Die Idee ist simpel: jeden Zug mit ein paar Wagen zusätzlich ausstatten, auf denen große Luftsauger und eine Apparatur für direct air capture (DAC) installiert sind. Dies ist die noch junge Technologie, mit der man CO₂-Moleküle direkt aus der Luft auffangen kann. Und an bestimmten (Güter-)Bahnhöfen kann, so die Autoren einer Publikation in der Zeitschrift Joule, CO₂ abgepumpt und in große Tanks oder Pipelines überführt werden. Danach kann es von der Industrie gebraucht werden, beispielsweise zur Produktion von synthetischen Kerosin. Oder das Kohlendioxid kann gleich im Untergrund “verklappt” werden.

Diese Art des mobilen CO₂-Fangs ist, wollen wir den Autoren glauben, vielversprechend: Ein Zug mit einem solchen “Klimawaggon” könnte jedes Jahr 6000 Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre ziehen. Das ist ungefähr so viel, wie 2000 benzingetriebene Autos jährlich ausstoßen.

Würde diese Technologie im großen Maßstab eingesetzt, kann der Preis auf 50 Dollar sinken. Das ist geringer als der europäische CO₂-Preis von beinahe bald 55-65 Euro. Ein Geschäftsmodell ist also in Reichweite. Gemäß Prognose der Autoren können 2030 bereits eine halbe Gigatonne CO₂ aus der Atmosphäre holen, und dann 2,9 Gigatonnen 20 Jahre später. Zum Vergleich: 2019 wurden weltweit fast 37 Gigatonnen in die Luft geblasen.

Extra Waggon am Güterzug

Persönlich finde ich die Idee interessant und womöglich braucht DAC auch mehr Aufmerksamkeit. Wir schaffen es schließlich nicht, der Zerstörung unseres Planeten Einhalt zu gebieten. Das wäre einfacher und womöglich auch schöner. Doch wie dem auch sei: auch diese Anwendung von DAC lässt einen zweifeln.

Denn technisch interessant ist der Artikel vor allem auch wegen des Vorschlags, eine elektrochemische Variante des DAC zu verwenden. Damit kann man potenziell zwar Energie gegenüber rein elektrischem DAC sparen, insgesamt jedoch ist der Artikel wenig mehr als eine fixe Idee (ehrlicherweise möchte ich nicht verschweigen, dass es detaillierte technische Anhänge und Berechnungsgrundlagen gibt, auch wenn der Verdacht weiter nagt, dass die Annahmen reichlich optimistisch sind). Auch ist eine feste Installation wohl einfacher zu realisieren, nicht zuletzt, weil die enorme Infrastruktur an Bahnhöfen fehlt. Doch die Autoren nennen ein paar gute Argumente für ihre Idee:

Not only will there be no direct (or indirect) costs associated with acquiring, preparing, and maintaining sizable swaths of land but also no sprawling industrial-looking DAC installations to permanently mar our landscapes or cityscapes and no “not in my neighborhood” impediments to broad deployment.

Damit haben sie wohl leider einen Punkt: noch mehr Industrieanlagen, um das Ergebnis bisherige Industrieanlagen aufzuräumen, kann keine Lösung darstellen. Und “Not in my backyard / neighborhood”-Haltungen sind bedauerlicherweise weitverbreitet. Nicht zuletzt gibt es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten immer noch zu viel Widerstand gegen jegliche CO₂-Vermeidung. Und hierzulande ist der transformative Prozess zu nachhaltiger Wirtschaft noch gar nicht richtig angefangen. Gegen einen Waggon extra wird der Widerstand möglicherweise kleiner ausfallen. So weit sind wir schon gekommen.

 

flattr this!

Kommentare (20)

  1. #1 Spritkopf
    23. Juli 2022

    Ich halte das eher für eine Schnapsidee. Nicht nur, dass die zusätzlichen Waggons energiefressend beschleunigt werden wollen und die Annahmen der Autoren über Energierekuperation ziemlich optimistisch sind.

    Die Waggons verbrauchen auch anderweitig Ressourcen. Sie nehmen den Zügen Transportkapazität weg, d. h., die Bahngesellschaft muss mehr Lokomotiven vorhalten. Die Waggons müssen in die Züge eingestellt werden (Rangierkapazitäten), sie müssen gewartet werden und das gespeicherte CO2 muss irgendwo entladen werden, was zusätzliche Anlagen erfordert.

