eine Weile in der Welt bleiben. Grund genug also, sich die Sache mal näher anzuschauen:

Jeffrey Brainards Kommentar wurde durch einen anderen Blogpost getriggert, “The 450 Movement” von James Heathers. Und wenn ich auch – Achtung: Spoiler! – der Forderung absolut nichts abgewinnen kann, so hat er doch ein gutes, angelsächsisches Argument: Wer eine gute Dienstleistung erbringt, soll auch dafür bezahlt werden. Ist zu kurz gedacht, schließlich werden Wissenschaftler/Innen für das “Wissenschaftlern” bezahlt und dazu gehört das Veröffentlichen von Ergebnissen und eben auch – in einem gewissen Umfang – die Reviewtätigkeit.

Und warum billige ich den Amerikanern, Engländern und Anderen zu ein gutes Argument zu haben? Weil in jenen Ländern das Studium mitunter bis einschließlich zur Doktorarbeit unverschämt teuer sein kann und das Studium nicht in jedem Fall in Aussicht stellt etwaige Studienkredite zügig zurückzuzahlen. Mehr noch, um sich durchs Leben zu schlagen sind einige angehende KollegInnen angewiesen während der Doktorarbeit zusätzliche Jobs anzunehmen. Und das geht selbstverständlich zu Lasten der Lebensqualität. Insofern kann ich gut verstehen, dass die Forderung aufkommt Reviewtätigkeit zu entlohnen.

Das zynische Teufelchen in mir sagt jetzt: Macht das! Verpflichtet die Verlage Geld zu zahlen für die bislang unentgeltliche, zeitfressende Tätigkeit! Die Konsequenz wird eine Preiserhöhung sein. Die Open Access Zeitschriften würden nur eingeschränkt oder gar nicht mitziehen können und Review Tätigkeit entlohnen können. Letztlich würde sich die bestehende Polarisierung zwischen Open Access-Verfechtern und den kommerziellen Verlagen noch verstärken und ich bin mir nicht sicher, ob die Verlagsunternehmen diesen Kampf gewinnen würden. Wahrscheinlicher ist, dass es zu Lasten ihrer Einnahmen geht, weil ihnen viele Bibliotheken des Westens, die ohnehin mit Budgetproblemen kämpfen, den Vogel zeigen und Abonnements kündigen würden.

Das ist aber rein hypothetisch. Wo immer ich akademisch gearbeitet habe, war es keine Frage, dass man auch reviewen durfte. Klar, die Forschungs- und sonstige Arbeit darf nicht darunter leiden, aber mal ein paar Stunden in den Review stecken war nie ein Problem. Es gehört zum guten Ton zur Qualitätsverbesserung und -sicherung beizutragen. (Auch wenn über den “Zeitfresser Review” gerne auch gerne lautstark lamentiert wird.)

Nun, ihr könnt euch selber die Argumente in Science durchlesen, da werden sie gut zusammengefasst. Im wesentlichen ist das Argument der Befürworter: Es muss Geld geben, weil ganz unten in der Hierarchie zu wenig ankommt. Und das stimmt ja auch. Auch hierzulande bekommen Einige zu wenig, um nicht armutsgefährdet zu sein. Nebensjobs während der Dissertation sind auch im deutschsprachigen Raum nicht ungewöhnlich.

Wie wäre es stattdessen spätestens ab der Dissertation gut zu bezahlen? Nicht fürstlich, nein, aber so gut, dass die Zahlung ortsübliche Vergleichsmieten möglich ist und danach ein Auskommen besteht. Hierzulande ist das schon großteils der Fall Eigentlich nicht schlecht, doch stellt die DFG klar, dass sie Vertreter verschiedener Disziplinen als verschieden wertvoll betrachtet. Das ist unschön, aber wir wollen uns nicht ablenken lassen: Im Westen (mit etlichen Ausnahmen) ist die Situation in den letzten 30 Jahren nach und nach besser und unbezahlte Dissertationen seltener geworden. Im angelsächsischen Raum hat, wer nicht zufällig ein gutes Stipendium hat und in der Ivy-League gelandet ist, ganz andere Aussichten. Um die Perspektive mal zu stören, zitiere ich James Heathers

Ever met a homeless graduate student? I have.

Aber da wird auch eine Bezahlung für Reviewtätigkeit nichts dran ändern. Wer erst da unten angekommen ist, kämpft auch wissenschaftlich in einer Liga, die dauerhaft Reviewanfragen bringen wird, die einen über Wasser halten. Nee, ihr müsst schon euer System reformieren. Und die Reform das Reviewsystems darf nicht durch ein race to the bottom mit steigenden Reviewersalär torpediert werden, bei dem die reichsten Verlage am längsten durchhalten und auch Open Access Schaden nehmen wird.

