Wer steckte hinter dem Attentat auf den kongolesischen Politiker Patrice Lumumba? Ein belgischer Codeknacker lieferte wichtige Hinweise.
Die Demokratische Republik Kongo war gerade einmal sechs Monate alt, als am 17. Januar 1961 ihr bekanntester Politiker ermordet wurde: Patrice Lumumba. Einheimische Soldaten erschossen ihn in der kongolesischen Provinz Katanga. Viele Details blieben ungeklärt.
Erst vier Jahrzehnte später berief das Parlament in Belgien eine Kommission ein, die den Mord in der ehemaligen Kolonie aufarbeiten sollte. Dabei galt es vor allem zu klären, ob die Lumumba-Mörder Unterstützung aus Belgien erhalten hatten.
Die Kommission stellte unter anderem fest, dass es in den Tagen vor und nach dem Lumumba-Mord einen verschlüsselten Nachrichtenaustausch zwischen Belgien und dem Kongo gegeben hatte. Eines der Fernschreiben las sich wie folgt:
DOFGD VISWA WVISW JOSEP HWXXW TERTI OWMIS SIONW BOMBO KOWVO IRWTE LEXWC EWSUJ ETWAM BABEL GEWXX WJULE SWXXW BISEC TWTRE SECVX XWRWV WMWPR INTEX WXXWP RIMOW RIENW ENVOY EWRUS URWWX XWPOU VEZWR EGLER WXXWS ECUND OWREP RENDR EWDUR GENCE WPLAN WBRAZ ZAWWC
Um die Verschlüsselungen zu knacken, engagierte der Ausschuss den belgischen Kryptologie-Professor Bart Preneel. 15 verschlüsselten Fernschreiben aus den Jahren 1960 und 1961 musste sich dieser nun vornehmen. Vier der Schreiben waren offensichtlich mit dem One-Time-Pad verschlüsselt – und damit wohl unlösbar. Die restlichen elf Nachrichten hatte man anscheinend mit einer Verschlüsselungsmaschine erstellt. Preneel machte sich an die Arbeit.
Mit Hilfe von Zeitzeugen und statistischen Tests fand Preneel heraus, dass die untersuchten Fernschreiben mit der Verschlüsselungsmaschine C-38 des schwedischen Unternehmers Boris Hagelin verschlüsselt worden waren. In der Fachzeitschrift Cryptologia fand Preneel einen Artikel, in dem erklärt wurde, wie man diese Maschine knacken konnte (der Artikel bezieht sich auf die baugleiche Maschine M-209).
Und tatsächlich, die Dechiffrier-Methode aus dem Artikel griff. Preneel konnte alle damit alle elf Fernschreiben lösen. Die oben genannte Nachricht hatte folgenden Klartext:
Top secret. Answer to your printex message. First. Nothing sent to Rusur. Can you sort this out? Second. Resume urgently plan Brazza with respect to Joseph. Third. Mission Bomboko. See telex on this topic from the Belgian Embassy. Jules.
„Joseph“ war der Codename Lumumbas. Das Fernschreiben forderte also dazu auf, den Plan “Brazza” gegenüber Lumumba auszuführen. Doch was war das für ein Plan? Der Name ist vermutlich von der kongolesischen Stadt Brazzaville abgeleitet, doch dies sagt nichts über den Inhalt. War es ein Plan, der die Ermordung von Lumumba an diesem Ort zum Inhalt hatte? Das ist bis heute nicht geklärt. Die Beantwortung einer Frage hatte damit neue Fragen aufgeworfen.
Die Untersuchungskommission fand schließlich keine Hinweise darauf, dass irgendwelche Belgier beim Lumumba-Mord die Finger im Spiel gehabt hatten. Auch eine vielfach vermutete Verwicklung der USA ließ sich nicht ermitteln.
Die Verschlüsselungsmaschine C-38 stammt übrigens aus dem Jahr 1938 und war zur Zeit des Lumumba-Mords bereits veraltet. Wäre damals das Nachfolgegerät C-52 zum Einsatz gekommen, dann wäre Preneels Aufgabe ungleich schwieriger gewesen.
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