Eine neue Forschungsarbeit zum Voynich-Manuskript sorgt für Furore. Ist das Manuskript in einer Indianersprache verfasst?
Schon mindestens 30 Personen haben verkündet, das Voynich-Manuskript gelöst zu haben. Bisher hat sich jedoch keine “Lösung” als richtig erwiesen.
Bei der jüngsten “Lösung” des Voynich-Manuskripts ist jedoch einiges anders. Die vor ein paar Tagen veröffentlichte Arbeit A Preliminary Analysis of the Botany, Zoology, and Mineralogy of the Voynich Manuscript von Arthur O. Tucker und Rexford H. Talbert stammt (soweit ich es beurteilen kann) von anerkannten Wissenschaftlern und ist in einer anerkannten Publikation mit Gutachtersystem erschienen. Das gibt einen Vertrauensvorschuss – obwohl natürlich auch weniger renommierte Forscher interessante Ergebnisse erzielen können.
Der Inhalt der Arbeit ist allemal eine Sensation – wenn er sich denn als richtig herausstellen sollte. Die Autoren wollen herausgefunden haben, wann das Voynich-Manuskript entstanden ist, wo es entstanden ist und wie es verschlüsselt ist. Das ist fast zu schön, um wahr zu sein. Fassen wir die wichtigsten Thesen der Arbeit zusammen:
- Der Stil des Voynich-Manuskript erinnert an Bücher, die im 16. Jahrhundert in Mexiko entstanden sind.
- 37 der insgesamt 303 im Voynich-Manuskript abgebildeten Pflanzen lassen sich als mittelamerikanische Kräuter und Blumen identifizieren. Das obige Bild soll beispielsweise einen Kaktus darstellen.
- Die sechs Tiere, die im Voynich-Manuskript abgebildet sind, zeigen ebenfalls mittelamerikanische Arten.
- Zahlreiche Pflanzenbeschriftungen lassen sich lesen, wenn man die mittelamerikanischen Namen kennt.
- Der Voynich-Manuskript-Text ist in einer mittelamerikanischen Indianersprache des 16. Jahrhunderts geschrieben.
Was ist davon zu halten? Inwiefern das Voynich-Manuskript mexikanischen Manuskripten ähnelt, kann ich nicht beurteilen. Außerdem bin ich kein Biologe und kann daher nicht sagen, ob die identifizierten Pflanzen und Tiere korrekt sind. Dass der Text in einer mittelamerikanischen Sprache verfasst ist, würde mich sicherlich wundern. Der Voynich-Text unterscheidet sich statistisch von natürlicher Sprache. Ganz ausschließen möchte ich diese Hypothese jedoch nicht. Eine Indianersprache könnte sich eventuell so deutlich von europäischen Sprachen unterscheiden, dass die Sprachstatistiken in die Irre führen.
Mein Fazit: Die Mexiko-Hypothese ist so neu und andersartig, dass man sie auf Basis des bisherigen Wissens schwer bewerten kann. Ich hoffe daher, dass die Behauptungen von Tucker und Talbert schnell von anderen Experten überprüft werden. Als Kryptologie-Experte kann ich leider wenig dazu beitragen. Stattdessen sind Biologen und Linguisten gefragt.
PS: In meinem Buch Nicht zu knacken gibt es ein ausführliches Kapitel über das Voynich-Manuskript.
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