    Viele Annahmen, die die Autoren treffen, beziehen sich hauptsächlich auf die USA. Und da ist nun das Platzproblem für stationäre Anlagen die allergeringste Sorge. Gerade in Bundesstaaten mit viel Platz und viel Sonnenschein (Arizona, Utah, Kalifornien) sollte es überhaupt kein Problem darstellen, irgendwo einen Hektar Wüste freizuräumen und dort ein paar Standardcontainer mit den entsprechenden Anlagen plus ein paar Solarpanels für die elektrische Versorgung aufzustellen.

    • #2 Christian Meesters
      24. Juli 2022

      Schnapsidee

      Gut möglich. Zumindest ist es eine Form der Werbung, schließlich gehört der Erstautor der “CO2Rail Company” an, ist gar ihr “CTO”. Die Übrigen Autoren rekrutieren sich auch aus dem Board of Directors dieser Firma.

      Die Webseite der Firma macht einen professionellen Eindruck – schöne Bildchen kann man dort. Eine gewisse Naivität darf der Beobachter durchaus konstatieren, finden sich doch dort Blüten wie:

      Surprisingly, a single freight Train can replace several hundred trucks, freeing up space on the highway for other motorists.

      Man muss schon sein Leben in einem car infested country verbracht haben, um so denken zu können.

      DAC ist energetisch gesehen, die dümmste Alternative zu weniger Emissionen und mehr Bäumen – keine Frage. Und dennoch überrascht die Annahme, dass man eine Zug-basierte Ausweichstrategie benötigen könnte, um Vorbehalten auszuweichen. DAS ist, neben der fraglichen Technik, der überraschendste Aspekt des Artikels, oder?

  2. #3 Fluffy
    24. Juli 2022

    Oh, mein, Gott.

    Ein Zug mit einem solchen “Klimawaggon” könnte jedes Jahr 6000 Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre ziehen.

    Weiß eigentlich jemand, wieviel Tonnen Kohlendioxid insgesamt in der Erdatmosphäre enthalten sind?
    Warum muss der Waggon eigentlich mit dem Zug rollen? Damit durch den Fahrtwind die Luft durch die Apparatur bewegt wird?
    Oder damit das Kohlendioxid nicht nur am Ort des Waggons verringert wird?
    Gebildete Leute sagen ja “Kohlenstoffdioxid”.
    Wie das wohl auf englisch klingt:
    Karbon-S-taff-DaiOxaid ?

    • #4 Christian Meesters
      24. Juli 2022

      Weiß eigentlich jemand, wieviel Tonnen Kohlendioxid insgesamt in der Erdatmosphäre enthalten sind?

      Ja.

      Wie das wohl auf englisch klingt:
      Karbon-S-taff-DaiOxaid ?

      Well, educated people of all sorts would write “englisch” in German (and English) with a capital “E”. Then, this language – apparently – ignores your distinction ;-).

  3. #5 fauv
    24. Juli 2022

    Die Idee mit dem CO2 Einfang ist einfach und genial.
    CO2 ist etwa doppelt so schwer wie Luft und dazu noch sehr ungleich verteilt. In einem Weinkeller kann die Konzentration so hoch werden , dass der Winzer ohnmächtig wird und erstickt.
    Man muss also das CO2 dort einfangen, wo es entsteht.
    Das geht einfach mit Wasser, denn CO2 + H2O=H2CO3
    Regen wäscht übrigens CO2 aus der Luft. Man erinnere sich an den Ausdruck “Saurer Regen”, damit war allerdings das SO2 gemeint, das ebenfalls ausgewaschen wird.
    In Bodennähe ist die CO2 Konzentration am höchsten.
    Man könnte jetzt alle Wärmekraftmaschinen mit einem Wasserfilter ausstatten und die CO2 Emmission wäre verringert. Das entstandene saure Wasser kann mit Ca(OH)2 zu Kalk weiterverarbeitet werden.
    Nur Denkanstöße noch kein fertiges Konzept !

    Wie in Gradierwerken stellt man Wasserteppiche auf, anstelle von sinnlosen Brunnen die die Marktplätze zieren.
    Und wer ganz clever ist, füllt das saure Wasser dann ab und verkauft es als Kölner Sauerwasser in die ganze Welt.

    • #6 Christian Meesters
      24. Juli 2022

      Man muss also das CO2 dort einfangen, wo es entsteht.

      Ja, jedoch ist das eher industriell möglich, wo man direkt Abgase filtern kann. Der Winzerkeller kann unter erhöhten Konzentrationen nur dann leiden, wenn es keine Durchlüftung gibt. In der Atmosphäre ist CO₂ sehr gleichmäßig verteilt.

