Wissenschaftskommunikation – was soll, was kann sie leisten? Darüber wurde schon viel geschrieben, trocken und abstrakt oder humorvoll und weitsichtig. Klimakrise und Pandemie zeigen einmal mehr, dass sich Missverständnisse häufen und Aufklärung Not tut: Dies ist im Sinne der Wissenschaftstreibenden, denn sie mögen keine Anfeindungen und im Sinne der Gesellschaft, denn eine aufgeklärte Bürgerschaft ist in ihrer Kritik konstruktiver.
Die deutschen Wissenschaftsorganisationen erkannten dies schon früh und haben das PUSH-Memorandum (Public Understanding of Science and Humanities) von 1999 verfasst. Ziel war die Verunsicherung der Bevölkerung und falsche Hoffnungen zu bekämpfen, sowie die Rolle der Wissenschaft besser zu erklären. Das bereits damals geforderte Anreizsystem für Fachleute, die ihr Wissen mit der Öffentlichkeit teilen fehlt immer noch. Und so mündet auch die jüngste Initiative von Bildungsministerin Karlizcek (CDU) unter dem Label #FactoryWisskomm zum “Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft” in Forschungs-PR: Das etablierte Portfolio der Wissenschaftskommunikation umfasst von institutioneller Setie weiterhin alles von Pressemitteilung bis zur Kinder-Uni, vom Vortrag für Laien bis zum PR-Bus, der durch die Lande fährt.
Alles gut soweit, es schadet sicher nicht Begeisterung für Wissenschaft zu wecken. Was hier fehlt ist jedoch immer noch der institutionelle Umgang mit Kommunikation unter öffentlichem Druck. Dieses wirklich harte Geschäft überlässt die Gesellschaft weiterhin neuen Formaten wie Podcasts und Videoformaten, die großteils zwar die (finanzielle) Unterstützung öffentlich-rechtlicher Sender erfahren (Beispiel, Beispiel, Beispiel, Beispiel, Beispiel), eine meinungsstarke Erklärbärrolle übernehmen und doch nicht aus den Forschungsinstitutionen hervorgehen.
Die gesellschaftliche Relevanz der Wissenschaft wächst, doch wer sich in das öffentliche Kreuzfeuer begibt muss sich erklären und hat selten den Rückhalt durch das eigene Institut. Viele die dies während der Pandemie auf sich nahmen, fanden die eigene Kommunikatorrolle wesentlich, wussten aber auch, dass ihre eigene Forschung in dieser Zeit leiden und ihre Reputation unter KollegInnen Schaden nehmen kann.
Es braucht – endlich – mehr Rückhalt der Institutionen für diejenigen, die derartige Kommunkation leisen können und wollen. Die ZEIT forderte im Februar “Pressesprecherinnen gehören in die Chefetage!”. Das ist Unsinn! (Der Artikel ist dennoch lesenswert) Ja, Koordination tut not. Eine Lösung jedoch kann keinesfalls in einer Vergrösserung des Wasserkopfes liegen. Mehr Stabsstellen und mehr hohle Pressemitteilungen haben keinen gesellschaftlichen Mehrwert und genau dazu führen PressesprecherInnen in der Chefetage. Professionelle Hilfestellung für diejenigen, die einer aufgeregten Öffentlichkeit Antwort geben müssen – ja, bitte. Doch da die Themen ebenso wenig vorhersehbar sind die die Protagonisten einer zukünftigen Debatte, helfen Leute, die trainieren Hurra-wir-sind-toll-Pressemitteilungen zu verfassen herzlich wenig. Und zwar unabhängig von ihrer Position in der Hierarchie einer Institutions-Verwaltung.
Damit in kontroversen Diskussionen die wissenschaftlich besseren Argumente überhaupt Gewicht erfahren können, benötigt das Publikum “scientific literacy”. Hier sind die Kultusministerien gefordert: Etwas mehr wissenschaftliche Methode in den Lehrplänen. Wer versteht wissenschaftliche Ergebnisse gewonnen werden, kann sie besser gewichten. Ohnehin ist niemand in der Lage alles Schulwissen zu behalten, aber auch politisch motivierte Juristen sollten in ihrem Unverständnis nicht auf die Wissenschaft herabblicken. Bemühungen um “scientific literacy” sind vor allem auch notwendig, weil – ehrlicherweise – wir im Laufe des Lebens alles außerhalb unserer beruflichen und privaten Interessen zu großen Teilen vergessen. Und wer Wissenschaft nicht zum Beruf gemacht hat (und selbst dann) braucht dann und wann Auffrischung: Allgemeinverständlich und leicht zugänglich.
Corona-Pandemie und Klimakrise zeigen, dass Vlogs, Blogs, Podcasts, Zeitungen und selten auch Fernsehprogramme einen guten Beitrag leisten, wenn es darum geht Unsicherheit durch Aufklärung zu bekämpfen. “Wissenschaft lernen” durch reinen Konsum aufbereiteter Wissenschaftsschnipsel kann man zwar nicht. Die positive Wirkung von Wissenschaftskommunikation liegt eher darin: Sie trägt bei einen Minimalkonsens über das Unbestreitbare, das eine breite Mehrheit unserer pluralistischen Gesellschaft anerkennen kann zu erreichen.
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