Das nicht-kommerzielle PLOS-Projekt (Public Library of Science) hat jetzt 5 neue wissenschaftliche Journale lanciert, man möchte offensichtlich die Reichweite erhöhen und in Bereiche vordringen in denen das OpenAccess-Modell nicht etabliert ist. Das werden nach 14 Jahren die ersten neuen Journale sein. Ob das neue Geschäftsmodell funktionieren wird? Interessant ist es bestimmt!

In den letzten 20 Jahren hat PLOS seine Duftmarke hinterlassen: Alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind rund um die Welt ohne Login und Kosten zu lesen. Geld für den Betrieb der Plattform zahlte, wer etwas veröffentlichen wollte. So zogen auch andere, kleinere Verlage nach und inzwischen bieten auch große kommerzielle Riesen im Geschäft dieses Modell an (Beispiel).

Im Wesentlichen hat sich PLOS seit ihren Anfängen auf die Lebenswissenschaften gestützt, mit Zeitschriften wie PLOS Medicine oder PLOS Biology. Diese waren zum Teil ein Zuschussgeschäft und wurden durch das Zugpferd für Veröffentlichungen aus allen wissenschaftlichen Bereichen – PLOS ONE – wieder ausgeglichen.

Neben dem neuen Geschäftsmodell gibt es nun auch neue Zielgruppen mit den neuen 5 Journalen – und somit eine Diversifizierung mit einem Fokus auf aktuelle Themen:

Seit gestern ist es möglich Artikel bei den neuen Zeitschriften einzureichen. Bereits im letzten Jahr führte PLOS das sogenannte Community Action Publishing-Modell ein. Hierbei zahlen Institutionen einen Beitrag und dafür dürfen Wissenschaftler dieser Institutionen frei bei PLOS publizieren. Bislang ist das Modell eingeschränkt auf die Zeitschriften PLOS BiologyPLOS Medicine und PLOS Sustainability and Transformation. Der Vorteil für die individuellen Wissenschaftler liegt auf der Hand: Weil meine Universität (noch?) nicht mitmacht, muss ich, wenn ich dort veröffentlichen wollte, bei einem Fonds der Universität einen OpenAcess-Zuschuss beantragen (bis zu 100% der Kosten sind durchaus drin). Sehr lästig. Andere profitieren von der Mitgliedschaft der eigenen Institution bei diesem PLOS-Programm, auch in Deutschland.

Für Institutionen ist die Mitgliedschaft teuer, aber sie verlieren auch den administrativen Overhead den sie bereitstellen müssen ihren WissenschaftlerInnen Zugang zu den betreffenden PLOS-Journalen zu geben. Außerdem wird zugesagt (siehe obiger Link) die Journalkosten transparent zu machen und etwaige Gewinne an die Partner auszuchütten.

Noch ist das Modell beschränkt auf ein paar Zeitschriften, was auch erklärt, warum bislang relativ wenige Institutionen diese Partnerschaft eingehen. Insgesamt ist das Potential jedoch groß: Wenn das Beispiel Schule macht, sind Ersparnisse für alle drin (außer für die kommerziellen Verlage) und das OpenAccess-Modell würde gestützt, weil es nachhaltiger finanziert wird.

Das ist nicht Alles

PLOS kooperiert auch stärker mit Preprint-Servern wie bioRxiv und medRxiv und ermöglicht es so gleichzeitig bei einem PLOS-Journal und beispielsweise bei bioRxiv das Manusscript als Preprint veröffentlich zu sehen – man muss sich nicht mehr alleine um die Details kümmern.

Außerdem will PLOS sich stärker für Open Data einbringen:

Put Your Work in Context

Open Data is part of a complete system of transparency that helps ensure the reproducibility (and long-term impact) of your science. Along with open code and protocols, open data helps provide a complete, accessible, and verifiable account of your discoveries.

