Wir haben uns an manches gewöhnt in den letzten Monaten. So sehr, dass wir von den selbst erklärten QuerdenkerInnen außer Lügen, Fake News, Selbstvergewisserungsrunden bei Telegram und Twitter und “Privatkanälen” nicht mehr viel erwarten. Hier wird bewusst ignoriert was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert. Daneben gibt es noch sehr viel mehr Menschen, die keine wissenschaftliche Ausbildung machten und dennoch eine Meinung zu der Frage “Was ist Wissenschaft?” gebildet haben. Das ist völlig in Ordnung (schließlich haben wir alle auch Ahnung von Schule, ganz besonders, wenn wir Eltern sind, oder?), manchmal kurios und manchmal befremdlich.

Heini Staudinger schrieb bespielsweise in der letzten Ausgabe des “brennstoff”:

Die Wissenschaft kommt oft ziemlich breitspurig daher, im Gehabe von “wir wissen’s”. Oft tut sie so, als hätte sie alles “im Griff”.

Eine Leserbriefschreiberin aus der ZEIT bekundet:

Jeder Wissenschaftler weiß, dass sich mit allen neuen Forschungsergebnissen, wie denen zur Wirksamkeit der Impfstoffe, unser Nichtwissen nicht verkleinert, sondern im Gegenteil mir Fragen als vorher offen bleiben.

Und jemand (nein, nicht der, es gibt noch mehr) schrieb mir, dass die Impfungen mit mRNA-basierten Wirkstoffen ein widerliches Experiment an der Menscheit sei.

In diesen Beispielen ist so ziemlich alles falsch, was nur falsch sein kann. Nun gut, Zyniker mögen einwenden, dass die Impfung einer Bevölkerung das Experiment sei, dass Querdenkern helfen kann ihre Hypothese von der Impfverschwörung zu falsifizieren. Und hyperernsthaft könnte man einwenden, dass es zwar besserwisserische Wissenschaftler gibt, deshalb hat noch nicht “die Wissenschaft” ein “Gehabe” – ich kenne da auch einen übergriffig neugierigen Busfahrer und schließe deshalb nicht, dass “der ÖPNV” ein Problem mit Respekt vor der Privatssphäre hat. Man könnte auch bemerken, und das ist schon etwas kleinlicher, dass es zwar häufig geklärte Fragen neue Fragen aufwerfen, aber deshalb wird nicht das “Nichtwissen” kleiner. Und was ein “Experiment” wirklich ist, scheint ebenso erklärungsbedürftig, wie die Aussagekraft “einer Studie“, wo doch die “eine Studie” so häufig in der Berichterstattung bemüht wird.

Doch das alles geht an der Sache vorbei. Trotz großartiger Wissenschaftskommunikation auf allen Kanälen, wo sogar erklärt wird wo das Problem im flapsigen Bonmots über Wissenschaft liegt, kommt bei vielen Leuten überhaupt nicht an, was das Wesen von Wissenschaft ist. Ein zusätzlicher Blog mit geringer Reichweite wird die riesige Wissenschaftswissenlücke auch nicht füllen helfen. Er wird es aber weiter versuchen.

Tja, stürmische Zeiten sind dies, stürmische Zeiten. Ich bin gespannt wie die wissenschaftskommunikativen und forscherischen Trümmerfelder aussehen werden, wenn der Pandemiesturm vorbeigezogen sein wird. Und bevor sich jetzt der Blog, auf dem es sowieso in den letzten Wochen ruhig war, in die wohlverdiente Sommerpause verabschiedet, für euch noch ein Nicht-Wochenends-Lied zur Erinnerung, dass schon sehr viel stürmischere Zeiten gab:

Bis zum September!

flattr this!

Kommentare (10)

  1. #1 rolak
    9. August 2021

    herrjeh, auch schon wieder fast 30y her – ist ja deutlich schlanker geworden, das Lied, auf die halbe SpielZeit geschrumpft…

    Zeit der Wunder ist allemal – mich wundert zB, daß die olle Flapsigkeit “kennste einen, kennste alle” in der Variante des MonovorbildVorurteils “kennste genau den, kennste alle” von derart vielen Menschen als valide Weltbildgestaltung anerkannt bis aktiv propagiert wird, während sie jederzeit abstreiten würden, diese ‘Methode’ auch nur ansatzweise zu nutzen…

    Angenehmen Sommer!

  2. #2 Kerberos
    9. August 2021

    “”Ich bin gespannt wie die wissenschaftskommunikativen und forscherischen Trümmerfelder aussehen werden, wenn der Pandemiesturm vorbeigezogen sein wird.””