      Das geht einfach mit Wasser, denn CO2 + H2O=H2CO3

      zu etwa 0.2 % – sonst würden wir “nur” unter massiver Übersäuerung der Ozeane leiden und Klimawandel wäre ein kleineres Thema.

  4. #7 fauv
    24. Juli 2022

    Christian Meesters,
    Ihre Einschränkungen sind korrekt, mir ging es mehr um die Ideen. Die Deutschen fühlen sich als das Volk der Dichter und Denker, und wenn wir das “Denken” mal in Richtung Umweltschutz lenken, dann haben Sie mit ihrem Artikel schon viel rreicht.

  5. #8 hto
    Gemeinschaftseigentum
    24. Juli 2022

    @fauv

    Ausser weitere Symptomatik, garnichts erreicht, wenn wir die Ursachen der Probleme nicht kommunikativ konkretisieren und dann angehen!

  6. #9 schorsch
    24. Juli 2022

    Der Waggon muß nicht rollen, um mit dem Fahrtwind die Apparatur zu betreiben, sondern um durch den Fahrtwind den Einsatz von Ventilatoren überflüssig zu machen.

    Darüber hinaus muß das entstehende Produkt entweder transportiert, oder es muß direkt am Verbrauchs-/Verklappungsort erzeugt werden. Oder – die Idee drängt sich nicht unbedingt auf, ist aber nicht dumm – es wird während des eh erforderlichen Transports erzeugt.

    Auch die anderen hier genannten Bedenken relativieren sich einigermaßen, wenn man davon ausgeht, dass die Realisation unter Bedingungen des US-amerkanisch/kanadischen Transportsystems mit seinen Zuglängen von oft mehreren hundert Waggons gedacht ist, nicht unter den Bedingungen des wesentlich engmaschigeren, elektrifizierten (Oberleitungen) und gemischten (Personen- und Gütertransport auf gleicher Strecke) europäischen Transportsystems.

    Auch Australien bietet sich an, da dort die großen Strecken wesentlich dem Erztransport dienen – also direkt an die potentiellen Verklappungsorte führen.

  7. #10 fauv
    nach dem Kirchgang
    24. Juli 2022

    Schorsch,
    du denkst schon in Kreisläufen. „Verklappungsort“, sehr gut, und was macht man mit dem CO2?
    Man verkauft es an die coca cola company, die füllt es in ihre Getränke, mit dem slogan „eiskalt genießen“.
    Man muss mal wieder daran erinnern, dass die Getränkeindustrie den Limonaden und auch den Tafelwassern CO2 zusetzt, damit es frischer schmeckt. Das nennt sich dann „mit Kohlensäure.“

    So kann man das CO2 loswerden und dabei auch noch verdienen. Leute, an dieser Stelle sollte man mal den Verstand einschalten. Mit Kohlensäure versetzte Getränke gehören verboten.

    Also zurück zu den Essentials. CO2 gehört zum Kohlenstoffkreislauf auf dieser Erde.
    CO2 ist lebenswichtig, zu viel CO2 schadet, ja, warum ??
    weil es ein Gas ist und in die Atmosphäre entweicht. In richtiger Menge erhöht es die Erdtemperatur. Ohne CO2 wäre die Erde um 15 Grad kälter, also total vereist.

    Wenn wir unsere Energieerzeugung umstellen müssen, dann gibt es noch eine andere Alternative.
    Wir verbrennen keine Kohlenwasserstoffe mehr, wir verbrennen Silizium, dem häufigsten Element der Erde. Silizium verbrennt zu Siliziumdioxid, auch bekannt unter dem Namen Sand.

    Jetzt brauchen wir einen Chemiker. Frage : Kann man CO2 mit Si reduzieren ?
    Wenn ja, dann erzeugen wir reinen Kohlenstoff und der Sauerstoff oxidiert das Silizium.
    Und, das CO2 ist vernichtet.
    Wie es weiter geht ? Leute, jetzt schaltet mal den Turbo an und rettet mal die Welt.

  8. #12 Fluffy
    24. Juli 2022

    @#4

    Ja

    Ach so. Also Wikipedia kennt die Antwort.
    Um mal eine Vorstellung von Zahlen und Relationen zu bekommen:
    Die Masse an CO2 in der Erdatmosphäre beträgt ca. 3*10^15 kg.
    Die Masse extrahierten CO2 pro Waggon und Jahr ca. 6*10^6 kg.
    Die dafür umzuwälzende Luftmasse beträgt ca. 10^10 kg.
    Das sind etwa 8.3 * 10^9 m³.
    Wie viele km müssen x Waggons mit dem Querschnitt A und der Geschwindigkeit v fahren, um das umzusetzen?