Share all of your science, even negative and null results

Don’t leave gaps in the scientific record. Share your data and publish your results even when the outcome isn’t what you expected. “No” can still be an insightful answer that informs future discovery.

Dem ist wenig hinzuzufügen. Mit der Empfehlung zu bestimmten Datenplattformen greift diese Initiative zwar noch etwas kurz – es gibt ja noch sehr viel mehr Möglichkeiten. Aber eine Organisation wie PLOS kann nicht auf alle OpenData-Initiativen eingehen und es ist ja auch möglich Daten mit einen anderswo erworbenen Digital Object Identifier (DOI) zu verwenden oder darüber hinaus zu gehen. Das wird keinen Reviewer abschrecken.

Apropos Review. Es ist nunmehr auch möglich den Review-Prozess gleich mit zu veröffentlichen. Also, es ist kein Muss, aber wer will, kann wählen dies zu tun. Das ist natürlich die ultimative Transparenz, ich fürchte allein, dass Beiträge mit Facepalm-Potential (“WAS??? Das ging durch einen Review?!??”) diese Option erst gar nicht wählen. Oder vielleicht doch? Wenn ich wieder solche Artikel sehe, werde ich nachschauen und gegebenenfalls nach haken.

Spannende Zeiten jedenfalls – es ist schön, dass es Initiativen in Richtung besserer Qualität gibt.

flattr this!

Kommentare (5)

  1. #1 Frank Wappler
    26. Mai 2021

    Christian Meesters schrieb (26. Mai 2021):
    > […] das OpenAccess-Modell […]
    > […] open data helps provide a complete, accessible, and verifiable account of your discoveries. Share all of your science, even negative and null results […]
    Don’t leave gaps in the scientific record. […]

    > […] Es ist nunmehr auch möglich den Review-Prozess gleich mit zu veröffentlichen. Also, es ist kein muss, aber wer will, kann wählen dies zu tun. Das ist natürlich die ultimative Transparenz, ich fürchte allein, dass [manche] Beiträge […] diese Option erst gar nicht wählen. Oder vielleicht doch? […]

    Sofern es sich als “Lücke in der wissenschaftlichen Rückführbarkeit bzw. Literatur” versteht, wenn Produkte des Review-Prozesses hinsichtlich eines bestimmten, schon vorliegenden Beitrages (noch) gar nicht öffentlich zugänglich bzw. auffindbar wären, oder, soweit vorhanden, womöglich Vollständigkeit und/oder Sachkunde vermissen ließen, lässt sich das OpenAccess/OpenData-Modell ja regelrecht als Einladung nehmen, selbst entsprechende Reviews durchzuführen (insbesondere unter Nutzung des jeweils schon vorliegenden Beitrages als the data) und deren Ergebnisse öffentlich zugänglich bzw. auffindbar zu machen. Und natürlich: wiederum reviewbar.

    • #2 Christian Meesters
      26. Mai 2021

      Der Prozess ist auch hier: Editoren schlagen Reviewer für einen best. Artikel vor. Den Review-Prozess transparent zu machen unterbindet sowohl Willkür auf Reviewseite wie auch Märtyrerhaltung bei den Gereviewten. Nicht mehr.

  2. #3 Frank Wappler
    27. Mai 2021

    Christian Meesters schrieb (#2, 26. Mai 2021):
    > Der Prozess ist auch hier: Editoren schlagen Reviewer für einen best. Artikel vor.

    Ein Prozess, der für ungeladene und insbesondere einschl. ungebetene Reviewer nicht offen wäre, verdient die Bezeichnung “Review-Prozess” nicht.

    > Den Review-Prozess transparent zu machen unterbindet sowohl Willkür auf Reviewseite wie auch Märtyrerhaltung bei den Gereviewten. Nicht mehr.