    Ebenfalls interressant ist die Frage, auf welcher Spinnerei
    der typische Impfgegner von heute in 2 Jahren
    herumreitet. An Covid und Impfverweigerung will er
    dan nicht mehr erinnert werde, sowenig der
    heutige Grüne auf den Waldsterben – Hype der 80er
    angesprochen werden will.

  3. #3 Markweger
    10. August 2021

    Erstens:
    Die meisten Querdenker vertreten nicht irgenwelche skurille Wissenschaftsbilder sondern sie halten einfach die Maßnahmen für maßlos überzogen.
    Das tue ich auch.
    Ich sehe nicht ein warum man Kinder zu Hause einsperren muss oder sie dem Risiko einer unzureichend erprobten Impfung aussetzen sollte wenn etwa für 10 – 19 jährige das Risiko an Krebs zu sterben 26 mal so hoch ist oder durch einen Unfall zu sterben 69 mal so hoch:
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2021/04/18/die-covid-19-sterberate-im-vergleich-hoeher-als-bei-herzinfarkt/
    Wenn man den gleichen Maßsstab bei Krebs oder Unfällen ansetzen würde dann dürfte man überhaupt nichts mehr tun.
    Ganz abgesehen davon ob diese jungen Covid-Toten in der Stastik an Covid oder nur mit Covid gestorben sind.

    Zweitens:
    Warum macht es nichts wenn zigtausende für BLM oder für Pride demonstrieren, auch so gut wie alle ohne Masken, aber bei den Querdenken ist das dann plötzlich eine große Gefahr.
    Hier geht die Polizei dann plötzlich mit großer Brutalität vor. [edit CM: youtube-link gelöscht – führt zu einem Video von Ignaz Bearth – und dieser Blog unterstützt nicht das Verbreiten rechtsradikaler Erzählungen und Spins.]

    Das ist kein Rechstaat mehr, das ist politische Wilkkür wie in einer Diktatur.
    Die Massenmedien betreiben ohnehin nur noch einseitige Propaganda.

    • #4 Christian Meesters
      10. August 2021

      Die meisten Querdenker vertreten nicht irgenwelche skurille Wissenschaftsbilder sondern sie halten einfach die Maßnahmen für maßlos überzogen.

      Wenn das nur so wäre …

      Es gibt seid Jahrzehnten Zeichen politischer Justiz, Polizeigewalt und rechten Umtrieben in der Polizei. Das ist kein Merkmal der Reaktion auf die Leerdenkenbewegung (, wobei derartig zusammengeschnittene Videos ein wenig der Kontext fehlt und man nicht weiß, wer was wie warum darstellt). Und das Gefasel von Diktatur hilft nicht weiter. Man könnte sich engagieren – zur Not auch mit Spenden an “die Basis”, um die dortigen Nöte zu lindern.

  4. #5 Markweger
    10. August 2021

    Zusammengeschnitten?
    Dann schauen Sie sich halt an wie der Polizist die Frau am Hals pakt und auf den Asphalt wirft. Kann auch tragisch ausgehen so etwas, aber macht doch nichts.
    Auch in anderen Fällen brutale Vorgangsweise gegen Frauen.
    Das kommt bei regierungsfreundlichen Dermonstrationen ganz sicher nicht vor und gegen die Antifa auch nicht.
    Dafür ist der von Ihnen verlinkte Artikel weiß Gott einseitig, regierungstreue Propaganda eben. Ja so einseitig wie zu Zeiten der DDR.

    • #6 Christian Meesters
      10. August 2021

      Zusammengeschnitten?

      FYI: das nennt man so, wenn eine wilde Folge von Ereignissen und Kommentaren kommt. Insb. ohne das man die vorhergehenden Ereignisse im Bild hat, kann nicht geschlossen werden, wer warum handelt. So erhält man tendenziöse Schnipsel, welche die Stimmung eines Klientels bedienen, wie man gut sehen kann.

      Dafür ist der von Ihnen verlinkte Artikel weiß Gott einseitig, regierungstreue Propaganda eben. Ja so einseitig wie zu Zeiten der DDR.

      Wir werden an dieser Stelle die Diskussion abbrechen. Wie ich ab und an schreibe: Wir können gerne über alles diskutieren, aber bitte ohne Vorwürfe und Beleidigungen.

  5. #7 Joseph Kuhn
    10. August 2021

    “Die meisten Querdenker vertreten nicht irgenwelche skurille Wissenschaftsbilder”

    Markweger hat herausgefunden, dass die Relativitätstheorie falsch ist, Schiffmann hält die Mondlandung für eine Lüge, und was vom Weltbild des Vegankochs nicht skurril ist, muss man vermutlich mit der Lupe suchen.

