Ein Toter, der 1948 in Australien gefunden wurde, ist bis heute nicht identifiziert. Zur Lösung des Rätsels könnte ein verschlüsselter (?) Text beitragen. Doch diesen konnte bisher niemand dechiffrieren.
Es war Sommer am Somerton Beach in Adelaide (Australien), als sich dort am 30. November 1948 ein unbekannter Mann aufhielt. Sein Anzug passte nicht zur warmen Jahreszeit. Am nächsten Morgen fand man die Leiche des Unbekannten. Der “Somerton-Mann”, wie er heute genannt wird, war zum Zeitpunkt seines Todes etwa 40 bis 45 Jahre alt. Seine hochwertige Kleidung deutete darauf hin, dass er wohlhabend war.
Der Polizei gelang es nicht, den Toten zu identifizieren. Er trug keine Ausweispapiere bei sich. Alle Etiketten waren aus seiner Kleidung entfernt. Niemand schien ihn zu vermissen. Auch die Todesursache ist bis heute nicht geklärt. Die Todesumstände sprechen für ein Gift, auch wenn man mit den damaligen Methoden keines nachweisen konnte. Möglicherweise hatte sich der Somerton-Mann selbst getötet – doch auch ein Mord oder ein natürlicher Tod sind möglich.
In der Gepäckaufbewahrung des Bahnhofs von Adelaide wurde ein Koffer des Toten gefunden. Doch der Inhalt brachte kaum neue Erkenntnisse. Immerhin wusste die Polizei nun, dass sich der Unbekannte vor seinem Tod am Bahnhof aufgehalten hatte. Vermutlich war er mit einem Nachtzug angereist, hatte seinen Koffer zur Gepäckaufbewahrung gebracht und war schließlich mit dem Bus zum Somerton Beach gefahren. Wollte er sich am Strand von der anstrengenden Zugfahrt erholen? Man weiß es nicht.
Erst einige Monate nach dem Tod des Somerton-Manns fand die Polizei in dessen Hosentasche einen weiteren Hinweis: einen sorgfältig gefalteten Zettel mit der Aufschrift “Taman Shud”. Dieser war aus dem damals recht populären Buch “The Rubaiyat of Omar Khayyam” von Edward Fitzgerald herausgerissen. Tatsächlich ermittelte die Polizei einen Zeugen, der das zugehörige Buchexemplar in der Nähe des Somerton-Beach gefunden hatte. In diesem Buch war handschriftlich eine Telefonnummer notiert. Diese gehörte einer Frau, die in der Nähe von Somerton Beach wohnte. In der in der Literatur wird sie meist als “Krankenschwester” bezeichnet. Die Polizei vernahm diese wichtige Zeugin, erfuhr dabei jedoch anscheinend nichts Entscheidendes. Der Name und die Aussagen der Krankenschwester wurden nie veröffentlicht.
Auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels fand die Polizei einige mit Bleistift geschriebene Buchstabenfolgen ohne erkennbaren Sinn. Möglicherweise handelte es sich dabei um eine verschlüsselte Nachricht. Das “Taman-Shud-Kryptogramm”, wie es heute genannt wird, lautete wie folgt (einige Buchstaben sind nicht eindeutig, die zweite Zeile ist durchgestrichen):
MRGOABABD
MLIAOI
MTBIMPANETP
MLIABOAIAQC
ITTMTSAMSTGAB
Hatte der Tote gewollt, dass die Nachricht gefunden wurde? Enthielt sie einen Abschiedsbrief? Sollte sie etwa sogar einen Hinweis auf den etwaigen Mörder geben? Oder handelte es sich nur um ein paar unwichtige Notizen? Zahlreiche Experten und Hobby-Kryptologen nahmen die Taman-Shud-Chiffre unter die Lupe. Doch bis heute konnte niemand eine glaubwürdige Lösung präsentieren.
Eine interessantes Untersuchung lieferten 2009 die beiden australischen Studenten Andrew Turnbull und Denley Bihari. Durch eine Analyse der Buchstabenhäufigkeiten kamen sie zur Auffassung, dass die Taman-Shud-Chiffre vermutlich aus den Anfangsbuchstaben englischer Wörter besteht. Vielleicht hatte der Urheber von jedem Wort eines Satzes den jeweils ersten Buchstaben notiert. Weiter kamen die beiden Studenten jedoch nicht.
Und wer war der Somerton-Mann? Der Brite Nick Pelling vermutet, dass es sich um einen ehemaligen Seefahrer handelte. Er soll nach Adelaide gekommen sein, um dort die Krankenschwester zu besuchen, die seine verflossene Geliebte war. Während sich der Unbekannte in deren Wohnung aufhielt, starb er unerwartet eines natürlichen Todes – zum Beispiel durch eine allergische Reaktion. Die Krankenschwester, deren Ehemann von dem Besuch nichts wusste, schaffte die Leiche an den Strand, wo diese später gefunden wurde. Dass der Somerton-Mann wohlhabend gewesen sei, bestreitet Pelling. Seiner Meinung nach stammte der Anzug aus einer Altkleiderspende, was auch die fehlenden Etiketten erklärt. Die Taman-Shud-Chiffre besteht laut Pelling aus den Anfangsbuchstaben eines selbstgeschriebenen Liebesgedichts, die der Somerton-Mann als Gedächtnisstütze notierte.
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