Merkel leaves behind a powerful legacy for research and for evidence-based thinking. Over the years, her administration has strengthened and internationalized German science.
So heißt es im Nature Editorial vom 15. September 2021. Der Kommentar ist nicht ganz unkritisch, doch singt er insgesamt das hohe Lied zu Frau Merkel, die als Wissenschaftlerin einen besonderen Politikstil geprägt habe. So habe unter anderem der Frauenanteil unter den research leaders zugenommen und die Wissenschaft sei internationaler ausgerichtet worden.
Beides stimmt. Nur ist dies in meinen Augen dem Zeitgeist zuzurechnen und weniger der Politik: Frauen, die eine Position im akademischen Gefüge erreicht haben, haben dies aus eigener Anstrengung erreicht. Vielleicht waren Kita oder ein Förderprogramm hilfreich, die Härten zu überwinden – sicher ist das nicht, weil arbeitsortsnahe Kitaplätze ebenso wenig selbstverständlich sind, wie die Teilnahme an Förderprogrammen. Und Internationalisierung? Die wollten alle und wollen sie immer noch: Die Universitäten, die Max Planck-, Helmholtz-, Frauenhofer-Gesellschaften, … . Nicht zuletzt die Förderprogramme der EU und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) haben dazu beigetragen.
Also doch?
Also hat die Forschungspolitik der Merkeljahre doch Wirkung gezeigt? Schließlich waren die letzten drei Wissenschaftsministerinnen in den Kabinetten von Frau Merkel von der CDU und hatten sicher Einfluss auf die Wissenschaftspolitik?
Nun, böse Zungen behaupten häufig, dass BMBF habe ein großes Buget, doch wenig Gestaltungsspielraum. Das stimmt nicht ganz. Wir erinnern und an die große Wissenschaftlerin Schavan, die der letzten SPD-Ministerin, auf dem Ministerposten für 8 Jahre nachfolgte. In Erinnerung hauptsächlich durch ihre Plagiatsaffäre und dem weichen Fall danach. Mir auch aufgefallen durch blumige Aussagen über Naturwissenschaften. Sie hat sich für Gleichberechtigung und Internationalisierung stark gemacht, aber in der Tat wenig erreichen können, was Länder und Universitäten nicht wollten.
Vor allem aber fiel in Ihre Ära der Erlass des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Ein überfälliges Gesetzes, dass Kettenbefristungen im akademischen Sektor verhindern sollte. Der Wille war da, das Handwerk stimmte, doch Ideologie und Lobbygruppen haben lange gezerrt. Und so wird das Gesetz seine Schwächen auch nach ein paar Reförmchen nicht los. #ichbinhanna, was in die Ära von Schavans Nach-Nach-Folgerin fiel, belegte einmal mehr, dass das Problem nach wie vor besteht und die Bedingungen sich nicht verbessert haben.
Die Kritik an der Bundesregierung ginge jedoch im föderalen Wirrwarr fehl: Es sind die Länder, die Ihre Universitäten in der Berufspolitik und Ausgestaltung der Institute weitgehend gewähren lassen, wodurch “exzellent” berufen wird, aber für den Mittelbau (der immer mehr Lehre übernehmen soll) häufig die Stellen fehlen. Doch ob A- oder B-Land – eine flächendeckende Verbindung der Juniorprofessuren mit Tenuretrack, eine Ausrichtung der Studiengangskapazitäten am Bedarf in den Berufsfeldern oder andere Strukturreform, die den Namen verdienen fehlen nach wie vor.
Und Merkel?
Bundeskanzler interessieren sich i.d.R. überhaupt nicht für Forschung. Das war bei ihr als Wissenschaftlerin zweifelsohne anders. Auch das Naturekommentar kolportiert einmal mehr, dass sie sich ein ums andere Mal wissenschaftliche Expertise ins Kanzleramt holte. Haben wir als BürgerInnen etwas davon gemerkt?
Wurde daraus Politik? Vielleicht in puncto “Corona”. Und so war nicht Trump oder BoJo zu sein zwischenzeitlich ein hohes Gut. Dies macht jedoch keine Wissenschaftspolitik. Das Wissenschaftspolitik überhaupt auf der Agenda der letzten Jahre stand, konnten wir nicht merken. Strukturelle Reformen? Hier, wie in der Technologiepolitik (Stichwort: Digitalisierung), Klimapolitik, der Verkehrspolitik und bei anderen Feldern: Fehlanzeige.
Nein, außer dem zweifelhaften Erbe des Zeitvertragsgesetzes gibt es kein Erbe der Ära Merkel für die Wissenschaft. Oder seht ihr dies anders?
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