    Wenn man “skurril” mit zwei “r” statt wie Markweger mit zwei “l” schreibt, wirkt es übrigens weniger skurril, genauer gesagt, weniger skurill.

  6. #8 demolog
    11. August 2021

    Also, ich gehöre nicht zu diesen besagten “Querdenkern”, die da im Fokus der üblichen Propaganda gegen Ideologiefeinde stehen.

    Aber anscheinend habe ich selbst auch immer noch nicht begriffen, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert.
    Das muß wohl daran liegen, das die Wissenschaftskommunikation eben doch nicht so fantastscih gut ist, wie im beitrag angedeutet und vollmundig geprahlt.

    Denn ich lese seit über 10 Jahren sehr viel über Wissenschaft und mache mir natürlich meine Gedanken über den inhalt.
    Und wenn ich die 10000 Stunden Regel als existent annehme, müsste sich bei mir inzwischen das entsprechende Wissen über die Frage längst ergeben haben und… ich inzwischen sogar ein relativ guter Beurteiler über die Szenerie sein.

    Aber sie erklären diese Querdenker pauschal für geistesbeschränkt und im Grunde mich gleich mit, weil… ich auch nicht weiß, wovon sie reden und in welchem Zusammenhang das mit Wissenschaft steht.

    Es sei denn, das “Wissenschaft” von “Erschaffung von Wissen” abgeleitet ist und das ein subtiler Prozess der Selektion “Identitäten” ist, aus denen Weltbilder herraus in die Welt gehen, und andere diese Weltbilder dann übernehmen. Erst, wen n alle anderen “Andersdenker” aus dieser “Funktion” der Primärgeister ausgeschieden sind (etwa durch Neurodegeneration oder Tod oder… Psychiatrie geht auch, wenn hinreichend sediert wird), dann entsteht das eindeutige Wissen, das man in der Welt haben will – perspektivisch versteht sich. Dann kann man “Bildung” einfach per Metallenhancemend tätigen, weil die gehirne mit Metallen miteimnander verschränkt werden, und Bewusstseinsinhalte sich dann sozusagen “vererben” auf die Sekundär-Identitäten”.

    Das wäre aber ein krasser Skandal. Und sowas kann dann ja auch nicht sein, weils nicht sein darf (also, das dies irgendjemand weiß), weswegen man es kategorisch verleugnenb muß.

    Und deswegen stammt “Wissenschaft” ja auch von der “Körperschaft” ab und nicht von Erschaffen.
    Was allerdings in der Folge in die Selbe Richtung verläuft, weil “Körper”, die Wissen tragen (und lehren), selbst eine Identität haben, und natürlich typisch für das andere Erklärungsmodell sind.

    Anyway, die wissenschaftliche Methode ist mir durchaus geläufig. Aber was mir “bewusst” ist, ist, das mindestens die gegenwärtige Wissenschaftskommunikation unzureichend “kommuniziert” im Sinne dieses verständnisses, weshalb ich eben davon ausgehen muß, das gar kein Interesse daran besteht, alles zu erklären, sondern Propaganda-mäßig alles in den massenmedialen Äther gepresst wird, und den Rest macht dann die Zeit (bis “Andersdenker-Identitäten” nämlich ausgestorben sind).

    • #9 Christian Meesters
      11. August 2021

      Vielen Dank, da sind einige Anregungen für zukünftige Artikel drin.

      Aber sie erklären diese Querdenker pauschal für geistesbeschränkt und im Grunde mich gleich mit, weil… ich auch nicht weiß, wovon sie reden und in welchem Zusammenhang das mit Wissenschaft steht.

      Nein, tue ich nicht. Ich konstatiere nur bei einigen (link ist nicht allumfassend) das bewusste Entstellen von wissenschaftlichen Fakten, um das eigene Narrativ zu stärken und bei vielen Mitläufern mangelndes wissenschaftliches Verständnis. Das ist keine Unterstellung von “geistesbeschränkt”-haftigem Denken. Mir ist nicht klar, wieso man das nachdem was ich hier und in den letzten Monaten schrieb vermuten will.

  7. #10 Paul Berberich
    München
    16. August 2021

    Mein Bild von der Wissenschaft ist: Jemand hat etwas für ihn Neues und Nützliches entdeckt und möchte es anderen mitteilen. Die reale Welt ist das Abbild der Summe der Bestätigungen von anderen. Ein guter Wissenschaftler hat zunächst viele Querdenker und Zweifler, die mit der Zeit immer mehr abnehmen