Manche Experimente sollte man vielleicht nicht machen.

 

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Kommentare (6)

  1. #1 Dieter Groisch
    Naumburg
    22. März 2021

    Nein, es sollte grundsätzlich darauf verzichte werden.
    Es sollten alle Beiträge auf einem Server, nach Themen in Muttersprache, um Übersetzungsfehler dem Anwender zuschreiben zu können, gespeichert sind.
    Dann sind Titel und Zusammenfassung kostenlos abrufbar der Text ist dann, nach Dateigröße, ,kostenpflichtig abrufbar..
    Eine Begutachtung erfolgt dann durch die Anzahl der Zitate in anderen Arbeiten, also durch die Anwender.

    • #2 Christian Meesters
      22. März 2021

      Das hatten wir ja schon. Wir haben sogar eine Plattform, die das umsetzt – von und für Gleichgesinnte mit keinem mir bekannten Widerhall in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Zieht auch nur Beiträge zu einem kleinen Teil von Themen an.

      Wenn Sie ein gutes Argument liefern wollen: Gerne. Beiträge bitte zum Thema – oder nicht.

  2. #3 Björn
    22. März 2021

    Meine persönliche Handhabe des Review-Problems ist, daß ich nur noch für Zeitschriften referiere, die nicht von profitorientierten Unternehmen wie Elsevier, Springer und Konsorten sondern von der Wissenschaftscommunity für die Wissenschaftscommunity (bei uns in der Physik z.B. APS, IOP) herausgegeben werden.

    Würde ich für Unternehmen referieren, sehe ich das folgende Dilemma: Mache ich das in meiner vom Steuerzahler finanzierten Arbeitszeit, vergeude ich Steuergeld an Privatfirmen. Mache ich das in meiner Freizeit, arbeite ich kostenlos für diese Firmen. Beides keine guten Optionen.

  3. #4 ajki
    23. März 2021

    Würde ein Entlohnungsmodell für Review-Prozesse entwickelt und breit angewandt, wäre eine sichere Folge die Ausweitung von Problemen, die mit manipulierten “Gefälligkeits”-Reviews zu tun haben. Solche Probleme gab/gibt es auch ohne Entlohnungsmodell schon zur Genüge – aber mit Entlohnung würden sie strukturell verankert.

  4. #5 Michael Kuhn
    27. März 2021

    Die Review-Idee ist ein ideelle wie der hippokratische Eid. Wozu es sich dann mit Boni verschlimmbessern würde sieht man ja gerade während der Pandemie bei letzterem.

    Die Frage ist auch eher warum ein Journal-Artikel 30-50€ per Download kosten soll, wenn von Forschung bis zum PDF-Paper der Verlag so gut wie nix gemacht hat.

    Mit Bezahlung von Promovierten hat das auch nix zu tun, ich habe schon zur Mitte der Disseration reviewt und danach gilt das reviewen größtenteils der eigenen Karriere, Networking und ist damit 99% Überstunden. Wenn man eine feste Stelle hat, dann wird reviewen zur Arbeitszeit und keine Überstunde mehr, kann jeder ohne feste Stelle beobachten. Und wenn fixed staff größtenteils reviewen müsste/würde, würde das Publishing ähnlich wie der Laborbetrieb ohne Promovierende völlig zusammenbrechen. Die Promovierenden haben aber einen Interessenkonflikt mit publish or perish.

    Im Grunde müssten die Unis pro Review entlohnt werden und mehr fixed staff anstellen ähnlich wie man Overhead bei Förderprojekten für Infrastruktur spendet, stattdessen kündigen sie eher ihre Subskriptionen, ist auch besser als sich gegenseitig Geld zu schenken wie im Nullsummenspiel, wenn es im Grunde um einen ideellen Wert und Ziel geht. Reproduzierbare wahrhafte Publikationen.

    Ein freies öffentliches Forschungssystem, dass eine dritte kommerzielle Gewalt wie die Verlage braucht, um seine Arbeit zu bewerten und verfügbar zu machen ist eben nicht frei und öffentlich und konterkariert sich damit selbst.

    An des Pudels Kern geht dieser Blogpost fürchte ich leider stark vorbei. Wenn man in dieser Lage in der sich die Wissenschaft mit deren Glaubwürdigkeits- und Reproduktionskrise befindet, Änderungen bewirken wollen, muss man größere substanzielle Fragen stellen.