Eine verschlüsselte Nachricht aus dem Zweiten Weltkrieg sorgte letztes Jahr für Wirbel. Sie wurde von einer Brieftaube transportiert. Bisher ist es nicht gelungen, dieses historisch interessante Kryptogramm zu knacken.
Das Kryptogramm, um das es heute geht, wurde im vergangenen Oktober in Surrey (England) entdeckt. Bei Renovierungsarbeiten stieß ein Hauseigentümer in einem Kamin auf die Überreste einer Brieftaube. An deren Beinknochen befand sich eine Kapsel mit einer verschlüsselten Nachricht:
AOAKN HVPKD FNFJW YIDDC
RQXSR DJHFP GOVFN MIAPX
PABUZ WYYNP CMPNW HJRZH
NLXKG MEMKK ONOIB AKEEQ
UAOTA RBQRH DJOFM TPZEH
LKXGH RGGHT JRZCQ FNKTQ
KLDTS GQIRW AOAKN 27 1525/6.
Die Taubennachricht stieß in den Medien auf großes Interesse. Allein Spiegel Online berichtete dreimal darüber. Ich selbst habe über die Taubennachricht einen Artikel für die Telepolis geschrieben und außerdem in Klausis Krypto Kolumne darüber berichtet. Zwar gibt es noch viele andere verschlüsselte Texte aus dem Zweiten Weltkrieg, doch eine verschlüsselte Brieftauben-Nachricht ist etwas Besonders. Außerdem wurde diese Botschaft vermutlich an einem historischen Datum versendet: Wahrscheinlich am am 6. Juni 1944, dem D-Day, schickte ein Brite die Taube in seine Heimat.
Trotz des Medienrummels um die Taubennachricht ist bisher noch niemand auf die richtige Lösung gekommen. Zwar meldete der kanadische Historiker Gord Young eine erfolgreiche Dechiffrierung, doch seine Lösung “Truppen, Panzer, Geschütze, Pioniere, hier. Gegenmaßnahmen gegen Panzer funktionieren nicht” erwies sich als falsch. Ihren Platz in meiner Liste der 25 größten ungelösten Krypto-Rätsel hat sich die Brieftaubennachricht redlich verdient.
Das Rätsel um die Taubennachricht zu lösen, wird kein einfaches Unterfangen sein. Im Zweiten Weltkrieg gab es ziemlich viele Chiffriermethoden – es dürften Tausende gewesen sein. Nur zu den allerwenigsten dieser Verfahren existiert aussagekräftige Literatur. Man kann über das verwendete Verfahren also nur spekulieren (im Telepolis-Artikel gehe ich ausführlicher darauf ein):
- Die Briten nutzten im Zweiten Weltkrieg die Verschlüsselungsmaschine Typex (siehe Abbildung). Diese ähnelte der deutschen Enigma, war jedoch deutlich sicherer. Der britische Krypto-Experte Stu Rutter hat die Taubennachricht untersucht und ist zum Schluss gekommen, dass viel für die Typex spricht. Mal sehen, ob er noch mehr herausfindet.
- Denkbar wäre auch ein Codebuch. Ein solches enthält für jedes gängige Wort einer Sprache ein Codewort (dabei kann es sich um eine beliebige Buchstabenfolge, ein Fantasiewort oder auch um eine Zahl handeln) und realisiert dadurch eine wortweise Verschlüsselung. Stephen Bellovin, der weltweit führende Codebuch-Experte, ist jedoch skeptisch: “Codewörter waren meist so aufgebaut, dass man sie einfach aufschreiben und morsen konnte. Außerdem gibt es in dieser Nachricht nur eine Buchstabengruppe, die sich wiederholt (AOAKN).“ Bellovin hält jedoch eine Codebuch-Verschlüsselung für möglich, die noch einem zusätzlichen Verschlüsselungsschritt unterzogen wurde.
- Ein weiteres Verschlüsselungsverfahren, das zum Einsatz gekommen sein könnte, ist der One Time Pad. Dies ist eine Methode, bei der eine Zufallsfolge (z. B. JDGLDJWSJLRSY…) buchstabenweise zum Klartext addiert wird. Der One Time Pad ist sehr sicher und vergleichsweise einfach auszuführen. Allerdings war dieses Verfahren im Zweiten Weltkrieg noch nicht allzu weit verbreitet.
- Denkbar ist auch eine Bigramm-Chiffre. Bei einer solchen werden immer zwei Buchstaben auf einmal verschlüsselt. Die bekannteste Variante ist die so genannte Playfair-Chiffre. Der britische Experte Nick Pelling hat diesen Ansatz verfolgt und in seinem Blog einige Aussagen dazu veröffentlicht. Seiner Meinung nach ist eine Bigramm-Chiffre sehr gut möglich.
- Ein heißer Kandidat ist laut Pelling außerdem die Slidex. Dabei handelt es sich um eine einfache Verschlüsselungsvorrichtung, die die Briten im Zweiten Weltkrieg nutzten. Die Slidex verschlüsselt einzelne Buchstaben bzw. Ziffern sowie ganze Wörter mit Hilfe einer großen Tabelle, in der diese aufgeführt sind. Der Absender einer Nachricht gibt jeweils mit einem Buchstabenpaar Zeile und Spalte an.
Die Taubennachricht ist also eine harte Nuss. Bei genauerer Untersuchung halte ich es jedoch durchausfür möglich, dass man sie knacken kann. Vielleicht steht sogar etwas drin, was die Historiker interessiert. Da Brieftauben-Nachrichten in der Regel nicht verschlüsselt wurden, könnte in dieser etwas vergleichsweise Wichtiges stehen. Ich kann daher nur sagen: Codeknacker dieser Welt, macht Euch an die Arbeit!
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