    Well educated people of all sorts would write “englisch” in German (and English) with a capital “E”. Then, this language – apparently – ignores your distinction 😉

    Tja, dann bin ich eben nur educated und nicht well educated. 😉

    • #13 Christian Meesters
      24. Juli 2022

      Die Frage, welche die allein seligmachende Rettungsmethode ist, ist leicht zu beantworten: keine.

  9. #14 Fluffy
    24. Juli 2022

    @#11
    Norbert Auner.
    Das ist wohl ein Pseudonym von Peter Plichta.

  10. #15 fauv
    24. Juli 2022

    Fluffy #12
    wir rechnen mit der Zeit.
    Der Unterschied von 3 mal 10 hoch 15 und 6 mal 10 hoch 6 = 0,5 mal 10 hoch 9
    Das entspricht bei 1000 Waggons pro Jahr 500 000 Jahre. Eine überschaubare Zeit.

    Wir wollen aber gar nicht das ganze CO2 entfernen. 1 % reicht. Dann sind wir schon bei 5000 Jahren.
    Und wenn wir jetzt noch statt 1000 Waggons 10 000 Waggons pro Jahr nehmen , dann schaffen wir es in 500 Jahren. Das ist ein Jahrhundertprojekt !

    • #16 Christian Meesters
      24. Juli 2022

      Jau, kein Vorschlag wird für sich genommen eine vollständige Lösung des Problems ergeben. (s. auch hier)

      Doch darum geht es den Autoren nicht. Daran wird nur hier gemessen. Interessant ist der Ansatz und die Argumentation dafür.

  11. #17 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    25. Juli 2022

    Bremsen die Öffnungen nicht den Zug und kosten so wieder Energie?
    Da finde ich den Infinity Train schon realistischer
    https://www.golem.de/news/elektromobilitaet-der-elektrische-infinity-train-soll-beim-fahren-laden-2203-163559.html
    Fortescue will uns ja auch mit grünem Wasserstoff (NH3) beglücken.
    siehe wiki: Fortescue_Metals_Group

  12. #18 fauve
    25. Juli 2022

    Omnivor,
    mal auf die Schnelle, der Zug muss gar nicht fahren. Bewegen muss sich nur die Luft. Und es muss auch kein Zug sein, es reicht eine Dekabonierungsanlage. Die ist stationär. Die saugt die Luft an. Als Sponsor wählen wir die Firma Dyson, und schlagen als Slogan vor :”Dyson takes all Carbonide”.
    Christian Meesters,
    was ihr Kollege Florian Freistetter schreibt ist gut durchdacht. Das reicht nicht. Es fehlt etwas Geniales, etwas Verrücktes, ein ganz neuer Ansatz, weil das Wichtigste fehlt, das Verständnis der Bevölkerung, das Bewusstsein für den Ernst der Lage.

  13. #19 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    25. Juli 2022

    Laut dem scinexx-Artikel
    https://www.scinexx.de/news/energie/eisenbahnwaggons-als-co2-faenger/
    wurde mit einer Zuggeschwindigkeit von 111 km/h gerechnet. Das ist die Geschwindigkeit von Orkanen.
    Also keine Chance auf dem heimischen Balkon das CO2 für das Blubber-Wasser aufzukonzentrieren.

  14. #20 fauv
    nach einem Phantasie anregenden Espresso
    25. Juli 2022

    Omnivor, diesmal kein Blubber-Wasser
    Stichwort Katalysator, es gib ihn, der CO2 in CO verwandeln kann.
    „Stabiler Katalysator
    Pentlandit besteht aus Eisen, Nickel und Schwefel und ähnelt einigen in der Natur vorkommenden katalytisch aktiven Zentren von Enzymen, etwa denen der Wasserstoff produzierenden Hydrogenasen. »Ein großer Pluspunkt dieses Minerals ist, dass es relativ stabil gegenüber anderen chemischen Verbindungen ist, die in industriellen Abgasströmen vorkommen und wie ein Gift für viele Katalysatoren wirken«, erklärt Dr. Apfel.“
    und ….bei entsprechender Einstellung kann man bei der Reaktion auch Wasserstoff bekommen.