5. Walach versucht, das Leib-Seele-Problem als Black Box für die unerklärlichen, seiner Meinung nach trotzdem möglichen Wirkungen der Homöopathie zu benutzen. Das Leib-Seele-Problem ist nicht gelöst, völlig richtig. Das wurde m.W. in der Homöopathiekritik, z.B. bei Weymayr und Aust, auch nie behauptet. Ich glaube aber nicht, dass das Leib-Seele-Problem die Homöopathie retten kann und man sollte grundsätzlich auch nicht Unerklärtes mit anderem Unerklärten beantworten. Wie der „Geist“ in die naturwissenschaftlich beschriebene Welt passt, ist nicht nur nicht beantwortet, sondern auch eine komplizierte Angelegenheit auf ganz unterschiedlichen Ebenen, ontologisch wie epistemologisch. Das will ich hier nicht vertiefen, wer dazu mehr wissen will, möge sich in der reichhaltigen Literatur dazu bedienen, etwa zur Philosophie des Geistes (es gibt dazu auch sehr gute deutschsprachige Literatur, z.B. von Ansgar Beckermann, Michael Pauen oder Peter Bieri) oder zur Hirnforschung. A propos Hirnforschung: Walach schreibt, seine Freiburger Kollegen hätten die Experimente Libets widerlegt – das waren die Experimente, die die aktuelle Debatte über die Willensfreiheit angestoßen haben. Ich habe den Eindruck, Walachs Kollegen haben den Befunden Libets lediglich eine Interpretationsvariante mehr hinzugefügt, einige gibt es ja schon, aber das mögen Fachleute beurteilen.
6. Die Homöopathie braucht Geister, die in der Welt kausal wirken. Man findet diese Art „geistartiger Kräfte“ nicht in der Quantenphysik, man findet sie nicht der Makrophysik. Und wenn es sie doch geben sollte, wird man sie sicher nicht mit klinischen Studien über Homöopathika finden, sondern in physikalischen Experimenten und ich bin sicher (und mag mich täuschen), dass was immer da gefunden werden mag, die Homöopathie nicht retten wird. Walach beruft sich u.a. auf Thomas Nagels Buch „Geist und Kosmos“. Nagel spekuliert dort über „Systemgesetze der Materie“, die über das kausale Gewebe der Natur vielleicht eine Art teleologischer Tendenz legen könnten. Mag sein, über einen Geist, der den Naturgesetzen widerspricht, spekuliert Nagel nicht. Walach träumt hier die Träume eines Geistersehers – bei anderem naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand als die Geisterseher des 18. und 19. Jahrhunderts.
7. Aus der Geschichte kann man aber noch etwas lernen, was in der Auseinandersetzung mit der Homöopathie vielleicht entscheidend ist: Hahnemanns Ansatzpunkt war die Erfolglosigkeit der damaligen Medizin. Nicht nur in den Naturwissenschaften, auch in der Medizin gab es seitdem große Fortschritte. Trotzdem sind auch heute viele Krankheiten, gerade chronische Krankheiten mit hoher Prävalenz (Allergien, Kopfschmerzen, Diabetes, Demenz, viele Krebsarten etc.) in ihrer Genese nicht vollständig geklärt und ihre Behandlung ist auch heute oft nur eingeschränkt erfolgreich. Hier setzt die Homöopathie an: anders als zu Hahnemanns Zeiten nicht als gleichwertige oder sogar bessere Alternative, sondern als sinngebender Lückenfüller und oft genug wohl auch als vermeintlich rettender Strohhalm. Meine Prognose: Die Homöopathie wird nicht durch noch so gute wissenschaftliche Gegenargumente verschwinden, sondern im Laufe von Jahrzehnten durch den praktischen Fortschritt der Medizin, wenn sie immer mehr Krankheiten erfolgreich behandeln (oder vermeiden) kann und das in die Erfahrungsbasis der Bevölkerung eingeht.
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