    Es bleibt: gegebenenfalls Inkompetenz oder Nachlässigkeit von Gereviewten kenntlich zu machen (wobei natürlich auch Möglichkeiten zur Verteidigung oder Verbesserung einzuräumen sind), und deren eventuelle Duldung durch Reviewer zu unterbinden.

    • #4 Christian Meesters
      27. Mai 2021

      Da hätte ich wohl eindeutiger schreiben müssen: Die Aussagen beziehen sich auf PLOS, nicht auf die Preprint-Server. Deren Zweck ist ja u. a. dass sich die “Community” mit den Artikel auseinander setzen kann. Von der bioRxiv-Seite:

      Readers may add public comments to articles on bioRxiv. Comments are moderated to ensure they conform to the standards of normal professional discourse. Readers are also free to contact authors directly.

      Allerdings:

      Ein Prozess, der für ungeladene und insbesondere einschl. ungebetene Reviewer nicht offen wäre, verdient die Bezeichnung “Review-Prozess” nicht.

      Ist eine Meinung, die ich befremdlich finde, weil sie so gar nicht der aktuellen Situation gerecht wird: Es gibt Schwächen im System, die ich auch im Blog schon teilweise benannt habe. Das heißt nicht, dass das System nicht funktioniert. Das System aber ist der Peer-Review, da haben die Editoren der Zeitschriften auch Zeitmanagement zu betreiben: Ein Review-Prozess sollte nicht twitterisiert werden, so dass hinterher Scherben zusammen zukehren sind. Durch die Einbindung der preprint-Plattformen und Protokollierung des Prozesses werden Reviewer nicht umhin kommen diesen Meinungen (sofern sie überhaupt artikuliert werden – nicht jedes Paper zieht Kommentare auf sich) Aufmerksamkeit zu schenken.

      Vor allem: Immer schon steht es jedem frei einen wissenschaftlichen Artikel zu kommentieren. Einige haben schon zu print-only-Zeiten eine Serie von Kommentaren und Erwiderungen provoziert – “Community-Kontrolle” hat es schon immer gegeben. Die “neuen” Plattformen zum Preprint und öffentlichen Review gibt es schon seit Längerem und darüber hinaus gibt es Plattformen wie PubPeer, wo wirklich jeder auf Probleme einer Veröffentlichung hinweisen kann, was auch sehr konstruktiv geschieht. Das System evolviert und verharrt keinesfalls im status quo.

  3. #5 Frank Wappler
    28. Mai 2021

    Christian Meesters schrieb (#4, 27. Mai 2021):
    > […] Das System aber ist der Peer-Review […]

    Das ist jedenfalls ein System, durch das “Review” produziert werden kann, und zweifellos auch wird.

    Der Begriff “Peer” beinhaltet aber neben dem Anspruch der “Gleichrangigkeit” in Bezug auf Sachkunde eben auch “ein Geschmäckle” des (zumindest vorstellbaren) Fraternisierens und des “Schmorens im eigenen Saft”.

    Damit zu kontrastieren wäre: … nennen wir’s der Konkretheit halber mal “scrupulous review”, geprägt vom Anspruch, Kommentierung insbesondere dann einzuladen und öffentlich auffindbar und möglichst direkt gegenüberzustellen, wenn sie sachkundig Kritik übt.

    > Ein Review-Prozess sollte nicht twitterisiert werden, so dass hinterher Scherben zusammen zukehren sind.

    Sicher. … Es wäre wohl hinreichend, und sogar nahezu ideal, Review-Prozesse systematisch zu scienceblogisieren und/oder zu wikipediasieren …

    > […] gibt es Plattformen wie PubPeer, wo wirklich jeder auf Probleme einer Veröffentlichung hinweisen kann

    Nicht schlecht! (Unterstützt auch \LaTeX-Befehle und sogar deren Darstellung in der Kommentar-Vorschau! ;)

    Und: Wow! — sogar für (um Kritik bettelnde) Artikel, deren Verfasser (leider) nicht mehr selbst Stellung nehmen könnten